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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

"Nichts, was ich verbockt hätte" 

Michael Riechel war acht Jahre lang Chef der Thüga AG. Was war, was sein sollte − und was noch kommt. 
E&M: Herr Riechel, sechs Wochen noch (das Gespräch fand am 19. Juni 2023 statt; die Red.), dann ist Ihre Thüga-Zeit vorbei. Sind Sie im Abschiedsstress: Das muss ich noch mit dem oder der besprechen, Strategiepapiere versenden, geheime Dokumente mit nach Hause nehmen und in der Toilette verstecken, wie es Donald Trump gemacht hat?

Riechel: (lacht) Im Sinne des Übergangs habe ich gar keinen Stress. Alles wird gut geregelt ablaufen.
 
E&M: Es wird auch keine Abschiedsparty geben? 

Riechel: Wir veranstalten bei der Thüga ein Sommerfest, da haben wir Gelegenheit, uns zu verabschieden. Wer mir ganz persönlich ‚Auf Wiedersehen‘ sagen will, der kann mich gerne in München besuchen. 

E&M: Deshalb bin ich ja heute da. Sie haben der Thüga mit dem Jahresabschluss ein sehr gutes Abschiedsgeschenk gemacht … 

Riechel: Wir sind zufrieden. Vor allem vor dem Hintergrund der turbulenten letzten Jahre und aktuell des Krieges in der Ukraine. Wichtig ist dabei: Auch das kommende Geschäftsjahr wird uns keinen Kummer bereiten. 

E&M: Sie sind seit acht Jahren Vorstandsvorsitzender, was hätten Sie noch besser machen können, beziehungsweise was hat Sie daran gehindert, Dinge noch besser zu machen? 

Riechel: Wir haben in den vergangenen Jahren unser Beteiligungsportfolio Stück für Stück ausgebaut − beispielsweise Braunschweig und Rostock − und sind jüngst gemeinsam mit N-ergie eine Partnerschaft mit den Stadtwerken Ingolstadt eingegangen. Mit unseren Beratungs- und Dienstleistungen unterstützen wir unsere Partnerunternehmen wirkungsvoll, das spiegelt sich auch im Jahresabschluss wider. Klar ist, dass man es bei der Gesellschafterstruktur der Thüga nicht immer allen recht machen und einfach durchsegeln kann. Ich sehe jedenfalls nichts, was ich verbockt hätte.

E&M: Auch politisch nicht? 

Riechel: Wir sind politisch sehr gut aufgestellt und durch unseren kommunalen Hintergrund in der Politik auch gern gesehen. Bei der aktuellen Regierung gilt das mit Einschränkungen. Das liegt aber nicht an uns und hat nichts damit zu tun, dass wir etwas besser hätten machen können. Es ist sehr schade, dass die Akzeptanz der Energiewirtschaft bei der Bundesregierung in den letzten eineinhalb Jahren gelitten hat.
Wichtig ist, dass wir als Unternehmen und Verbände wieder mehr Flagge zeigen. Ich war fünf Jahre Präsident des DVGW, das war erfrischend, weil wir viele neue Dinge, vor allem beim Wasserstoff, vorangebracht haben. Auch da fällt mir nichts ein, wo ich ein Eigentor geschossen hätte. 

E&M: Drehen wir es um: Was gibt es, worauf Sie besonders stolz sind? 

Riechel: Stolz ist nicht so mein Ding. Meine DNA ist der Ingenieur und da müssen Dinge einfach funktionieren, sie müssen oder sollen verbessert werden. Das treibt mich an, und nicht die Bronzestatue.

„Keiner übernimmt die Gesamtverantwortung“ 

E&M: Der DVGW hat unter Ihrer Ägide beim Wasserstoff tatsächlich Zeichen gesetzt. Aber was hilft es, wenn wir nur noch über Wasserstoff und Wärmepumpen, neuerdings auch ein wenig über Nah- und Fernwärme reden? Da entsteht eine Euphorie, die vielleicht falsche Hoffnungen weckt. 

Riechel: Das stimmt: Alle sind euphorisiert, alle glauben, dass sie mit Wasserstoff und Wärmepumpen den großen Wurf landen. Dabei fehlt es aber an einem klaren Konzept, es fehlt eine Roadmap, die gemeinsam mit Wirtschaft und Politik aufzeigt, was machen wir bis wann. Das ist nicht klug und hat nichts mit Technologieoffenheit zu tun. Es entsteht Verunsicherung bei den Kunden, den Bürgern und der Industrie. 
Jeder versucht vor sich hin zu arbeiten und keiner übernimmt die Gesamtverantwortung. Das Hauptthema wird sein, dass wir in der Branche vor extremen Investitionen stehen. Nehmen Sie die Stichworte kommunale Wärmewende, Nahwärme, Fernwärme, Wasserstoff, Netzausbau et cetera.

„Es kommt keiner mit Geld um die Ecke“

E&M: Da soll es immerhin mehr Klarheit geben durch die jetzt entstehenden kommunalen Wärmekonzepte, auf die Wirtschaftsminister Robert Habeck warten will, ehe er weitere Maßnahmen verordnet. 

Riechel: Warten wir es ab, ob dann tatsächlich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg gedacht wird und wer schließlich die Rechnung bezahlen muss. Es kann nicht alles subventioniert werden. Und die Mittel der Kommunen und der Stadtwerke sind begrenzt. Wir benötigen verlässliche und langfristige Konzepte für potenzielle Investoren. Was gerade politisch passiert, da kommt keiner mit Geld um die Ecke. 

E&M: Wie heizen Sie privat? 

Riechel: Wir haben in unserem Haus eine zehn Jahre alte Gasheizung und somit noch Zeit bis zu einem Heizungstausch. In dem Haus meiner Mutter ist die Gasheizung 27 Jahre alt und der Schornsteinfeger ermahnt mich, dass es Zeit für eine Erneuerung ist. Eine Wärmepumpe kommt hier nicht in Frage, sie wäre viel zu teuer. 

E&M: Sie wollen Ihre Kritik an der Regierung nicht parteipolitisch festmachen, was fehlt Ihnen insgesamt an der rot-grün-gelben Koalition in Berlin? 

Riechel: Es fehlt der offene Dialog. Ich habe viele Gespräche geführt mit Politikern aller Parteien außer mit der AfD und war positiv überrascht, dass wir in allen wesentlichen Punkten keinen Dissens hatten, es wurde immer pragmatisch gedacht. Dabei ist es natürlich ein Unterschied, ob man zu zweit an einem Tisch sitzt oder auf einem öffentlichen Podium. 
Das war sehr positiv. Aber auf der anderen Seite muss ich leider feststellen, dass in Berlin im Wirtschaftsministerium nur eine Meinung akzeptiert wurde. Das ist ja zwischenzeitlich etwas korrigiert worden. Ich habe ein Problem mit ideologisch dogmatischen Einstellungen und damit, ausschließlich auf Verbote und Vorschriften zu setzen. Das ist für mich teilweise sehr befremdlich. Es ist nicht gut, wenn Bürger oder Fachleute bevormundet oder entmündigt werden, das passt mir nicht. In meinen früheren Berufsjahren habe ich das auch nie so erlebt wie jetzt. Man kann unterschiedliche Meinungen haben, muss streitfähig sein und dann durchaus mit Kompromissen eine gemeinsame Lösung finden. 
 
Michael Riechel: „Dann werde ich etwas Sinnstiftendes machen“ 
Quelle: Thüga

E&M: Wo sehen Sie die Thüga in den nächsten fünf Jahren, wo sind die größten Chancen für Wachstum im Wettbewerb? 

Riechel: Die jüngste Beteiligung an Ingolstadt habe ich genannt. Wachstum ist möglich. Durch die Energie- und Wärmewende und den damit verbundenen Investitionsbedarf erhalten wir mehr Anfragen als früher, ob man bei der Thüga nicht mitmachen könne. Für uns stellt sich dabei natürlich auch die Frage, ob wir alle Investitionsvorhaben bei unseren Partnerunternehmen mitfinanzieren können. Das sind große Herausforderungen, die Konzepte müssen immer schlüssig sein. Unser Vorteil ist in jedem Fall, dass wir das Rad nicht immer aufs Neue erfinden müssen, sondern voneinander lernen können, dadurch hat die Thüga-Gruppe Wettbewerbsvorteile. 

E&M: Die ganz großen Player wie Eon und RWE waren für die eher dezentralen Energieversorger mal der Feind schlechthin. Sie wurden politisch gestutzt und sind nun nicht mehr die Angstgegner? 

Riechel: Sie spielen nicht mehr die Rolle wie vor zehn oder fünfzehn Jahren, aber sie entwickeln sich wieder. Ich glaube auch, dass es Deutschland guttut, hier und da einen großen Player zu haben. Wettbewerb haben wir vor allem im Vertrieb, das ist gut so. Wir haben aber auch Dinge, die wir gemeinsam machen und gegenüber der Politik vertreten. Dass wir uns um Konzessionen bewerben, das ist auch typisch und wir in der Thüga-Gruppe haben den Großen auch ein paar weggenommen. Wir sehen uns nicht geschwächt, die werden ihre Rolle weiterfahren, aber auch sie verfügen nicht über unbegrenzte finanzielle Mittel. 

E&M: Die Thüga war in der Vergangenheit ein nicht immer einfach zu handhabendes Gebilde. Haben Sie mal überlegt hinzuwerfen? 

Riechel: Es gab in sehr turbulenten Zeiten schon mal eine Phase, wo ich dachte, jetzt reicht es … 

E&M: … das tue ich mir nicht mehr an … 

Riechel: Ich habe es nicht gemacht, weil ich glaubte, dass man die Thüga weiterentwickeln kann, und das ist uns ja auch gelungen. Ich war nie so frustriert, dass ich keine Lust mehr hatte, und man lernt auch daraus. Das war sehr schmerzlich, aber doch zu durchleiden. 
E&M: Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit außer guten Wünschen? 
Riechel: Ich muss ihm gar nicht viel mitgeben, denn er kennt die Thüga schon lange von der anderen Seite des Gremientisches aus und er bringt einen großen Erfahrungsschatz aus seiner Tätigkeit in Frankfurt mit. Ich übergebe ihm ein hoffentlich gut bestelltes Unternehmen. Er kann sich sehr gut konzentrieren auf politische Themen, die mit unserem Geschäft zusammenhängen. Er ist der richtige Mann zur richtigen Zeit! 

E&M: Und was passiert mit Ihnen, wenn die Thüga Vergangenheit ist? Irgendwelche Aufsichtsratsposten übernehmen, was Ex-Vorstände gerne machen, damit ihnen nicht langweilig ist und weil sie weiterhin wichtig sein wollen? 

Riechel: Das mit der Langeweile wird sicher nicht der Fall sein. Ich werde ganz bewusst nichts im Thüga-Umfeld machen und dass ich etwas in der deutschen Energiewirtschaft mache, halte ich auch für unwahrscheinlich. Im zweiten Halbjahr werde ich erst mal gar nichts tun und sehen, wie sich das anfühlt. Dann werde ich etwas Sinnstiftendes machen, im Job habe ich soziales Engagement vernachlässigt und dazu habe ich einige Ideen. Es werden Dinge sein, die einen geistig fit halten und bei denen man etwas voranbringen kann. 

E&M: Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

Zur Person

Michael Riechel (Jahrgang 1961) ist diplomierter Ingenieurwissenschaftler. Er war seit 2006 Mitglied des Vorstands der Thüga AG, seit 2015 deren Vorstandsvorsitzender. Sein Nachfolger in dieser Position wird Dr. Constantin H. Alsheimer, bisher Chef der Mainova AG. 
 

 

Donnerstag, 3.08.2023, 09:15 Uhr
Helmut Sendner
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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
"Nichts, was ich verbockt hätte" 
Michael Riechel war acht Jahre lang Chef der Thüga AG. Was war, was sein sollte − und was noch kommt. 
E&M: Herr Riechel, sechs Wochen noch (das Gespräch fand am 19. Juni 2023 statt; die Red.), dann ist Ihre Thüga-Zeit vorbei. Sind Sie im Abschiedsstress: Das muss ich noch mit dem oder der besprechen, Strategiepapiere versenden, geheime Dokumente mit nach Hause nehmen und in der Toilette verstecken, wie es Donald Trump gemacht hat?

Riechel: (lacht) Im Sinne des Übergangs habe ich gar keinen Stress. Alles wird gut geregelt ablaufen.
 
E&M: Es wird auch keine Abschiedsparty geben? 

Riechel: Wir veranstalten bei der Thüga ein Sommerfest, da haben wir Gelegenheit, uns zu verabschieden. Wer mir ganz persönlich ‚Auf Wiedersehen‘ sagen will, der kann mich gerne in München besuchen. 

E&M: Deshalb bin ich ja heute da. Sie haben der Thüga mit dem Jahresabschluss ein sehr gutes Abschiedsgeschenk gemacht … 

Riechel: Wir sind zufrieden. Vor allem vor dem Hintergrund der turbulenten letzten Jahre und aktuell des Krieges in der Ukraine. Wichtig ist dabei: Auch das kommende Geschäftsjahr wird uns keinen Kummer bereiten. 

E&M: Sie sind seit acht Jahren Vorstandsvorsitzender, was hätten Sie noch besser machen können, beziehungsweise was hat Sie daran gehindert, Dinge noch besser zu machen? 

Riechel: Wir haben in den vergangenen Jahren unser Beteiligungsportfolio Stück für Stück ausgebaut − beispielsweise Braunschweig und Rostock − und sind jüngst gemeinsam mit N-ergie eine Partnerschaft mit den Stadtwerken Ingolstadt eingegangen. Mit unseren Beratungs- und Dienstleistungen unterstützen wir unsere Partnerunternehmen wirkungsvoll, das spiegelt sich auch im Jahresabschluss wider. Klar ist, dass man es bei der Gesellschafterstruktur der Thüga nicht immer allen recht machen und einfach durchsegeln kann. Ich sehe jedenfalls nichts, was ich verbockt hätte.

E&M: Auch politisch nicht? 

Riechel: Wir sind politisch sehr gut aufgestellt und durch unseren kommunalen Hintergrund in der Politik auch gern gesehen. Bei der aktuellen Regierung gilt das mit Einschränkungen. Das liegt aber nicht an uns und hat nichts damit zu tun, dass wir etwas besser hätten machen können. Es ist sehr schade, dass die Akzeptanz der Energiewirtschaft bei der Bundesregierung in den letzten eineinhalb Jahren gelitten hat.
Wichtig ist, dass wir als Unternehmen und Verbände wieder mehr Flagge zeigen. Ich war fünf Jahre Präsident des DVGW, das war erfrischend, weil wir viele neue Dinge, vor allem beim Wasserstoff, vorangebracht haben. Auch da fällt mir nichts ein, wo ich ein Eigentor geschossen hätte. 

E&M: Drehen wir es um: Was gibt es, worauf Sie besonders stolz sind? 

Riechel: Stolz ist nicht so mein Ding. Meine DNA ist der Ingenieur und da müssen Dinge einfach funktionieren, sie müssen oder sollen verbessert werden. Das treibt mich an, und nicht die Bronzestatue.

„Keiner übernimmt die Gesamtverantwortung“ 

E&M: Der DVGW hat unter Ihrer Ägide beim Wasserstoff tatsächlich Zeichen gesetzt. Aber was hilft es, wenn wir nur noch über Wasserstoff und Wärmepumpen, neuerdings auch ein wenig über Nah- und Fernwärme reden? Da entsteht eine Euphorie, die vielleicht falsche Hoffnungen weckt. 

Riechel: Das stimmt: Alle sind euphorisiert, alle glauben, dass sie mit Wasserstoff und Wärmepumpen den großen Wurf landen. Dabei fehlt es aber an einem klaren Konzept, es fehlt eine Roadmap, die gemeinsam mit Wirtschaft und Politik aufzeigt, was machen wir bis wann. Das ist nicht klug und hat nichts mit Technologieoffenheit zu tun. Es entsteht Verunsicherung bei den Kunden, den Bürgern und der Industrie. 
Jeder versucht vor sich hin zu arbeiten und keiner übernimmt die Gesamtverantwortung. Das Hauptthema wird sein, dass wir in der Branche vor extremen Investitionen stehen. Nehmen Sie die Stichworte kommunale Wärmewende, Nahwärme, Fernwärme, Wasserstoff, Netzausbau et cetera.

„Es kommt keiner mit Geld um die Ecke“

E&M: Da soll es immerhin mehr Klarheit geben durch die jetzt entstehenden kommunalen Wärmekonzepte, auf die Wirtschaftsminister Robert Habeck warten will, ehe er weitere Maßnahmen verordnet. 

Riechel: Warten wir es ab, ob dann tatsächlich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg gedacht wird und wer schließlich die Rechnung bezahlen muss. Es kann nicht alles subventioniert werden. Und die Mittel der Kommunen und der Stadtwerke sind begrenzt. Wir benötigen verlässliche und langfristige Konzepte für potenzielle Investoren. Was gerade politisch passiert, da kommt keiner mit Geld um die Ecke. 

E&M: Wie heizen Sie privat? 

Riechel: Wir haben in unserem Haus eine zehn Jahre alte Gasheizung und somit noch Zeit bis zu einem Heizungstausch. In dem Haus meiner Mutter ist die Gasheizung 27 Jahre alt und der Schornsteinfeger ermahnt mich, dass es Zeit für eine Erneuerung ist. Eine Wärmepumpe kommt hier nicht in Frage, sie wäre viel zu teuer. 

E&M: Sie wollen Ihre Kritik an der Regierung nicht parteipolitisch festmachen, was fehlt Ihnen insgesamt an der rot-grün-gelben Koalition in Berlin? 

Riechel: Es fehlt der offene Dialog. Ich habe viele Gespräche geführt mit Politikern aller Parteien außer mit der AfD und war positiv überrascht, dass wir in allen wesentlichen Punkten keinen Dissens hatten, es wurde immer pragmatisch gedacht. Dabei ist es natürlich ein Unterschied, ob man zu zweit an einem Tisch sitzt oder auf einem öffentlichen Podium. 
Das war sehr positiv. Aber auf der anderen Seite muss ich leider feststellen, dass in Berlin im Wirtschaftsministerium nur eine Meinung akzeptiert wurde. Das ist ja zwischenzeitlich etwas korrigiert worden. Ich habe ein Problem mit ideologisch dogmatischen Einstellungen und damit, ausschließlich auf Verbote und Vorschriften zu setzen. Das ist für mich teilweise sehr befremdlich. Es ist nicht gut, wenn Bürger oder Fachleute bevormundet oder entmündigt werden, das passt mir nicht. In meinen früheren Berufsjahren habe ich das auch nie so erlebt wie jetzt. Man kann unterschiedliche Meinungen haben, muss streitfähig sein und dann durchaus mit Kompromissen eine gemeinsame Lösung finden. 
 
Michael Riechel: „Dann werde ich etwas Sinnstiftendes machen“ 
Quelle: Thüga

E&M: Wo sehen Sie die Thüga in den nächsten fünf Jahren, wo sind die größten Chancen für Wachstum im Wettbewerb? 

Riechel: Die jüngste Beteiligung an Ingolstadt habe ich genannt. Wachstum ist möglich. Durch die Energie- und Wärmewende und den damit verbundenen Investitionsbedarf erhalten wir mehr Anfragen als früher, ob man bei der Thüga nicht mitmachen könne. Für uns stellt sich dabei natürlich auch die Frage, ob wir alle Investitionsvorhaben bei unseren Partnerunternehmen mitfinanzieren können. Das sind große Herausforderungen, die Konzepte müssen immer schlüssig sein. Unser Vorteil ist in jedem Fall, dass wir das Rad nicht immer aufs Neue erfinden müssen, sondern voneinander lernen können, dadurch hat die Thüga-Gruppe Wettbewerbsvorteile. 

E&M: Die ganz großen Player wie Eon und RWE waren für die eher dezentralen Energieversorger mal der Feind schlechthin. Sie wurden politisch gestutzt und sind nun nicht mehr die Angstgegner? 

Riechel: Sie spielen nicht mehr die Rolle wie vor zehn oder fünfzehn Jahren, aber sie entwickeln sich wieder. Ich glaube auch, dass es Deutschland guttut, hier und da einen großen Player zu haben. Wettbewerb haben wir vor allem im Vertrieb, das ist gut so. Wir haben aber auch Dinge, die wir gemeinsam machen und gegenüber der Politik vertreten. Dass wir uns um Konzessionen bewerben, das ist auch typisch und wir in der Thüga-Gruppe haben den Großen auch ein paar weggenommen. Wir sehen uns nicht geschwächt, die werden ihre Rolle weiterfahren, aber auch sie verfügen nicht über unbegrenzte finanzielle Mittel. 

E&M: Die Thüga war in der Vergangenheit ein nicht immer einfach zu handhabendes Gebilde. Haben Sie mal überlegt hinzuwerfen? 

Riechel: Es gab in sehr turbulenten Zeiten schon mal eine Phase, wo ich dachte, jetzt reicht es … 

E&M: … das tue ich mir nicht mehr an … 

Riechel: Ich habe es nicht gemacht, weil ich glaubte, dass man die Thüga weiterentwickeln kann, und das ist uns ja auch gelungen. Ich war nie so frustriert, dass ich keine Lust mehr hatte, und man lernt auch daraus. Das war sehr schmerzlich, aber doch zu durchleiden. 
E&M: Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit außer guten Wünschen? 
Riechel: Ich muss ihm gar nicht viel mitgeben, denn er kennt die Thüga schon lange von der anderen Seite des Gremientisches aus und er bringt einen großen Erfahrungsschatz aus seiner Tätigkeit in Frankfurt mit. Ich übergebe ihm ein hoffentlich gut bestelltes Unternehmen. Er kann sich sehr gut konzentrieren auf politische Themen, die mit unserem Geschäft zusammenhängen. Er ist der richtige Mann zur richtigen Zeit! 

E&M: Und was passiert mit Ihnen, wenn die Thüga Vergangenheit ist? Irgendwelche Aufsichtsratsposten übernehmen, was Ex-Vorstände gerne machen, damit ihnen nicht langweilig ist und weil sie weiterhin wichtig sein wollen? 

Riechel: Das mit der Langeweile wird sicher nicht der Fall sein. Ich werde ganz bewusst nichts im Thüga-Umfeld machen und dass ich etwas in der deutschen Energiewirtschaft mache, halte ich auch für unwahrscheinlich. Im zweiten Halbjahr werde ich erst mal gar nichts tun und sehen, wie sich das anfühlt. Dann werde ich etwas Sinnstiftendes machen, im Job habe ich soziales Engagement vernachlässigt und dazu habe ich einige Ideen. Es werden Dinge sein, die einen geistig fit halten und bei denen man etwas voranbringen kann. 

E&M: Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

Zur Person

Michael Riechel (Jahrgang 1961) ist diplomierter Ingenieurwissenschaftler. Er war seit 2006 Mitglied des Vorstands der Thüga AG, seit 2015 deren Vorstandsvorsitzender. Sein Nachfolger in dieser Position wird Dr. Constantin H. Alsheimer, bisher Chef der Mainova AG. 
 

 

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