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Ingo Schönberg erläutert, was der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts bedeutet und warnt davor, nun Kompromisse bei der im Messwesen verwendeten Technologie zu machen.
E&M: Herr Schönberg, was bedeutet die Aussetzung der Einbauverpflichtung durch den Beschluss des OVG in Münster für PPC?
Schönberg: Die einstweilige Verfügung sorgt vor allem für Unruhe im Markt. Aber der Beschluss entfaltet erst einmal nur für den Kläger eine Wirkung, das heißt, der Rest der Branche ist bis zum Hauptsacheverfahren nicht tangiert. Der Kläger darf seine Metering-Systeme weiter verbauen.
E&M: Aber die Geräte von PPC und den anderen zertifizierten Herstellern dürfen auch weiter in den Markt gebracht werden.
Schönberg: Selbstverständlich, und der aktuelle Rollout geht weiter. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass das BSI und BMWi im Hauptsacheverfahren beim Verwaltungsgericht Köln die Vorhaltungen ausräumen werden.
Das OVG hat zwei Dinge angesprochen: zum einen wird ein formaler Fehler beim Zustandekommen der sogenannten Technischen Richtlinie VII unterstellt. Da geht es um die Interoperabilität der Gateways, die unter anderem auch durch Baumusterprüfbescheinigungen nachgewiesen wird. Bezugnehmend auf Anlage VII zur Technischen Richtlinie erklären die Hersteller ja ihre Konformität hierzu. Diese Anlage VII hätte laut OVG Einschätzung durch den sogenannten Standardisierungsausschuss – ein Gremium, das das Bundeswirtschaftsministerium eingesetzt hat – beschlossen werden müssen. Als das Dokument veröffentlicht wurde, gab es den Ausschuss allerdings noch gar nicht. Deshalb sieht das OVG hier einen Formfehler.
E&M: Und wie sieht es mit der Interoperabilität aus technischer Sicht aus?
Schönberg: Natürlich sind die PPC-Gateways interoperabel. Das haben wir auch nachgewiesen. Unsere Geräte können zum Beispiel mit neun verschiedenen Gateway-Administrationssystemen kommunizieren und Daten von 60 bis 70 Zählertypen empfangen und weitergeben. Über die Baumusterprüfbescheinigung mussten übrigens alle bisher zertifizierten Smart Meter Gateways, also auch die der anderen drei Hersteller, gegenüber der Physikalisch Technischen Bundesanstalt Interoperabilität mit GWA-Systemen nachweisen.
E&M: Wo liegt also das Problem?
Schönberg: Zum einen im gesetzeskonformen Zustandekommen der Anlage VII, zum anderen im Verständnis über die schrittweise Erweiterung des Funktionsumfangs. Hier nimmt das Gericht Bezug auf den Paragrafen 21 im Messstellenbetriebsgesetz. Dieser definiert den funktionalen Mindestumfang und nennt beispielsweise auch die Erfassung von Ist-Einspeisedaten von EEG-Anlagen oder die Ermittlung von Netzzustandsdaten. Es ist schon lange Grundkonsens zwischen Gesetzgeber, BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik; d. Red.) und den Marktteilnehmern, dass diese Anforderungen in mehrere Stufen unterteilt werden und dass man schrittweise die Zertifizierung der Gateways auf die verschiedenen Funktionen erweitert. So ist es ja auch in der sogenannten Roadmap des Bundeswirtschaftsministeriums und des BSI festgelegt. Mit unserer Rezertifizierung gehen wir davon aus, den Mindestumfang analog TR Anlage VII vollständig zu erfüllen.
E&M: Wie kann das Problem behoben werden?
Schönberg: Das stufenweise Vorgehen ist absolut notwendig. Niemand kann erwarten, dass aus dem Nichts heraus eine eierlegende Wollmilchsau auftaucht, die alle entlang der Energiewende sukzessive benötigten Features sofort vollumfänglich abdeckt und – und das hat das Gericht auch noch moniert – auch Fälle erfasst, die ausdrücklich bislang ausgenommen wurden, wie das Auslesen von RLM-Zählern. Dabei können die Gateways technisch vieles bereits. Aber das Ökosystem um das Gateway, also die Prozesse und IT-Systeme, sind keineswegs für alle Anwendungen vollumfänglich etabliert. Deshalb brauchen wir den Stufenprozess.
E&M: Könnte diese Zeit nicht mit alternativen Technologien überbrückt werden – jenseits des Smart Meter Gateways?
Schönberg: Mich ärgert, dass jetzt nach dem OVG-Beschluss wieder Akteure sich zu Wort melden, die die Nutzung proprietärer Systeme für eine kritische Infrastruktur fordern. Das schürt nur noch mehr Verunsicherung. Stellen Sie sich vor, man würde im Straßenverkehr auf das Kfz-Zulassungsverfahren und den TÜV verzichten und gleichzeitig auch noch die Abschaffung von Gurten und Knautschzonen fordern. Wir brauchen die Sicherheit der Smart Meter Gateways für die Energie- und Verkehrswende – schließlich haben wir es mit kritischen Infrastrukturen und der Jahrhundertaufgabe Klimaschutz zu tun. Es wäre fahrlässig, hier Kompromisse bei der Standardisierung und der Sicherheit zu machen.
E&M: Was wäre dann der nächste Schritt?
Schönberg: Wir haben die Re-Zertifizierung für die Erweiterung der Gateway-Funktionen schon abgeschlossen. Die anderen Hersteller sind auf dem Weg dorthin. Wenn die ersten drei so weit sind, wird das BSI wieder eine Allgemeinverfügung erlassen. Wahrscheinlich wäre damit schon die formale Situation bereinigt, weil dann ja beispielsweise die Erfassung von Ist-Einspeisedaten und von Netzzustandsdaten vollständig abgedeckt ist. Dann müssen alle Akteure gemeinsam prüfen, wie etwaige zukünftige Bedenken und formale Fehler besser vermieden werden können.
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Ingo Schönberg, Vorstandsvorsitzender der PPC AG Bild: PPC |
Ingo Schönberg ist Vorstandsvorsitzender der Power Plus Communications AG (PPC). Das Unternehmen hat Ende 2018 als erster Anbieter von Smart Meter Gateways das Zertifizierungsverfahren beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik durchlaufen und 2020 ebenfalls als erster Hersteller auch das Re-Zertifizierungsverfahren absolviert.
Dienstag, 9.03.2021, 17:01 Uhr
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