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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Managementorientiertes Kontaktseminar
Quelle: Pixabay / Steve Cliff
E&M Vor 20 Jahren

Managementorientiertes Kontaktseminar

Vor 20 Jahren beschäftigte sich ein Symposium mit Risikomanagement im Energiesektor. Für viele Teilnehmer damals ein relativ unbekanntes Thema.
Risikomanagement war in der Energiewirtschaft jahrzehntelang allenfalls im Zusammenhang mit der Sicherheit von Anlagen ein Thema. Das Managen von Preisrisiken wurde erst mit der Liberalisierung 1998 wichtig. Dass ein ganzes Bündel an Risiken sich gegenseitig beeinflussen können und ein Energieunternehmen in Existenznot bringen kann, war auch 2003 noch nicht in allen Köpfen verankert. Mit dem Gedanken, dass es überlebenswichtig ist, rechtzeitig Risiken zu erkennen, dass ein „Radarsystem“ aufgebaut werden muss, mit dem systematisch alle Bereiche des Unternehmens, des Marktes und der regulatorischen Rahmenbedingungen gescannt werden, freundete sich die Branche nur langsam an. Daher fand ein zweitägiges Symposium des Centers of Energy Management (CEM) an der Universität Hannover auch große Resonanz. Die Veranstalter versuchen, dem praktischen integrierten Risikomanagement theoretisch auf die Spur zu kommen – mit vernünftigen Erkenntnissen.
E&M-Redakteur Fritz Wilhelm berichtete damals aus Hannover.
 
„Gelöste und ungelöste Gase in Isolierflüssigkeiten beeinträchtigen die elektrische Festigkeit des Isoliersystems“. Wissen Sie worum es geht? Nein? Macht nichts. Vielleicht sind Sie Ökonom, vielleicht Jurist oder Geisteswissenschaftler. Dann brauchen Sie vermutlich nähere Informationen, um etwas zu verstehen. Oder Sie wollen sich nicht die Mühe machen. Vielleicht müssen Sie sich auch erst einmal mit den chemischen und elektrotechnischen Grundlagen der Isolierung von elektrischen Betriebsmitteln im Allgemeinen und von Transformatoren im Besonderen befassen. Dazu können Sie einen Fachmann befragen, zum Beispiel Prof. Ernst Gockenbach vom Institut für Energieversorgung und Hochspannungstechnik der Universität Hannover. Auf einer seiner Vortragsfolien beim CEM-Symposium über Monitoring und Diagnose von Isoliersystemen als Grundlage einer Risikobewertung elektrischer Betriebsmittel konnten die Teilnehmer der Veranstaltung diesen Satz nämlich lesen.

Obwohl die meisten Zuhörer wohl keine Grundlagen der Elektrotechnik parat hatten, dürften sie doch verstanden haben, welche Absicht CEM-Initiator Prof. Klaus-Peter Wiedmann mit der Einladung einiger sehr technisch ausgerichteter Referenten verfolgte. Sein Appell an die Energiewirtschaft: Sprecht miteinander, entdeckt Gemeinsamkeiten, geht aufeinander ein. Das sei gar nicht so schwer, wie viele immer denken – ein managementorientiertes Kontaktseminar mit interdisziplinärem Risikoansatz.

Recht hat der Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Management und Initiator des Centers for Energy Management an der Universität Hannover. Überwachungs- und Diagnosemethoden werden schließlich auch in den Ingenieurswissenschaften entwickelt und Entscheidungen abgeleitet, also richtiges Management. Ingenieure, wie Prof. Jörg Seume vom Institut für Strömungsmaschinen an der Universität Hannover machen sich Gedanken über kraftwerkstechnische Risiken und ihre Begrenzung vor dem Hintergrund liberalisierter Märkte. Da müsste man sich doch näher kommen können. 

Wie ernst die Botschaft zu nehmen ist, zeigte einige Tage nach der Veranstaltung ein Beitrag im Wissenschaftsteil der Süddeutschen Zeitung. Die Analyse des Columbia-Absturzes lasse vermuten, die Nasa habe Risiken systematisch falsch eingeschätzt, ist unter der Überschrift „Pannen mit Routine“ zu lesen. Die richtigen Leute hätten nicht miteinander geredet, wird ein ehemaliger Nasa-Mitarbeiter zitiert. Es habe erhebliche Kommunikationsstörungen gegeben. So hätten die Nasa-Chefs abgelehnt, sich um Satellitenfotos von der Columbia zu bemühen, ohne wissen zu wollen, wer an diesen Fotos interessiert war – nämlich die Ingenieure, die schon während des Fluges einen Schadensfall angenommen hatten.

Nun geht es in der Energiewirtschaft nicht täglich um Leib und Leben. Aber auch hier gilt es sowohl in technischer als auch im weitesten Sinne ökonomischer Hinsicht zu verhindern, dass der Umgang mit Risiken nur noch als eine Frage der richtigen und routinemäßigen Wartung angesehen wird.

Die Schlagworte Antizipation und Frühwarnung zogen sich als roter Faden durch viele Vorträge des Symposiums. So erläuterte etwa Sven Twelemann von der Universität Hannover am Beispiel der kalifornischen Stromkrise 1999, wie wichtig es sein kann, politische Rahmenbedingungen vorherzusehen und selbst auf ein optimales Regulierungsumfeld hinzuarbeiten. Zwar habe man beim Übergang von der ersten zur zweiten Fassung der Verbändevereinbarung Strom feststellen können, dass man so genannte Legal Risks auch „aussitzen“ könne, merkte Michael Langerfeldt von der Universität Lüneburg an. Wer für den Umgang mit den Legal Risks aus einem künftig verschärften Unbundling eine solche Strategie in Erwägung ziehe oder mit ruhiger Hand erst noch das Unbundling des Managements hinausschiebe, werde jedoch auf die Nase fallen, prognostizierte er.
 
Das Undenkbare: vollständige Trennung vom eigenen Netzbetrieb
 
Die Zeit für die Einrichtung einer Task Force und deren Ausstattung mit gesellschafts- und steuerrechtlichem sowie EDV-spezifischem und organisatorischem Sachverstand wird kaum mehr reichen, wenn der europäische Gesetzgeber erst einmal Nägel mit Köpfen gemacht hat, mit denen dann deutsche Rechtsnormen festgeklopft werden und die so manchem Unternehmen später als Stachel im Fleisch sitzen. An Lobbying braucht man zu einem solchen Zeitpunkt erst gar nicht mehr zu denken. Deshalb Langerfeldts eindringliche Aufforderung: „Passen Sie Ihre Aufbau- und Ablauforganisation spätestens 2004 an die Anforderungen eines Management Unbundling an. Bereiten Sie den Schritt zum Legal Unbundling gründlich vor, um ihn gegebenenfalls schnell gehen zu können und denken Sie vielleicht auch einmal an das Undenkbare – die vollständige Trennung vom eigenen Netzbetrieb.“

Während die Risiken im Netzbetrieb in erster Linie rechtlich-politischer Natur sind, ermöglicht der Markt für andere Bereiche und Wertschöpfungsstufen durchaus clevere Absicherungsstrategien. So sollte man, wenn es sich anbietet, die Risiken auch transferieren, wenn sie sich an anderer Stelle über intelligente Produkte reduzieren lassen, meinte Andreas Schuler, Leiter der Risk Services von Vattenfall Europe in Berlin. Obwohl beim drittgrößten Energiekonzern am deutschen Markt grundsätzlich entstehungsbezogen die Verantwortung zugeordnet werde, mache es natürlich Sinn, beispielsweise das Preisrisiko der Kohlebeschaffung nicht der Kraftwerksgesellschaft aufzuhalsen, sondern an den Handel weiterzugeben, um es beispielsweise mit Swaps abzusichern. Auch für Techniker ein gut nachvollziehbarer Gedanke. Wie ein Swap funktioniert, brauchen Sie deshalb noch lange nicht zu wissen.
 
Mit den anderen Themen, die gerade in der Energiewirtschaft en vogue sind und denen in Hannover jeweils eigene Referate von Fachleuten aus der Praxis gewidmet waren, zum Beispiel zum Portfoliomanagement, Kreditrisikomanagement, OTC-Clearing, Operational Risk, Energiedatenmanagement oder zur Balanced Scorecard, ist es ähnlich, wobei für Vertreter aller Fachrichtungen prinzipiell gilt: Wer durch die Interdependenzen eines komplexen Unternehmens sich plötzlich mit den Auswirkungen grundsätzlich fachfremder Risiken konfrontiert sieht, kann mit Vernunft, etwas gutem Willen und einigen Fragen Brücken bauen, die ein integriertes Risikomanagement möglich machen.
 

Samstag, 15.04.2023, 17:54 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Managementorientiertes Kontaktseminar
Quelle: Pixabay / Steve Cliff
E&M Vor 20 Jahren
Managementorientiertes Kontaktseminar
Vor 20 Jahren beschäftigte sich ein Symposium mit Risikomanagement im Energiesektor. Für viele Teilnehmer damals ein relativ unbekanntes Thema.
Risikomanagement war in der Energiewirtschaft jahrzehntelang allenfalls im Zusammenhang mit der Sicherheit von Anlagen ein Thema. Das Managen von Preisrisiken wurde erst mit der Liberalisierung 1998 wichtig. Dass ein ganzes Bündel an Risiken sich gegenseitig beeinflussen können und ein Energieunternehmen in Existenznot bringen kann, war auch 2003 noch nicht in allen Köpfen verankert. Mit dem Gedanken, dass es überlebenswichtig ist, rechtzeitig Risiken zu erkennen, dass ein „Radarsystem“ aufgebaut werden muss, mit dem systematisch alle Bereiche des Unternehmens, des Marktes und der regulatorischen Rahmenbedingungen gescannt werden, freundete sich die Branche nur langsam an. Daher fand ein zweitägiges Symposium des Centers of Energy Management (CEM) an der Universität Hannover auch große Resonanz. Die Veranstalter versuchen, dem praktischen integrierten Risikomanagement theoretisch auf die Spur zu kommen – mit vernünftigen Erkenntnissen.
E&M-Redakteur Fritz Wilhelm berichtete damals aus Hannover.
 
„Gelöste und ungelöste Gase in Isolierflüssigkeiten beeinträchtigen die elektrische Festigkeit des Isoliersystems“. Wissen Sie worum es geht? Nein? Macht nichts. Vielleicht sind Sie Ökonom, vielleicht Jurist oder Geisteswissenschaftler. Dann brauchen Sie vermutlich nähere Informationen, um etwas zu verstehen. Oder Sie wollen sich nicht die Mühe machen. Vielleicht müssen Sie sich auch erst einmal mit den chemischen und elektrotechnischen Grundlagen der Isolierung von elektrischen Betriebsmitteln im Allgemeinen und von Transformatoren im Besonderen befassen. Dazu können Sie einen Fachmann befragen, zum Beispiel Prof. Ernst Gockenbach vom Institut für Energieversorgung und Hochspannungstechnik der Universität Hannover. Auf einer seiner Vortragsfolien beim CEM-Symposium über Monitoring und Diagnose von Isoliersystemen als Grundlage einer Risikobewertung elektrischer Betriebsmittel konnten die Teilnehmer der Veranstaltung diesen Satz nämlich lesen.

Obwohl die meisten Zuhörer wohl keine Grundlagen der Elektrotechnik parat hatten, dürften sie doch verstanden haben, welche Absicht CEM-Initiator Prof. Klaus-Peter Wiedmann mit der Einladung einiger sehr technisch ausgerichteter Referenten verfolgte. Sein Appell an die Energiewirtschaft: Sprecht miteinander, entdeckt Gemeinsamkeiten, geht aufeinander ein. Das sei gar nicht so schwer, wie viele immer denken – ein managementorientiertes Kontaktseminar mit interdisziplinärem Risikoansatz.

Recht hat der Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Management und Initiator des Centers for Energy Management an der Universität Hannover. Überwachungs- und Diagnosemethoden werden schließlich auch in den Ingenieurswissenschaften entwickelt und Entscheidungen abgeleitet, also richtiges Management. Ingenieure, wie Prof. Jörg Seume vom Institut für Strömungsmaschinen an der Universität Hannover machen sich Gedanken über kraftwerkstechnische Risiken und ihre Begrenzung vor dem Hintergrund liberalisierter Märkte. Da müsste man sich doch näher kommen können. 

Wie ernst die Botschaft zu nehmen ist, zeigte einige Tage nach der Veranstaltung ein Beitrag im Wissenschaftsteil der Süddeutschen Zeitung. Die Analyse des Columbia-Absturzes lasse vermuten, die Nasa habe Risiken systematisch falsch eingeschätzt, ist unter der Überschrift „Pannen mit Routine“ zu lesen. Die richtigen Leute hätten nicht miteinander geredet, wird ein ehemaliger Nasa-Mitarbeiter zitiert. Es habe erhebliche Kommunikationsstörungen gegeben. So hätten die Nasa-Chefs abgelehnt, sich um Satellitenfotos von der Columbia zu bemühen, ohne wissen zu wollen, wer an diesen Fotos interessiert war – nämlich die Ingenieure, die schon während des Fluges einen Schadensfall angenommen hatten.

Nun geht es in der Energiewirtschaft nicht täglich um Leib und Leben. Aber auch hier gilt es sowohl in technischer als auch im weitesten Sinne ökonomischer Hinsicht zu verhindern, dass der Umgang mit Risiken nur noch als eine Frage der richtigen und routinemäßigen Wartung angesehen wird.

Die Schlagworte Antizipation und Frühwarnung zogen sich als roter Faden durch viele Vorträge des Symposiums. So erläuterte etwa Sven Twelemann von der Universität Hannover am Beispiel der kalifornischen Stromkrise 1999, wie wichtig es sein kann, politische Rahmenbedingungen vorherzusehen und selbst auf ein optimales Regulierungsumfeld hinzuarbeiten. Zwar habe man beim Übergang von der ersten zur zweiten Fassung der Verbändevereinbarung Strom feststellen können, dass man so genannte Legal Risks auch „aussitzen“ könne, merkte Michael Langerfeldt von der Universität Lüneburg an. Wer für den Umgang mit den Legal Risks aus einem künftig verschärften Unbundling eine solche Strategie in Erwägung ziehe oder mit ruhiger Hand erst noch das Unbundling des Managements hinausschiebe, werde jedoch auf die Nase fallen, prognostizierte er.
 
Das Undenkbare: vollständige Trennung vom eigenen Netzbetrieb
 
Die Zeit für die Einrichtung einer Task Force und deren Ausstattung mit gesellschafts- und steuerrechtlichem sowie EDV-spezifischem und organisatorischem Sachverstand wird kaum mehr reichen, wenn der europäische Gesetzgeber erst einmal Nägel mit Köpfen gemacht hat, mit denen dann deutsche Rechtsnormen festgeklopft werden und die so manchem Unternehmen später als Stachel im Fleisch sitzen. An Lobbying braucht man zu einem solchen Zeitpunkt erst gar nicht mehr zu denken. Deshalb Langerfeldts eindringliche Aufforderung: „Passen Sie Ihre Aufbau- und Ablauforganisation spätestens 2004 an die Anforderungen eines Management Unbundling an. Bereiten Sie den Schritt zum Legal Unbundling gründlich vor, um ihn gegebenenfalls schnell gehen zu können und denken Sie vielleicht auch einmal an das Undenkbare – die vollständige Trennung vom eigenen Netzbetrieb.“

Während die Risiken im Netzbetrieb in erster Linie rechtlich-politischer Natur sind, ermöglicht der Markt für andere Bereiche und Wertschöpfungsstufen durchaus clevere Absicherungsstrategien. So sollte man, wenn es sich anbietet, die Risiken auch transferieren, wenn sie sich an anderer Stelle über intelligente Produkte reduzieren lassen, meinte Andreas Schuler, Leiter der Risk Services von Vattenfall Europe in Berlin. Obwohl beim drittgrößten Energiekonzern am deutschen Markt grundsätzlich entstehungsbezogen die Verantwortung zugeordnet werde, mache es natürlich Sinn, beispielsweise das Preisrisiko der Kohlebeschaffung nicht der Kraftwerksgesellschaft aufzuhalsen, sondern an den Handel weiterzugeben, um es beispielsweise mit Swaps abzusichern. Auch für Techniker ein gut nachvollziehbarer Gedanke. Wie ein Swap funktioniert, brauchen Sie deshalb noch lange nicht zu wissen.
 
Mit den anderen Themen, die gerade in der Energiewirtschaft en vogue sind und denen in Hannover jeweils eigene Referate von Fachleuten aus der Praxis gewidmet waren, zum Beispiel zum Portfoliomanagement, Kreditrisikomanagement, OTC-Clearing, Operational Risk, Energiedatenmanagement oder zur Balanced Scorecard, ist es ähnlich, wobei für Vertreter aller Fachrichtungen prinzipiell gilt: Wer durch die Interdependenzen eines komplexen Unternehmens sich plötzlich mit den Auswirkungen grundsätzlich fachfremder Risiken konfrontiert sieht, kann mit Vernunft, etwas gutem Willen und einigen Fragen Brücken bauen, die ein integriertes Risikomanagement möglich machen.
 

Samstag, 15.04.2023, 17:54 Uhr
Fritz Wilhelm

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