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Energie & Management > Wasserstoff - Mehr politischer Mut gefordert
Quelle: Shutterstock / petrmalinak
Wasserstoff

Mehr politischer Mut gefordert

Inwieweit rechtliche Weichen für einen H2-Hochlauf in Deutschland richtig gestellt sind, war Thema auf einem Essener Wasserstoff-Gipfel. Vor allem die EU-Pläne standen in der Kritik.
Zur Frage, inwieweit die Erneuerbaren-Ziele der Bundesregierung für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff ausreichen, wollte sich Kerstin Andreae nicht lange auslassen. 80 % Erneuerbare bis 2030, nahezu 100 % bis 2035 − "Es ist wichtig, dass wir im Osterpaket diese Ausbauziele haben, jetzt muss der notwendige Rahmen und Instrumentenkasten dafür gelegt werden", betonte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW ​auf einem Wasserstoff-Gipfel des Handelsblattes in Essen. Als Baustellen nannte sie die Genehmigungsverfahren, die Flächenverfügbarkeit und Lösungen im Artenschutz.

Wasserstoff sieht sie als "zentrales energiepolitisches Moment, um die Klimafragen zu beantworten". Von der Regierung wünscht sich Andreae daher "mehr politischen Mut", den Wasserstoff sowohl klimapolitisch als auch wirtschaftspolitisch zu begreifen.

Dezentrale Erzeugung gerade in der Hochlaufphase wichtig

Der Standortfaktor grüne Energie werde in Zukunft immer relevanter für die Industrie. Der Fakt, dass der Norden und Nordwesten Deutschlands aufgrund seiner Nähe zu großen Erneuerbaren-Energieanlagen im Bereich Wasserstofferzeugung agiler ist als der Süden und Südwesten, zeichne sich als Blaupause ab. "Mit Neugier" schaue sie darauf, wie sich die Bundesländer in dieser Frage positionieren. Aus der Vogelperspektive betrachtet, gehe Andreae langfristig von einer Verlagerung von Industrieproduktionsstätten vom Süden in den Norden aus, zumal der Verlauf des von den europäischen Fernleitungsnetzbetreibern geplanten Hydrogen Backbone den Süden auslasse. "Hier finde ich die Diskussion noch erstaunlich ruhig", erklärte Andreae mit Blick auf Bayern und Baden-Württemberg. "Ich würde eigentlich erwarten, dass bei diesem Thema die Wirtschaftspolitiker im Süden hellhöriger werden."

Die dezentrale Erzeugung von Wasserstoff direkt beim Verbraucher sei gerade in dieser Hochlaufphase wichtig, wie Ralf Schiele, Mitglied der Geschäftsführung der Steag, anführte. "Es wird lange dauern, bis wir mit den Wasserstoffnetzen bis in die letzte Ecke in den Süden kommen", so Schiele. "Um schnell Ergebnisse zu erzielen, müssen wir mit den Anlagen an den Verbraucher", so Schiele mit Blick auf die Standorte der Elektrolyseure. Auch kleinere Anlagen seien hierfür wichtig, um etwa den öffentlichen Personennahverkehr in einzelnen Regionen auf Wasserstoff umzustellen.

Ein breiter Ansatz sowohl in den Erzeugungsstandorten als auch in den Anwendungsbereichen von Wasserstoff fordert BDEW-Frau Andreae. "Der Ansatz muss sein, eine skalierbare, exportierbare Industrie hochzufahren. Mit zentralen und dezentralen Lösungen und einer Infrastruktur dahinter." Sämtliche Lösungen, die aktuell diskutiert würden, sollten als Möglichkeiten begriffen werden, die "Transformation unseres Industrielandes" mitzugestalten. 

Kritische Stimmen zu den EU-Vorschlägen

Die Pläne der EU-Kommission, grünen Wasserstoff nur als grün zu definieren, beziehe er den Strom unmittelbar aus einer neuen grünen Energieanlage, hielten die Diskussionsteilnehmer für zu eng gefasst. Die nationalen und europäischen Erneuerbaren-Ausbaupläne machten dieses enge Korsett bei der Elektrolyse überflüssig. Andreae zog den Vergleich zur Elektromobilität. Auch bei dieser sei nicht klar, wie grün der geladene Strom sei. Zudem: "Wir hätten nie die Elektromobilität so hochfahren können, hätten wir eingangs gesagt, neben dem Elektroauto muss aber ein Windrad stehen, das gleichzeitig einspeist."

Die Hoffnung, dass sich bei der Brüsseler Definition von grünem Wasserstoff noch etwas ändert, brachte Nicolai Ritter, Rechtsanwalt der Kanzlei CMS Deutschland, vor. "Der delegierte Rechtsakt hierzu ist noch nicht erlassen. Bis zum 17. Juni können die Verbände im laufenden Konsultationsverfahren noch auf die Kommission einwirken", erklärte Ritter. Er könne sich eine spätere Einführung der Bedingung für grünen Wasserstoff − auch "Prinzip der Zusätzlichkeit" genannt − vorstellen: statt 2027, wie von der EU-Kommission anvisiert, erst ab dem Jahr 2030. Erst dann sei klar, wie weit die bis dahin vereinbarten Ausbauziele und Grenzwerte erreicht worden seien und inwieweit diese Bedingung dann noch Sinn mache.

Auch der EU-Vorschlag, den Gasnetzbetrieb vom Wasserstoffnetzbetrieb zu lösen, stieß auf Ablehnung. "Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass ein Gasunternehmen in die Ertüchtigung seines Gasnetzes investiert, wenn es dieses dann veräußern muss?", fragte Andreae. Dieses Vergehen sei "betriebswirtschaftlicher Unfug". Eine Industrie, die im Hochfahren begriffen ist, müsse die Möglichkeit zur Transformation bekommen und dürfe nicht danach bestraft werden.

Donnerstag, 9.06.2022, 15:23 Uhr
Davina Spohn
Energie & Management > Wasserstoff - Mehr politischer Mut gefordert
Quelle: Shutterstock / petrmalinak
Wasserstoff
Mehr politischer Mut gefordert
Inwieweit rechtliche Weichen für einen H2-Hochlauf in Deutschland richtig gestellt sind, war Thema auf einem Essener Wasserstoff-Gipfel. Vor allem die EU-Pläne standen in der Kritik.
Zur Frage, inwieweit die Erneuerbaren-Ziele der Bundesregierung für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff ausreichen, wollte sich Kerstin Andreae nicht lange auslassen. 80 % Erneuerbare bis 2030, nahezu 100 % bis 2035 − "Es ist wichtig, dass wir im Osterpaket diese Ausbauziele haben, jetzt muss der notwendige Rahmen und Instrumentenkasten dafür gelegt werden", betonte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW ​auf einem Wasserstoff-Gipfel des Handelsblattes in Essen. Als Baustellen nannte sie die Genehmigungsverfahren, die Flächenverfügbarkeit und Lösungen im Artenschutz.

Wasserstoff sieht sie als "zentrales energiepolitisches Moment, um die Klimafragen zu beantworten". Von der Regierung wünscht sich Andreae daher "mehr politischen Mut", den Wasserstoff sowohl klimapolitisch als auch wirtschaftspolitisch zu begreifen.

Dezentrale Erzeugung gerade in der Hochlaufphase wichtig

Der Standortfaktor grüne Energie werde in Zukunft immer relevanter für die Industrie. Der Fakt, dass der Norden und Nordwesten Deutschlands aufgrund seiner Nähe zu großen Erneuerbaren-Energieanlagen im Bereich Wasserstofferzeugung agiler ist als der Süden und Südwesten, zeichne sich als Blaupause ab. "Mit Neugier" schaue sie darauf, wie sich die Bundesländer in dieser Frage positionieren. Aus der Vogelperspektive betrachtet, gehe Andreae langfristig von einer Verlagerung von Industrieproduktionsstätten vom Süden in den Norden aus, zumal der Verlauf des von den europäischen Fernleitungsnetzbetreibern geplanten Hydrogen Backbone den Süden auslasse. "Hier finde ich die Diskussion noch erstaunlich ruhig", erklärte Andreae mit Blick auf Bayern und Baden-Württemberg. "Ich würde eigentlich erwarten, dass bei diesem Thema die Wirtschaftspolitiker im Süden hellhöriger werden."

Die dezentrale Erzeugung von Wasserstoff direkt beim Verbraucher sei gerade in dieser Hochlaufphase wichtig, wie Ralf Schiele, Mitglied der Geschäftsführung der Steag, anführte. "Es wird lange dauern, bis wir mit den Wasserstoffnetzen bis in die letzte Ecke in den Süden kommen", so Schiele. "Um schnell Ergebnisse zu erzielen, müssen wir mit den Anlagen an den Verbraucher", so Schiele mit Blick auf die Standorte der Elektrolyseure. Auch kleinere Anlagen seien hierfür wichtig, um etwa den öffentlichen Personennahverkehr in einzelnen Regionen auf Wasserstoff umzustellen.

Ein breiter Ansatz sowohl in den Erzeugungsstandorten als auch in den Anwendungsbereichen von Wasserstoff fordert BDEW-Frau Andreae. "Der Ansatz muss sein, eine skalierbare, exportierbare Industrie hochzufahren. Mit zentralen und dezentralen Lösungen und einer Infrastruktur dahinter." Sämtliche Lösungen, die aktuell diskutiert würden, sollten als Möglichkeiten begriffen werden, die "Transformation unseres Industrielandes" mitzugestalten. 

Kritische Stimmen zu den EU-Vorschlägen

Die Pläne der EU-Kommission, grünen Wasserstoff nur als grün zu definieren, beziehe er den Strom unmittelbar aus einer neuen grünen Energieanlage, hielten die Diskussionsteilnehmer für zu eng gefasst. Die nationalen und europäischen Erneuerbaren-Ausbaupläne machten dieses enge Korsett bei der Elektrolyse überflüssig. Andreae zog den Vergleich zur Elektromobilität. Auch bei dieser sei nicht klar, wie grün der geladene Strom sei. Zudem: "Wir hätten nie die Elektromobilität so hochfahren können, hätten wir eingangs gesagt, neben dem Elektroauto muss aber ein Windrad stehen, das gleichzeitig einspeist."

Die Hoffnung, dass sich bei der Brüsseler Definition von grünem Wasserstoff noch etwas ändert, brachte Nicolai Ritter, Rechtsanwalt der Kanzlei CMS Deutschland, vor. "Der delegierte Rechtsakt hierzu ist noch nicht erlassen. Bis zum 17. Juni können die Verbände im laufenden Konsultationsverfahren noch auf die Kommission einwirken", erklärte Ritter. Er könne sich eine spätere Einführung der Bedingung für grünen Wasserstoff − auch "Prinzip der Zusätzlichkeit" genannt − vorstellen: statt 2027, wie von der EU-Kommission anvisiert, erst ab dem Jahr 2030. Erst dann sei klar, wie weit die bis dahin vereinbarten Ausbauziele und Grenzwerte erreicht worden seien und inwieweit diese Bedingung dann noch Sinn mache.

Auch der EU-Vorschlag, den Gasnetzbetrieb vom Wasserstoffnetzbetrieb zu lösen, stieß auf Ablehnung. "Wer glaubt denn ernsthaft daran, dass ein Gasunternehmen in die Ertüchtigung seines Gasnetzes investiert, wenn es dieses dann veräußern muss?", fragte Andreae. Dieses Vergehen sei "betriebswirtschaftlicher Unfug". Eine Industrie, die im Hochfahren begriffen ist, müsse die Möglichkeit zur Transformation bekommen und dürfe nicht danach bestraft werden.

Donnerstag, 9.06.2022, 15:23 Uhr
Davina Spohn

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