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Energie & Management > Regulierung - Nach dem Klimapakt kommt der Pakt mit der Industrie
Quelle: Fotolia / Bertold Werkmann
Regulierung

Nach dem Klimapakt kommt der Pakt mit der Industrie

In der europäischen Industrie macht man sich schon lange Sorgen, dass die von Brüssel forcierte Dekarbonisierung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beschädigt.
Vor den Wahlen zum Europaparlament drängen die besonders betroffenen Branchen auf eine Kurskorrektur. Mit einer gemeinsamen Erklärung haben die Chefs von rund 70 Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften ihre Wunschliste an die nächste EU-Kommission vorgelegt. Man unterstütze den Klimapakt (Green Deal), mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will, aber dieser müsse um einen Pakt mit der Industrie (European Industrial Deal) ergänzt werden.

Zu den Unterzeichnern gehören die Chefs von Chemiekonzernen wie Bayer oder BASF, von Energiemultis wie Total Energie und Evonik, der Spitzenverbände der Stahl-, Zement- und Glasindustrie sowie der Vorsitzende der europäischen Dachgewerkschaft „IndustriALL Trade Union“.

Der Industriepakt müsse in den nächsten fünf Jahren ganz oben auf der politischen Tagesordnung Europas stehen, heißt es in der zehn Punkte umfassenden Erklärung: „Wir brauchen einen schlüssigen Plan, der die Wettbewerbsfähigkeit zu einer strategischen Priorität macht und die Voraussetzungen für ein europäisches Geschäftsmodell schafft.“ Politische Ziele und Vorschriften müssten besser aufeinander abgestimmt, Berichtspflichten beseitigt und die Gesetzgebung vereinfacht werden.

Energieintensive Branchen sollten mehr unterstützt werden. Subventionen will die Industrie nicht nur für Investitionen, sondern auch für ihr laufendes Geschäft, insbesondere um die hohen Energiekosten zu kompensieren. Dafür sollen die Regeln für die nationalen Beihilfen vereinfacht und ein neues, europäisches Förderprogramm für saubere Technologien (Clean Tech Deployment Fund) aufgelegt werden.

Forderung nach emissionsarmer und günstiger Energie

Die hohen Energiekosten in der EU würden nicht nur vom Weltmarkt bestimmt, sondern auch von den regulatorischen Auflagen. Die nächste Kommission müsse dafür sorgen, dass emissionsarme Energie, einschließlich der Atomenergie, in ausreichendem Umfang und zu erschwinglichen Preisen verfügbar sei. Im Mittelpunkt müsse dabei der Ausbau der Infrastruktur stehen. Die EU müsse ihre Haushaltsmittel vor allem für die Modernisierung der Energienetze, der Datennetze, die Infrastruktur für CCS und CCU einsetzen. Vorrangig müssten die Engpässe zwischen den EU-Mitgliedsstaaten beseitigt werden.

Die Versorgung mit Rohstoffen müsse sicherer werden. Dazu gehöre der Ausbau der Recyclingwirtschaft, einschließlich der Wiederverwertung von CO2 in CCU-Projekten. Die Verbraucher müssten in die Lage versetzt werden, sich für Produkte mit einem geringen CO2-Fußabdruck zu entscheiden. Die Regulierung müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch für recycelte Produkte ein Binnenmarkt ohne Hürden zwischen den Mitgliedsstaaten entstehe. Digitale und innovative Lösungen müssten stärker gefördert werden.

Mehr Vertrauen in die Lösungskompetenz von Unternehmen

Notwendig sei mehr Vertrauen in die Lösungskompetenz der Unternehmen statt kleinteilige Vorschriften. Die Gesetzgebung sollte sich mehr davon leiten lassen, Anreize für Investitionen in saubere Technologien zu schaffen, statt Verbote zu verhängen. Zuständig dafür soll ein Industriekommissar mit umfassenden Vollmachten sein. Er soll den industriefreundlichen Kurs in allen Ressorts der neuen EU-Kommission durchsetzen.

Bei den Politikern stößt die Industrie inzwischen wieder auf offenere Ohren. Ursula von der Leyen eilte nach ihrer Nominierung zur EVP-Spitzenkandidatin durch die CDU als Erstes nach Antwerpen − ein klares Zeichen an ihre Parteibasis, die nicht mit dem Klimapakt der EU in den Wahlkampf ziehen will. Belgiens Ministerpräsident Alexander de Croo, der das Treffen im Rahmen der belgischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert hatte, pflichtete den versammelten Industrievertretern ausdrücklich bei: „Europa sollte nicht nur ein Standort für industrielle Innovation sein, sondern auch ein Standort für die industrielle Produktion bleiben.“ Der Industriepakt müsse deswegen politisch den gleichen Stellenwert erhalten wie der Klimapakt.

Die Antwerpener Erklärung sei ein klares Signal, den Klimapakt jetzt umzusetzen, sagte der industriepolitische Sprecher der EVP im Europäischen Parlament, Christian Ehler (CDU): „Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union muss das zentrale Element der nächsten Legislaturperiode werden. Die große Mehrheit der Bürger erwartet das von uns.“

Umweltverbände hatten dem belgischen Premier und der Kommissionspräsidentin zuvor in einem offenen Brief vorgeworfen, der Industrie zu viel Einfluss zu gewähren. Mit dem Industriepakt und dem Gerede vom industriellen Geschäftsmodell verleugne sie die Klima- und Umweltkrise. 

Mittwoch, 21.02.2024, 16:10 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Regulierung - Nach dem Klimapakt kommt der Pakt mit der Industrie
Quelle: Fotolia / Bertold Werkmann
Regulierung
Nach dem Klimapakt kommt der Pakt mit der Industrie
In der europäischen Industrie macht man sich schon lange Sorgen, dass die von Brüssel forcierte Dekarbonisierung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beschädigt.
Vor den Wahlen zum Europaparlament drängen die besonders betroffenen Branchen auf eine Kurskorrektur. Mit einer gemeinsamen Erklärung haben die Chefs von rund 70 Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften ihre Wunschliste an die nächste EU-Kommission vorgelegt. Man unterstütze den Klimapakt (Green Deal), mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will, aber dieser müsse um einen Pakt mit der Industrie (European Industrial Deal) ergänzt werden.

Zu den Unterzeichnern gehören die Chefs von Chemiekonzernen wie Bayer oder BASF, von Energiemultis wie Total Energie und Evonik, der Spitzenverbände der Stahl-, Zement- und Glasindustrie sowie der Vorsitzende der europäischen Dachgewerkschaft „IndustriALL Trade Union“.

Der Industriepakt müsse in den nächsten fünf Jahren ganz oben auf der politischen Tagesordnung Europas stehen, heißt es in der zehn Punkte umfassenden Erklärung: „Wir brauchen einen schlüssigen Plan, der die Wettbewerbsfähigkeit zu einer strategischen Priorität macht und die Voraussetzungen für ein europäisches Geschäftsmodell schafft.“ Politische Ziele und Vorschriften müssten besser aufeinander abgestimmt, Berichtspflichten beseitigt und die Gesetzgebung vereinfacht werden.

Energieintensive Branchen sollten mehr unterstützt werden. Subventionen will die Industrie nicht nur für Investitionen, sondern auch für ihr laufendes Geschäft, insbesondere um die hohen Energiekosten zu kompensieren. Dafür sollen die Regeln für die nationalen Beihilfen vereinfacht und ein neues, europäisches Förderprogramm für saubere Technologien (Clean Tech Deployment Fund) aufgelegt werden.

Forderung nach emissionsarmer und günstiger Energie

Die hohen Energiekosten in der EU würden nicht nur vom Weltmarkt bestimmt, sondern auch von den regulatorischen Auflagen. Die nächste Kommission müsse dafür sorgen, dass emissionsarme Energie, einschließlich der Atomenergie, in ausreichendem Umfang und zu erschwinglichen Preisen verfügbar sei. Im Mittelpunkt müsse dabei der Ausbau der Infrastruktur stehen. Die EU müsse ihre Haushaltsmittel vor allem für die Modernisierung der Energienetze, der Datennetze, die Infrastruktur für CCS und CCU einsetzen. Vorrangig müssten die Engpässe zwischen den EU-Mitgliedsstaaten beseitigt werden.

Die Versorgung mit Rohstoffen müsse sicherer werden. Dazu gehöre der Ausbau der Recyclingwirtschaft, einschließlich der Wiederverwertung von CO2 in CCU-Projekten. Die Verbraucher müssten in die Lage versetzt werden, sich für Produkte mit einem geringen CO2-Fußabdruck zu entscheiden. Die Regulierung müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch für recycelte Produkte ein Binnenmarkt ohne Hürden zwischen den Mitgliedsstaaten entstehe. Digitale und innovative Lösungen müssten stärker gefördert werden.

Mehr Vertrauen in die Lösungskompetenz von Unternehmen

Notwendig sei mehr Vertrauen in die Lösungskompetenz der Unternehmen statt kleinteilige Vorschriften. Die Gesetzgebung sollte sich mehr davon leiten lassen, Anreize für Investitionen in saubere Technologien zu schaffen, statt Verbote zu verhängen. Zuständig dafür soll ein Industriekommissar mit umfassenden Vollmachten sein. Er soll den industriefreundlichen Kurs in allen Ressorts der neuen EU-Kommission durchsetzen.

Bei den Politikern stößt die Industrie inzwischen wieder auf offenere Ohren. Ursula von der Leyen eilte nach ihrer Nominierung zur EVP-Spitzenkandidatin durch die CDU als Erstes nach Antwerpen − ein klares Zeichen an ihre Parteibasis, die nicht mit dem Klimapakt der EU in den Wahlkampf ziehen will. Belgiens Ministerpräsident Alexander de Croo, der das Treffen im Rahmen der belgischen EU-Ratspräsidentschaft organisiert hatte, pflichtete den versammelten Industrievertretern ausdrücklich bei: „Europa sollte nicht nur ein Standort für industrielle Innovation sein, sondern auch ein Standort für die industrielle Produktion bleiben.“ Der Industriepakt müsse deswegen politisch den gleichen Stellenwert erhalten wie der Klimapakt.

Die Antwerpener Erklärung sei ein klares Signal, den Klimapakt jetzt umzusetzen, sagte der industriepolitische Sprecher der EVP im Europäischen Parlament, Christian Ehler (CDU): „Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union muss das zentrale Element der nächsten Legislaturperiode werden. Die große Mehrheit der Bürger erwartet das von uns.“

Umweltverbände hatten dem belgischen Premier und der Kommissionspräsidentin zuvor in einem offenen Brief vorgeworfen, der Industrie zu viel Einfluss zu gewähren. Mit dem Industriepakt und dem Gerede vom industriellen Geschäftsmodell verleugne sie die Klima- und Umweltkrise. 

Mittwoch, 21.02.2024, 16:10 Uhr
Tom Weingärtner

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