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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - PPA: Mehr Plattform, weniger Berater
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

PPA: Mehr Plattform, weniger Berater

Deutscher Ökostrom lässt sich zwar in PPA langfristig verkaufen, aber noch nicht per Klick. Digitale Vorstufen davon bieten Plattformen von Flexpower und Level Ten.
Amani Joas trägt beim E&M-Gespräch einen Hoodie des FC St. Pauli, direkt gegenüber seinem Büro ist das Millerntor-Stadion. Auch in seinem Beruf nimmt es der 36-jährige Mitgründer und Geschäftsführer von Flexpower gewissermaßen mit dem Establishment auf: mit Energiekonzernen und etablierten Direktvermarktern, die sich bei Power Purchase Agreements, den anlagenbezogenen Ökostromlieferverträgen, zwischen die Anlagenbetreiber und die Kunden aus Industrie und Gewerbe schieben, als handelsaffine Abwickler, Lieferanten von Reststrom und Gegenpartei. Und mit manchem Berater nimmt es Joas auch gleich auf. 

„Wir kommen alle vom Trading, von Next Kraftwerke oder von Eon“, berichtet Joas über sein Team, das sein Handwerk bei dem Kölner Direktvermarkter und Virtuelles-Kraftwerk-Betreiber und bei dem Energiekonzern gelernt hat. „Uns hat dort gestört, dass die übliche Bewertung von Anlagen in Power Purchase Agreements (PPA) mit der Formel ‚Pay-as-produced‘ so kompliziert ist.“ Wie die Erzeugungskurve einer Wind- oder Solaranlage übers Jahr aussieht, ist nach dieser Formel je nach Typ, Standort und angewandtem Wettermodell anders − und das sät Unbehagen, wenn nicht Misstrauen. Die Vision Joas’ und seiner Mitgründer: Betreiber und Verbraucher zusammenzubringen über eine digitale Plattform. „Das entscheidende Problem, das wir lösen mussten, war: Wie standardisieren wir PPA so, dass sie alle vergleichbar auf eine einzige Plattform passen?“ Und: Wo soll der Reststrom herkommen, wenn auch er 100 Prozent erneuerbar sein muss?

Herausgekommen ist die Vermittlungsplattform „Power Match“. Über sie vermittelte Flexpower vom ersten PPA im August 2023 bis Ende Februar 2024 mehr als 30 PPA, berichtet Joas. Das ist nicht wenig, wenn die Analysten von Pexapark für 2023 europaweit von 272 PPA sprachen. Die Leistungen reichten Joas zufolge von 1 bis 30 MW. „Meistens laufen sie ein Jahr lang“, so Joas. Die wagniskapitalfinanzierte Flexpower ist in der Anfangsphase noch Gegenpartei, künftig aber sollen die Marktteilnehmer auch direkt miteinander abschließen können. 

Die PPA werden so angebahnt: Anlagenbetreiber laden kostenlos Gebote mit ihrem MWh-Fixpreis und der Laufzeit hoch, die auf der Website anonym sichtbar sind. Die meisten sind schon Direktvermarktungskunden von Flexpower. Das Neue: Allen Geboten wird eine Lastkurve zugewiesen, die der durchschnittlichen Day-Ahead-Prognose (Pay-as-forecast) deutscher Onshore-Windparks oder Solarparks entspricht, nicht, wie sonst üblich, der eines einzelnen Standorts. „Wir haben nur noch ein Profil“, fasst Joas zusammen. Damit wird ein standortabhängiger Auslastungsprozentsatz multipliziert, der sich einheitlich aus dem Energy Weather Index (Enwex) ableitet. 
 
„Das entscheidende Problem, das wir lösen mussten, war: Wie standardisieren wir PPA so, dass sie alle vergleichbar auf eine einzige Plattform passen?“, fragt Amani Joas vom Direktvermarkter Flexpower
Quelle: Flexpower

„Schneller als Pay-as-produced, komplexer als Base und Peak“

„Dann erlöst ein Deal zu 100 Euro/MWh faktisch irgendetwas zwischen 97 und 103 Euro, weil etwas mehr oder weniger erzeugt wird − diese nur noch minimale Abweichung aber ohne Kosten für Rechtsanwälte und Berater, die untersuchen, ob jemand gerade über den Tisch gezogen wird“, verdeutlicht der Flexpower-Mitgründer. „Unser Modell ist schneller und transparenter als Pay-as-produced, aber komplexer als Base und Peak im klassischen Stromhandel.“ 

Umgekehrt laden Gewerbebetriebe hoch, zu welchen MWh-Preisen sie wie viel Strom wie lange für ihre Lastkurve nachfragen. Flexpower bringt Gebote und Gesuche, die zueinander passen, in Handarbeit zueinander. Gewerbetreibende können sich über Power Match so oft mit Wind- und PV-PPA eindecken, bis ihre Lastkurve annähernd abgedeckt ist − und für den Restbedarf PPA für Batteriespeicher abschließen. Power Match sei ein „Lückenfüller für den Merchant-Verkauf von Batterien“, also für die ungeförderte Vermarktung der Flexibilitäten aus Batteriespeichern, ist Joas überzeugt. Damit interessierten sich Banken vermehrt für diesen Markt. Ein Pool aus tatsächlichen oder virtuellen Batteriebetreibern bietet einen Festpreis dafür, dass er zu den teuersten Stunden liefert und zu den günstigsten einspeichert, Mitte April waren das 125 Euro/MWh am Tag. „Der Festpreis richtet sich nach der Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Stundenpreis des Tages und spiegelt damit die Realität des Energiemarktes wider“, sagt Joas. Allerdings: Abschlüsse von Batterie-PPA gab es bisher noch nicht.

Wenige Stunden statt Monate

Das Vertragliche ist schlank gestaltet: Die Anlagenbetreiber haben ohnehin schon einen Direktvermarktungsvertrag mit Flexpower, die die energiewirtschaftliche Abwicklung im Hintergrund übernimmt, Anbieter und Nachfrager schließen noch einen Rahmenvertrag über Power Match ab und dann einigen sie sich mithilfe von Flexpower auf ein PPA. Auf einen standardisierten Vertrag. Die zeitraubende Vielfalt klassischer PPA fällt weg. „Wir reden hier von Execution Times von zwei bis drei Stunden“, äußert sich Joas stolz über die Umsetzungszeit. „In der PPA-Welt sind zwei, drei Monate über Anwälte und Berater üblich.“ 

30 PPA innerhalb von sieben Monaten − natürlich ist Power Match noch kein liquider Handelsmarkt, das räumt auch Joas freimütig ein: „Nur noch 3 bis 4 Euro/MWh zwischen Geboten und Gesuchen, das wäre liquide.“ In der E&M-Stichprobe Mitte April sind je 16 Angebote öffentlich sichtbar. Fürs dritte Quartal etwa wollen Anbieter, während es am Graustrommarkt 82 Euro/MWh kostet, 62 Euro bei PV und 67 Euro bei Wind. Verbraucher waren nur bereit, jeweils 16 Euro weniger zu bezahlen. Alles anonym natürlich. Flexpower fungiert als Marktmacher; es seien auch schon vier andere „Trading Desks“ mit Angeboten aktiv, erzählt Joas. Die Feuerprobe für Power Match ist im August. „Da gehen die großen Ausschreibungen los“, weiß er.
 
Anfangs seien in Europa nur die Branchen Tech, Zement und Chemie auf die Plattform von Level Ten Energy gekommen, sagt Andres Acosta, Senior Manager Developer Engagement. „Das hat sich verbreitert.“
Quelle: Level Ten

Für seinen FC St. Pauli könnte es sich schon am 19. Mai entscheiden, ob er in die erste Bundesliga aufsteigt. Unter den PPA-Plattformen jedenfalls ist jemand anders Weltmeisterschaftskandidat: Level Ten Energy. In den USA werden fast alle PPA über sie angebahnt, sagt Andres Acosta, Senior Manager Developer Engagement. Der Kolumbianer spricht exzellent Deutsch, hat auch hierzulande studiert.

2020 begann die Expansion von Level Ten nach Europa. Acosta gestaltet diese heute mit. Er nimmt für Level Ten in Anspruch, mittlerweile europaweit die meisten PPA-Ausschreibungen anzubahnen. „Anfangs kamen nur die Branchen Tech, Zement und Chemie, das hat sich verbreitert“, verrät Andres Acosta.

Ihm zufolge ist Deutschland ein besonderer PPA-Markt: „Er war bis vor Kurzem relativ klein, weil die Projektentwickler sich wegen der EEG-Förderung nicht mit PPA beschäftigen mussten. Größtenteils stimmt das noch für Wind-onshore-Projekte.“ Jetzt bräuchten nicht bezuschlagte große PV-­Projekte durch die überzeichneten ­Ausschreibungen plötzlich PPA zur Finanzierung. Außerdem sicherten sich Betreiber ausgeförderter Wind-on­shore- oder PV-Freiflächenanlagen mit PPA die Finanzierung eines Repowerings. „Deutschland wird der zweitgrößte PPA-Markt nach Spanien“, sagt nicht nur Acosta.

Aber: „Der deutsche Markt ist nur für den deutschen Markt da. Keiner außerhalb Deutschlands würde deutsche Herkunftsnachweise (HKN; d. Red.) kaufen. Sie sind zu teuer“, sagt er. Für EEG-geförderte Projekte darf es keine geben, nicht geförderte Projekte sind rar und damit auch deutsche HKN. Für die Industriebetriebe, die sich dekarbonisieren möchten, kommt es aber auf HKN an. Zudem brauche man für grenzüberschreitende und damit rein finanziell abgewickelte PPA eventuell eine Genehmigung der Bafin.

Obendrein gebe es in Deutschland „viele“ PPA-Berater im Vergleich zu anderen Ländern. Im Großen sind das eine Schneider Electric, eine Enervis oder eine Pexapark. Level Ten ist weder Berater noch auf seiner Plattform Gegenpartei. „Wir verstehen uns als Softwareunternehmen“, sagt Acosta.

Teilnahme an Ausschreibungen: Gratis für Anbieter

Die reine Teilnahme an Ausschreibungen auf Level Ten kostet noch nichts. Für PPA-Abschlüsse müssen Verkäufer ein vorher vereinbartes Erfolgshonorar entrichten. Als Stromverkäufer sind gut 100 Projektentwickler und Energieversorger allein in Deutschland vertreten, in ganz Europa sind es etwa 400. Sie laden anonymisiert zum Verkauf stehende Erneuerbaren-Projekte oder PPA-Gebote mit einem standardisierten Projektprofil, Festpreis und Bonitätsangaben hoch. „Am häufigsten sind die Lieferverpflichtung Pay-as-produced, das Lieferjahr 2025 und Laufzeiten von fünf, acht und zehn Jahren“, resümiert Acosta. In Spanien seien es in der Regel 50 MW, in Deutschland seien 2 bis 5 MW die kleinsten PPA. „Wir ziehen keine Untergrenzen, die Verbraucher ziehen sie“, erläutert der Level-Ten-Mann. Man sei aber in Verhandlungen zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen.
Level Ten präsentiert Käufern über die Plattform die verschiedenen passenden Gebote, berät aber nicht. Acosta: „Wir verdienen auch mit dem Verkauf von PPA-Marktdaten, die bei uns keine Sollpreise sind, sondern echte Gebotspreise auf unserer Plattform, entweder als Quartalsindex für die 25 Prozent höchsten Preise oder − die transparenteste Art − als gesamter Datenbankzugang mit der Gebotskurve. Anbieter bekommen so schnell ein Feedback, ob ihre Preise marktgerecht sind.“

Passt ein Gebot zu einem Gesuch, bringt Level Ten sie händisch zusammen. Den Mehrwert gegenüber bilateralen PPA-Verhandlungen sieht Andres Acosta darin, die Geschäftsprozesse für Marktteilnehmer − und auch für deren Berater − so zu vereinfachen, dass Projekte und PPA zehnmal schneller zustande kommen. Aus der Vertrags­gestaltung hält sich die Plattform heraus, arbeitet aber mit mehreren Kanzleien zusammen. Acosta: „Projektentwickler und Käufer haben genaue Vorstellungen, wie Verträge auszusehen haben.“ So wie St. Pauli klare Vorstellungen hat, in die erste Liga zurückzukehren.

Edit: Nach Redaktionsschluss der gedruckten Ausgabe, der dieser Beitrag entnommen ist, stieg St. Pauli tatsächlich in die erste Fußball-Bundesliga auf.

Freitag, 17.05.2024, 10:05 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - PPA: Mehr Plattform, weniger Berater
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
PPA: Mehr Plattform, weniger Berater
Deutscher Ökostrom lässt sich zwar in PPA langfristig verkaufen, aber noch nicht per Klick. Digitale Vorstufen davon bieten Plattformen von Flexpower und Level Ten.
Amani Joas trägt beim E&M-Gespräch einen Hoodie des FC St. Pauli, direkt gegenüber seinem Büro ist das Millerntor-Stadion. Auch in seinem Beruf nimmt es der 36-jährige Mitgründer und Geschäftsführer von Flexpower gewissermaßen mit dem Establishment auf: mit Energiekonzernen und etablierten Direktvermarktern, die sich bei Power Purchase Agreements, den anlagenbezogenen Ökostromlieferverträgen, zwischen die Anlagenbetreiber und die Kunden aus Industrie und Gewerbe schieben, als handelsaffine Abwickler, Lieferanten von Reststrom und Gegenpartei. Und mit manchem Berater nimmt es Joas auch gleich auf. 

„Wir kommen alle vom Trading, von Next Kraftwerke oder von Eon“, berichtet Joas über sein Team, das sein Handwerk bei dem Kölner Direktvermarkter und Virtuelles-Kraftwerk-Betreiber und bei dem Energiekonzern gelernt hat. „Uns hat dort gestört, dass die übliche Bewertung von Anlagen in Power Purchase Agreements (PPA) mit der Formel ‚Pay-as-produced‘ so kompliziert ist.“ Wie die Erzeugungskurve einer Wind- oder Solaranlage übers Jahr aussieht, ist nach dieser Formel je nach Typ, Standort und angewandtem Wettermodell anders − und das sät Unbehagen, wenn nicht Misstrauen. Die Vision Joas’ und seiner Mitgründer: Betreiber und Verbraucher zusammenzubringen über eine digitale Plattform. „Das entscheidende Problem, das wir lösen mussten, war: Wie standardisieren wir PPA so, dass sie alle vergleichbar auf eine einzige Plattform passen?“ Und: Wo soll der Reststrom herkommen, wenn auch er 100 Prozent erneuerbar sein muss?

Herausgekommen ist die Vermittlungsplattform „Power Match“. Über sie vermittelte Flexpower vom ersten PPA im August 2023 bis Ende Februar 2024 mehr als 30 PPA, berichtet Joas. Das ist nicht wenig, wenn die Analysten von Pexapark für 2023 europaweit von 272 PPA sprachen. Die Leistungen reichten Joas zufolge von 1 bis 30 MW. „Meistens laufen sie ein Jahr lang“, so Joas. Die wagniskapitalfinanzierte Flexpower ist in der Anfangsphase noch Gegenpartei, künftig aber sollen die Marktteilnehmer auch direkt miteinander abschließen können. 

Die PPA werden so angebahnt: Anlagenbetreiber laden kostenlos Gebote mit ihrem MWh-Fixpreis und der Laufzeit hoch, die auf der Website anonym sichtbar sind. Die meisten sind schon Direktvermarktungskunden von Flexpower. Das Neue: Allen Geboten wird eine Lastkurve zugewiesen, die der durchschnittlichen Day-Ahead-Prognose (Pay-as-forecast) deutscher Onshore-Windparks oder Solarparks entspricht, nicht, wie sonst üblich, der eines einzelnen Standorts. „Wir haben nur noch ein Profil“, fasst Joas zusammen. Damit wird ein standortabhängiger Auslastungsprozentsatz multipliziert, der sich einheitlich aus dem Energy Weather Index (Enwex) ableitet. 
 
„Das entscheidende Problem, das wir lösen mussten, war: Wie standardisieren wir PPA so, dass sie alle vergleichbar auf eine einzige Plattform passen?“, fragt Amani Joas vom Direktvermarkter Flexpower
Quelle: Flexpower

„Schneller als Pay-as-produced, komplexer als Base und Peak“

„Dann erlöst ein Deal zu 100 Euro/MWh faktisch irgendetwas zwischen 97 und 103 Euro, weil etwas mehr oder weniger erzeugt wird − diese nur noch minimale Abweichung aber ohne Kosten für Rechtsanwälte und Berater, die untersuchen, ob jemand gerade über den Tisch gezogen wird“, verdeutlicht der Flexpower-Mitgründer. „Unser Modell ist schneller und transparenter als Pay-as-produced, aber komplexer als Base und Peak im klassischen Stromhandel.“ 

Umgekehrt laden Gewerbebetriebe hoch, zu welchen MWh-Preisen sie wie viel Strom wie lange für ihre Lastkurve nachfragen. Flexpower bringt Gebote und Gesuche, die zueinander passen, in Handarbeit zueinander. Gewerbetreibende können sich über Power Match so oft mit Wind- und PV-PPA eindecken, bis ihre Lastkurve annähernd abgedeckt ist − und für den Restbedarf PPA für Batteriespeicher abschließen. Power Match sei ein „Lückenfüller für den Merchant-Verkauf von Batterien“, also für die ungeförderte Vermarktung der Flexibilitäten aus Batteriespeichern, ist Joas überzeugt. Damit interessierten sich Banken vermehrt für diesen Markt. Ein Pool aus tatsächlichen oder virtuellen Batteriebetreibern bietet einen Festpreis dafür, dass er zu den teuersten Stunden liefert und zu den günstigsten einspeichert, Mitte April waren das 125 Euro/MWh am Tag. „Der Festpreis richtet sich nach der Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Stundenpreis des Tages und spiegelt damit die Realität des Energiemarktes wider“, sagt Joas. Allerdings: Abschlüsse von Batterie-PPA gab es bisher noch nicht.

Wenige Stunden statt Monate

Das Vertragliche ist schlank gestaltet: Die Anlagenbetreiber haben ohnehin schon einen Direktvermarktungsvertrag mit Flexpower, die die energiewirtschaftliche Abwicklung im Hintergrund übernimmt, Anbieter und Nachfrager schließen noch einen Rahmenvertrag über Power Match ab und dann einigen sie sich mithilfe von Flexpower auf ein PPA. Auf einen standardisierten Vertrag. Die zeitraubende Vielfalt klassischer PPA fällt weg. „Wir reden hier von Execution Times von zwei bis drei Stunden“, äußert sich Joas stolz über die Umsetzungszeit. „In der PPA-Welt sind zwei, drei Monate über Anwälte und Berater üblich.“ 

30 PPA innerhalb von sieben Monaten − natürlich ist Power Match noch kein liquider Handelsmarkt, das räumt auch Joas freimütig ein: „Nur noch 3 bis 4 Euro/MWh zwischen Geboten und Gesuchen, das wäre liquide.“ In der E&M-Stichprobe Mitte April sind je 16 Angebote öffentlich sichtbar. Fürs dritte Quartal etwa wollen Anbieter, während es am Graustrommarkt 82 Euro/MWh kostet, 62 Euro bei PV und 67 Euro bei Wind. Verbraucher waren nur bereit, jeweils 16 Euro weniger zu bezahlen. Alles anonym natürlich. Flexpower fungiert als Marktmacher; es seien auch schon vier andere „Trading Desks“ mit Angeboten aktiv, erzählt Joas. Die Feuerprobe für Power Match ist im August. „Da gehen die großen Ausschreibungen los“, weiß er.
 
Anfangs seien in Europa nur die Branchen Tech, Zement und Chemie auf die Plattform von Level Ten Energy gekommen, sagt Andres Acosta, Senior Manager Developer Engagement. „Das hat sich verbreitert.“
Quelle: Level Ten

Für seinen FC St. Pauli könnte es sich schon am 19. Mai entscheiden, ob er in die erste Bundesliga aufsteigt. Unter den PPA-Plattformen jedenfalls ist jemand anders Weltmeisterschaftskandidat: Level Ten Energy. In den USA werden fast alle PPA über sie angebahnt, sagt Andres Acosta, Senior Manager Developer Engagement. Der Kolumbianer spricht exzellent Deutsch, hat auch hierzulande studiert.

2020 begann die Expansion von Level Ten nach Europa. Acosta gestaltet diese heute mit. Er nimmt für Level Ten in Anspruch, mittlerweile europaweit die meisten PPA-Ausschreibungen anzubahnen. „Anfangs kamen nur die Branchen Tech, Zement und Chemie, das hat sich verbreitert“, verrät Andres Acosta.

Ihm zufolge ist Deutschland ein besonderer PPA-Markt: „Er war bis vor Kurzem relativ klein, weil die Projektentwickler sich wegen der EEG-Förderung nicht mit PPA beschäftigen mussten. Größtenteils stimmt das noch für Wind-onshore-Projekte.“ Jetzt bräuchten nicht bezuschlagte große PV-­Projekte durch die überzeichneten ­Ausschreibungen plötzlich PPA zur Finanzierung. Außerdem sicherten sich Betreiber ausgeförderter Wind-on­shore- oder PV-Freiflächenanlagen mit PPA die Finanzierung eines Repowerings. „Deutschland wird der zweitgrößte PPA-Markt nach Spanien“, sagt nicht nur Acosta.

Aber: „Der deutsche Markt ist nur für den deutschen Markt da. Keiner außerhalb Deutschlands würde deutsche Herkunftsnachweise (HKN; d. Red.) kaufen. Sie sind zu teuer“, sagt er. Für EEG-geförderte Projekte darf es keine geben, nicht geförderte Projekte sind rar und damit auch deutsche HKN. Für die Industriebetriebe, die sich dekarbonisieren möchten, kommt es aber auf HKN an. Zudem brauche man für grenzüberschreitende und damit rein finanziell abgewickelte PPA eventuell eine Genehmigung der Bafin.

Obendrein gebe es in Deutschland „viele“ PPA-Berater im Vergleich zu anderen Ländern. Im Großen sind das eine Schneider Electric, eine Enervis oder eine Pexapark. Level Ten ist weder Berater noch auf seiner Plattform Gegenpartei. „Wir verstehen uns als Softwareunternehmen“, sagt Acosta.

Teilnahme an Ausschreibungen: Gratis für Anbieter

Die reine Teilnahme an Ausschreibungen auf Level Ten kostet noch nichts. Für PPA-Abschlüsse müssen Verkäufer ein vorher vereinbartes Erfolgshonorar entrichten. Als Stromverkäufer sind gut 100 Projektentwickler und Energieversorger allein in Deutschland vertreten, in ganz Europa sind es etwa 400. Sie laden anonymisiert zum Verkauf stehende Erneuerbaren-Projekte oder PPA-Gebote mit einem standardisierten Projektprofil, Festpreis und Bonitätsangaben hoch. „Am häufigsten sind die Lieferverpflichtung Pay-as-produced, das Lieferjahr 2025 und Laufzeiten von fünf, acht und zehn Jahren“, resümiert Acosta. In Spanien seien es in der Regel 50 MW, in Deutschland seien 2 bis 5 MW die kleinsten PPA. „Wir ziehen keine Untergrenzen, die Verbraucher ziehen sie“, erläutert der Level-Ten-Mann. Man sei aber in Verhandlungen zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen.
Level Ten präsentiert Käufern über die Plattform die verschiedenen passenden Gebote, berät aber nicht. Acosta: „Wir verdienen auch mit dem Verkauf von PPA-Marktdaten, die bei uns keine Sollpreise sind, sondern echte Gebotspreise auf unserer Plattform, entweder als Quartalsindex für die 25 Prozent höchsten Preise oder − die transparenteste Art − als gesamter Datenbankzugang mit der Gebotskurve. Anbieter bekommen so schnell ein Feedback, ob ihre Preise marktgerecht sind.“

Passt ein Gebot zu einem Gesuch, bringt Level Ten sie händisch zusammen. Den Mehrwert gegenüber bilateralen PPA-Verhandlungen sieht Andres Acosta darin, die Geschäftsprozesse für Marktteilnehmer − und auch für deren Berater − so zu vereinfachen, dass Projekte und PPA zehnmal schneller zustande kommen. Aus der Vertrags­gestaltung hält sich die Plattform heraus, arbeitet aber mit mehreren Kanzleien zusammen. Acosta: „Projektentwickler und Käufer haben genaue Vorstellungen, wie Verträge auszusehen haben.“ So wie St. Pauli klare Vorstellungen hat, in die erste Liga zurückzukehren.

Edit: Nach Redaktionsschluss der gedruckten Ausgabe, der dieser Beitrag entnommen ist, stieg St. Pauli tatsächlich in die erste Fußball-Bundesliga auf.

Freitag, 17.05.2024, 10:05 Uhr
Georg Eble

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