Mit KI Forderungen einziehen

Es hört sich schon sehr gut an: Eine Reduzierung der Mahnquote von bis zu 75 Prozent. Oder: Die Verkürzung der Fälligkeiten, der sogenannten Days Sales Outstanding, kurz DSO, um 72 Prozent. Das verspricht der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Forderungsmanagement. Die Aareal Bank hat so etwas im Angebot, entwickelt von ihrer Tochtergesellschaft Collect Artificial Intelligence GmbH, die mit diesen Zahlen wirbt.
 
Collect AI hat dazu eine Plattform für das Forderungsmanagement entwickelt. Das Unternehmen wurde vor sieben Jahren als Start-up im Digital Lab der Otto-Gruppe gegründet. Im März 2022 wurde das Unternehmen von der Aareal Bank übernommen, ist aber nach wie vor eine „eigenständige legal entity“, wie Pierre Schramm, Chief Revenue Officer von Collect AI, im Gespräch am Rande der E-World sagte.
 
Collect AI versteht sich als Plattformbetreiber, der den ganzen Forderungsprozess umfasst. Ab der Entstehung bis zum Begleichen der Forderung übernimmt das Unternehmen dabei die Dienstleistung für den Kunden. Es bietet diese als Software as a Service an. Dabei hat es nicht nur Unternehmen in der Energiewirtschaft im Blick, sondern auch die Wohnungswirtschaft oder Telekommunikationsunternehmen. Gut geeignet seien Unternehmen mit regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsströmen.
 
Das Angebot von Collect AI ist eine sogenannte Stand-alone-Lösung und kann daher für jeden Anwendungsfall und jede Branche genutzt werden. Aareon, die Softwaretochter der Aareal Bank, bietet — das ist der Unterschied — die Lösung für Kunden eingebettet in ihrem ERP-System an.
 
Hier werden sukzessive Teile von Collect AI genutzt und unter anderem den Energieversorger-Kunden in ihren internen EPR-Systemen zur Verfügung gestellt. Während AI Collect auch bei Wunsch das Inkasso übernimmt, endet das Angebot der Aareal Bank bei der Zahlungsaufforderung. „Dann übernimmt wieder der Auftraggeber“, sagte Thomas Danz, Head of Sales, Process & Sales Management Banking & Digital Solutions, der Aareal Bank AG.
 

Individuelle Kundenansprache
 
Die künstliche Intelligenz von Collect AI arbeitet vergleichbar anderen Vorhersagesystem wie predictive maintenance im Wartungsbereich oder predictive analytics im Vertriebsbereich. Das System schaut in den vorhandenen Daten nach Auffälligkeiten und Mustern. Erkennt es Unregelmäßigkeiten, wird es tätig. 
 
Aspekte, die die Software berücksichtigt, sind beispielsweise, auf welchem Wege der Kunde zum Unternehmen gekommen ist, welchen Tarif er hat, wie treu er gegenüber dem Unternehmen ist, sagte Schramm. Wenn es zu Zahlungsverzögerung kommt, gebe es eine Reihe von Möglichkeiten – automatisiert – mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen. 
 
So bietet das System verschiedene Kanäle zur Kommunikation an. „Bei den einen Kunden ist es besser, ihn per E-Mail anzuschreiben, bei anderen bietet sich die SMS an.“ Das System erkennt das und reagiert entsprechend. Am Ende kann es sogar Hilfestellung in Form von Stundungen oder einem Zahlungsplan geben. Und das mit Erfolg, wie die eingangs erwähnten Zahlen belegen. 
 
 „Die KI hat nicht nur eine Lösung, sondern ganz viele Hebel.“ Dieses sorge in der Summe dafür, dass das Forderungsmanagement autonom handeln kann. Ein weiterer Vorteil ist dabei, dass der Versorger selbst Leitplanken definieren kann, was er zulassen möchte. Zum Beispiel die Auswahl der Zahlungsmittel. 
 
„Konventionelles Forderungsmanagement ist ineffizient, teuer, isoliert und mit wirtschaftlichen Risiken behaftet“, sagte Danz. Für die Energiewirtschaft sei es wichtig, das Forderungsmanagement digital und kundenorientiert aufzustellen. Bei einigen Unternehmen ist das bereits angekommen. Auf der Internetseite von Collect AI werden unter anderem die Nürnberger N-Ergie, die Hannoveraner Enercity oder auch die Freiburger Badenova als Anwender geführt.