Welchen Nutzen kooperative Plattformen für Unternehmen in der Energiewirtschaft bringen können erläutert Marc Lamhofer* von der Unternehmensberatung „mm1“.
In der Energiewirtschaft nimmt die Relevanz von Plattformen zu. Zentrale und in der Regel Cloud-basierte Plattformen etablieren sich, da sie ökonomisch kostengünstiger erscheinen und mehr Kontrollierbarkeit für ihre Betreiber mit sich bringen. Somit folgen sie dem bekannten ‚Winner-takes-all‘ Mechanismus, bei welchem der Plattformbetreiber die Hoheit besitzt. Typischerweise entstehen dabei Abhängigkeiten des Kunden: erstens zum Provider bzw. seinem Ökosystem und zweitens zum technischen Betreiber der Lösung. Die daraus resultierenden fehlenden Einblicke in Sicherheit, Verfügbarkeit sowie Datenmodelle, -formate, und -austausche können die eigene Position für Digitalisierungsvorhaben aufgrund von Lock-in-Effekten verschlechtern bzw. eigene Services zeitweise aussetzen. Ein solch monopolistisches Plattformmodell sollte hinterfragt und kundenseitig geprüft werden.
Der Energiesektor bringt zudem spezifische Herausforderungen zu regulatorischen und technischen Aspekten mit sich, die zum Beispiel mit der kritischen Infrastruktur einhergehen. Auf zentralen Plattformen gibt es einen Single-Point-of-Failure für die Datenvalidität und den Datenaustausch im Ökosystem. Gezielte Cyberangriffe können so enorme Schäden verursachen (siehe Hackerangriff auf die Firma Kisters Ende 2021).
Dem klassischen Plattformmodell gegenüber steht der neutrale und kooperative, im Fachjargon auch als Dezentralität bekannte, Ansatz, der unter Verwendung der Blockchain-Technologie erfolgt. Im Zentrum dieses Konstrukts, so genannter ‚Distributed-Ledger-Technologie (DLT) Netzwerke‘, steht ein kooperativer Gedanke. Unter den Plattformnutzern herrscht eine Gleichberechtigung, von der jeder zu gleichem Maße profitiert. Die Kooperationsstrukturen sind darauf ausgelegt, dass jeder Teilnehmer nicht nur weiß, warum er mit anderen – gegebenfalls auch Wettbewerbern – kooperieren sollte (‚Why shall I join?‘), sondern auch einen Anreiz dafür hat. Kooperationen repräsentieren einen Gegenpol zum Nullsummenspiel und ermöglichen Win-Win-Situationen für Partner, sodass jeder individuelle Vorteile aus der Kooperation ziehen kann. Aus Netzwerkperspektive können die äußerst bedeutsame Datenhoheit gesichert und gleichzeitig Abhängigkeiten umgangen werden.
Eine hybride Plattformlösung im Energiesektor, mit Vorteilen aus der zentralen und dezentralen Welt, stellt „BANULA“ (Barrierefreie und nutzerfreundliche Lademöglichkeiten schaffen), als Konsortium aus Netz, Energieversorgung, IT, und Wissenschaft dar. Die Vision von Steigerung der Bilanzkreistreue bei gleichzeitig kundenorientiertem deutschlandweiten Laden, soll durch die Blockchain-Technologie ermöglicht werden. Unter vielen Vorteilen können folgende Aspekte besonders herausgestellt werden:
- Transaktionen (spezifisch Datenbankzugriffe und Austausch der Charge Detail Records) sind für Partner nachvollziehbar, sodass Daten im Lade- und Energiebilanzierungskosmos eine Glaubwürdigkeit und Integrität erhalten
- Manipulationssicherheit durch Verteilung der Daten Gleichberechtigung aller Partner, unabhängig von Branchengröße, organisationalen Strukturen, etc.
- Keine IT-Medienbrüche: alle Teilnehmer kennen die vereinbarten Governance-Regeln und -Rollen
- Kurze und schnelle Transaktionszyklen ermöglichen die Zuordnung von Ladeereignissen in Quasi-Echtzeit und bieten neue Geschäftsmodellpotenziale.
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BANULA, Funktionsweise und Vorteile DLT, 2023 − zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken − Quelle: mm1 |
Eine umfangreiche
Studie zu BANULA sowie
weitere Informationen zum Konsortium stehen im Internet bereit. Die Studie wurde im Auftrag der TransnetBW als einer der Vollpartner in BANULA erstellt.
*Marc Lamhofer ist Manager bei mm1. Er ist Experte für den Aufbau und die Ausgestaltung von Unternehmenskooperationen und dazugehörigen Governance-Mechanismen und hat den Text gemeinsam mit Julian Ventouris, Senior Consultant bei mm1 und Dr. Rainer Enzenhöfer, Manager Disruptive Entwicklungen Netzwirtschaft bei Transnet BW verfasst. |
Marc Lamhofer Quelle: mm1 |
Montag, 4.03.2024, 16:11 Uhr
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