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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Launische Treibhausgasquoten
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Launische Treibhausgasquoten

Der Handel mit THG-Quoten beschert Stadtwerken im Idealfall teils beträchtliche Mehreinnahmen. Ein neues Geschäftsmodell mit der eigenen Kundschaft ist eher selten entstanden.
Zwischen Neu-Isenburg und Solingen liegt nicht nur die Ländergrenze Hessens und Nordrhein-Westfalens. Die beiden Städte trennt auch der Umgang ihrer Versorger mit der Treibhausgasquote (THG-Quote) im Mobilitätssektor. Während Privatleute ihr Elektroauto über die Stadtwerke Neu-Isenburg im laufenden Jahr noch für 100 Euro Prämie registrieren lassen können, gibt es in der Klingenstadt diesen Service nicht mehr.

Die Stadtwerke Solingen konnten Interessierten schon für 2023 „nicht mehr annähernd so gute Angebote machen wie 2022“, so eine Sprecherin gegenüber E&M. Entsprechend stellte der Versorger die Dienstleistung ein. Sie besteht darin, beim Umweltbundesamt für Elektroautofahrer das THG-Zertifikat zu beantragen und später die Prämie bis auf eine geringe Vermittlungsprovision auszuzahlen. Neu-Isenburg dagegen ist weiter im Spiel und im Wettbewerb mit anderen Quotenhändlern, etwa neu gegründeten Aggregatoren. Diese wollen − wie auch der Automobilclub ADAC − eine möglichst große Menge an Privat- und Firmenfahrzeugen bündeln, um im Quotenhandel eine gewisse Marktmacht und entsprechende Erlöse zu erhalten. Nach dem Motto: Viel bringt viel.

Allerdings ist der Wert einer eingesparten Tonne CO2 in den Keller gerauscht, von einst mehr als 400 Euro auf weniger als ein Viertel. Damit fällt auch der im Quotenhandel zu erzielende Erlös von E-Fahrzeugen. Für Stadtwerke ist dieser Teil des THG-Quotengeschäfts, der privaten E-Autohaltern die Bürokratie abnimmt, wegen des geringen Mitverdienstes also vernachlässigbar. Versorger seien allerdings „gut beraten, für sich selbst einen aufwandsarmen Zugewinn mitzunehmen“, sagt Nikolai Falter, Berater Elektromobilität und Klimaneutralität beim Aachener Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET).

Unkenntnis kostet Versorger Tausende Euro

Diese leicht zu verbuchende Einnahme generieren Stadtwerke im Quotenhandel durch die Vermarktung der eigenen Aktivitäten, die den Verkehr dekarbonisieren. Dazu zählen der Ersatz von Dieselbussen durch Elektrobusse, die Umstellung des eigenen Fuhrparks auf Stromer sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Allein bei einer entsprechenden Anzahl von Elektrobussen dürften größere Stadtwerke in den besten Jahren durchaus mehrere Hunderttausend Euro eingenommen haben.

Sofern sie denn aktiv wurden. „Bis heute nehmen nicht alle Stadtwerke am Quotenhandel teil“, sagt etwa Maximilian Stein. Der Geschäftsführer der „mint future GmbH“, einem Aggregator aus Osnabrück, kennt aus Vertragsgesprächen Vorbehalte von Versorgern, die aus Sorge um eine Doppelförderung keine THG-Prämie für ihre E-Busse beantragen wollten. Schließlich trage der Staat doch bereits die Mehrkosten im Vergleich zur Anschaffung eines Dieselbusses.

Unkenntnis kostet in solchen Fällen Einnahmen: Die THG-Quote ist im Verkehrssektor ein unabhängiges Instrument, um die Antriebswende zu forcieren. Sie fragt nur nach dem Halter eines E-Fahrzeugs und reicht ihm Geld durch, das Mineralölfirmen in den Topf tun, um ihre gesetzlich festgelegte Minderungsquote für schädliche Abgase zu erfüllen. Und der Topf ist groß: 2022 waren etwa 500 Millionen Euro zu verteilen, bis Ende des Jahrzehnts könnten es mehrere Milliarden Euro werden. Er wächst mit der Aufgabe der Ölkonzerne, die durch ihre Kraftstoffe verursachten Emissionen von derzeit 9,25 Prozent bis 2030 auf 25 Prozent zu senken.

Und dabei ist es für Stadtwerke mit Standbein „öffentlicher Nahverkehr“ doch so einfach. Elektrobusse sind im Quotenhandel die Cash Cows, weil ihre CO2-Einsparung enorm ist. Der ADAC als Quotenzwischenhändler zum Beispiel reichte für einen E-Pkw im Jahr 2022 als Fixprämie noch 370 Euro an Mitglieder weiter. Für einen E-Bus schüttete der Automobilclub 14.000 Euro aus, beinahe 40-mal so viel. Vor zwei Jahren hätten demnach 73 Elektrobusse im Fuhrpark, das ist die Anzahl bei den Stadtwerken Münster im Frühjahr 2024, über 1 Million Euro erbracht.

Eine stolze und recht simpel einzuspielende Summe, die Versorger gerne jährlich einplanen würden. Zumal jede Kilowattstunde, die E-Mobilisten an ihren Ladestationen zapfen, zusätzlich Geld in die THG-Kasse spült, seinerzeit bis zu 19 Cent. Dummerweise ist der Quotenmarkt verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Mehr zugelassene E-Autos verlangen ihren Teil vom Kuchen, Mineralölkonzerne setzen selbst Ladesäulen in die Welt und reduzieren so ihren Zertifikatebedarf, mehr eingesetzte Kohle macht den Strommix grauer und verringert den Klimaschutzbeitrag von Elektrofahrzeugen.

Einnahmen in Münster um zwei Drittel gefallen

Ergebnis ist der besagte Werteverfall im THG-Quotenhandel: Für eine zugekaufte Tonne eingesparten CO2 müssen Mineralölfirmen weniger tief in die Tasche greifen; ein Bus ist heute vielleicht 3.500 Euro wert, auch die Kilowattstunde Ladestrom bringt nur noch etwa 5 Cent. Für die Stadtwerke Münster ein deutlicher Verlust angesichts einer Menge von 3.000 Tonnen CO2 oder 3,5 bis 5 Millionen kWh, die sie jährlich an den Markt bringen.

Die Erlöse der Westfalen, gespeist zu 90 Prozent über Elektrobusse und 10 Prozent über Ladesäulenstrom, seien 2023 folglich um 66 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, sagt die Sprecherin. Das sei wirtschaftlich zu verkraften, „weil der THG-Quotenhandel kein tragender Ast unserer Geschäftstätigkeit ist“. Dennoch sei eine „stabilere Marktsituation“ aus Sicht der Stadtwerke als „Anbieterin nachhaltiger Mobilitätslösungen“ zu begrüßen.

Mindereinnahmen änderten nichts daran, dass das System des Quotenhandels eine gute Idee sei, findet Maximilian Stein, der auch Gründer der Plattform „wirkaufendeinethg.de“ ist. Er hält es für „marktwirtschaftlich extrem sinnvoll“, die Energiewende im Verkehrssektor maßgeblich durch jene finanzieren zu lassen, die die klimaschädlichen Kraftstoffe in den Markt bringen.

Beim (inzwischen abgeschafften) Umweltbonus habe die Allgemeinheit den Kauf von kostspieligen Elektroautos subventioniert. „Jetzt erfolgt der Umstieg auf den freien Markt, ohne den Einsatz von Steuergeldern ist es fairer“, so Maximilian Stein. Der Staat müsse allerdings die Rahmenbedingungen nachjustieren.

Das findet auch Nikolai Falter (BET), der auf die Diskussion über eine höhere Minderungsquote für die Mineralölfirmen verweist. Das könne den Zertifikatekauf wieder ankurbeln − und ist auch ganz im Sinne von Landwärme, einem großen Biomethanversorger in Europa. Das Unternehmen handelt selbst mit THG-Quoten, für Biomethan als Kraftstoff bis hin zu Ladestrom. Im November 2023 trat Landwärme dem Bundesverband THG-Quote bei, laut Geschäftsführer Zoltan Elek mit dem Ziel, „den Markt der THG-Quoten im Dialog mit Politik und Gesellschaft wirtschaftlich, effizient sowie fair mitzugestalten, damit der Klimaschutz weiter vorankommt“.

Dass eine Vielzahl von Stadtwerken eigene Geschäftsmodelle über den Quotenhandel entwickelt hat, sieht Nikolai Falter derweil nicht. In der Frühphase bestand zum Beispiel die Chance, ein gutes Paket aus Wallbox, Solaranlage, Speicher, Ladestrom und smartem Messgerät für Kunden zu schnüren und im Gegenzug die THG-Quote einzuheimsen. „Die meisten Stadtwerke haben von dem Aufwand abgesehen und nutzen selbst die Angebote anderer Dienstleister“, sagt Nikolai Falter. Das gilt auch für die Stadtwerke Münster, die es laut Sprecherin (auch wirtschaftlich) für sinnvoller halten, Aufgaben wie Zertifizierungen, Akquise und Preisverhandlungen auszulagern.

Mint Future übernimmt solche Aufgaben unter anderen für die Stadtwerke Celle, Garbsen, Rodgau oder Neustadt am Rübenberge. Der White-Label-Anbieter belässt es laut Maximilian Stein nicht bei der Rolle als Quotenhändler. Die Plattform erlaubt es Stadtwerken auch, die Kunden per Schieberegler in einer App über die Höhe der Ausschüttung entscheiden zu lassen. Nimmt ein E-Autofahrer nicht die volle ihm zustehende Summe, steckt der Versorger den Restbetrag in nachhaltige Projekte.

ofern Mint Future die THG-Quote direkt für Privatkunden handelt, behält das Unternehmen 10 Prozent des Erlöses für sich. Gelangt ein Kunde über eine Stadtwerke-App ins System, sind es nur 6 Prozent, weil Mint Future über die 90 Prozent für den privaten E-Mobilisten hinaus den Stadtwerken eine Provision von 4 Prozent einräumt. Den eigenen Verzicht verbinden die Osnabrücker mit dem Rat an die Stadtwerke, ihren Anteil für Kundenbindung einzusetzen, in Form von Gutschriften oder Prämien etwa für Stromverträge.

Zum anderen versucht Mint Future, seinen Geschäftskunden über die THG-Quote hinaus Zusatzgeschäfte zu ermöglichen. Die Osnabrücker werben dafür mit ihrer Palette an Vertragspartnern, die von Stadtwerken über Versicherungskonzerne bis hin zu Autohäusern und Werkstätten reicht. Sie alle hätten Berührungspunkte zur Mobilität, sagt Maximilian Stein. Über die Plattform ließen sich so vernetztes Marketing und Kundenakquise betreiben. Die App könne Stadtwerkekunden zum Beispiel Angebote von Autoversicherungen einspielen, bei Autokäufern könne ein Versorger für seinen Ökostromtarif werben. So gesehen beflügelt die THG-Quote offenbar weiterhin die Fantasie, über die von leicht und schnell verdientem Geld hinaus.
 
Jeder Bus ein Quotenbringer: Die Stadtwerke Münster profitieren von der THG-Prämie, die Einnahmen durch die Elektroflotte schrumpfen aktuell aber enorm Quelle: SW Münster

 

Donnerstag, 4.04.2024, 08:57 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Launische Treibhausgasquoten
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Launische Treibhausgasquoten
Der Handel mit THG-Quoten beschert Stadtwerken im Idealfall teils beträchtliche Mehreinnahmen. Ein neues Geschäftsmodell mit der eigenen Kundschaft ist eher selten entstanden.
Zwischen Neu-Isenburg und Solingen liegt nicht nur die Ländergrenze Hessens und Nordrhein-Westfalens. Die beiden Städte trennt auch der Umgang ihrer Versorger mit der Treibhausgasquote (THG-Quote) im Mobilitätssektor. Während Privatleute ihr Elektroauto über die Stadtwerke Neu-Isenburg im laufenden Jahr noch für 100 Euro Prämie registrieren lassen können, gibt es in der Klingenstadt diesen Service nicht mehr.

Die Stadtwerke Solingen konnten Interessierten schon für 2023 „nicht mehr annähernd so gute Angebote machen wie 2022“, so eine Sprecherin gegenüber E&M. Entsprechend stellte der Versorger die Dienstleistung ein. Sie besteht darin, beim Umweltbundesamt für Elektroautofahrer das THG-Zertifikat zu beantragen und später die Prämie bis auf eine geringe Vermittlungsprovision auszuzahlen. Neu-Isenburg dagegen ist weiter im Spiel und im Wettbewerb mit anderen Quotenhändlern, etwa neu gegründeten Aggregatoren. Diese wollen − wie auch der Automobilclub ADAC − eine möglichst große Menge an Privat- und Firmenfahrzeugen bündeln, um im Quotenhandel eine gewisse Marktmacht und entsprechende Erlöse zu erhalten. Nach dem Motto: Viel bringt viel.

Allerdings ist der Wert einer eingesparten Tonne CO2 in den Keller gerauscht, von einst mehr als 400 Euro auf weniger als ein Viertel. Damit fällt auch der im Quotenhandel zu erzielende Erlös von E-Fahrzeugen. Für Stadtwerke ist dieser Teil des THG-Quotengeschäfts, der privaten E-Autohaltern die Bürokratie abnimmt, wegen des geringen Mitverdienstes also vernachlässigbar. Versorger seien allerdings „gut beraten, für sich selbst einen aufwandsarmen Zugewinn mitzunehmen“, sagt Nikolai Falter, Berater Elektromobilität und Klimaneutralität beim Aachener Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET).

Unkenntnis kostet Versorger Tausende Euro

Diese leicht zu verbuchende Einnahme generieren Stadtwerke im Quotenhandel durch die Vermarktung der eigenen Aktivitäten, die den Verkehr dekarbonisieren. Dazu zählen der Ersatz von Dieselbussen durch Elektrobusse, die Umstellung des eigenen Fuhrparks auf Stromer sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur. Allein bei einer entsprechenden Anzahl von Elektrobussen dürften größere Stadtwerke in den besten Jahren durchaus mehrere Hunderttausend Euro eingenommen haben.

Sofern sie denn aktiv wurden. „Bis heute nehmen nicht alle Stadtwerke am Quotenhandel teil“, sagt etwa Maximilian Stein. Der Geschäftsführer der „mint future GmbH“, einem Aggregator aus Osnabrück, kennt aus Vertragsgesprächen Vorbehalte von Versorgern, die aus Sorge um eine Doppelförderung keine THG-Prämie für ihre E-Busse beantragen wollten. Schließlich trage der Staat doch bereits die Mehrkosten im Vergleich zur Anschaffung eines Dieselbusses.

Unkenntnis kostet in solchen Fällen Einnahmen: Die THG-Quote ist im Verkehrssektor ein unabhängiges Instrument, um die Antriebswende zu forcieren. Sie fragt nur nach dem Halter eines E-Fahrzeugs und reicht ihm Geld durch, das Mineralölfirmen in den Topf tun, um ihre gesetzlich festgelegte Minderungsquote für schädliche Abgase zu erfüllen. Und der Topf ist groß: 2022 waren etwa 500 Millionen Euro zu verteilen, bis Ende des Jahrzehnts könnten es mehrere Milliarden Euro werden. Er wächst mit der Aufgabe der Ölkonzerne, die durch ihre Kraftstoffe verursachten Emissionen von derzeit 9,25 Prozent bis 2030 auf 25 Prozent zu senken.

Und dabei ist es für Stadtwerke mit Standbein „öffentlicher Nahverkehr“ doch so einfach. Elektrobusse sind im Quotenhandel die Cash Cows, weil ihre CO2-Einsparung enorm ist. Der ADAC als Quotenzwischenhändler zum Beispiel reichte für einen E-Pkw im Jahr 2022 als Fixprämie noch 370 Euro an Mitglieder weiter. Für einen E-Bus schüttete der Automobilclub 14.000 Euro aus, beinahe 40-mal so viel. Vor zwei Jahren hätten demnach 73 Elektrobusse im Fuhrpark, das ist die Anzahl bei den Stadtwerken Münster im Frühjahr 2024, über 1 Million Euro erbracht.

Eine stolze und recht simpel einzuspielende Summe, die Versorger gerne jährlich einplanen würden. Zumal jede Kilowattstunde, die E-Mobilisten an ihren Ladestationen zapfen, zusätzlich Geld in die THG-Kasse spült, seinerzeit bis zu 19 Cent. Dummerweise ist der Quotenmarkt verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Mehr zugelassene E-Autos verlangen ihren Teil vom Kuchen, Mineralölkonzerne setzen selbst Ladesäulen in die Welt und reduzieren so ihren Zertifikatebedarf, mehr eingesetzte Kohle macht den Strommix grauer und verringert den Klimaschutzbeitrag von Elektrofahrzeugen.

Einnahmen in Münster um zwei Drittel gefallen

Ergebnis ist der besagte Werteverfall im THG-Quotenhandel: Für eine zugekaufte Tonne eingesparten CO2 müssen Mineralölfirmen weniger tief in die Tasche greifen; ein Bus ist heute vielleicht 3.500 Euro wert, auch die Kilowattstunde Ladestrom bringt nur noch etwa 5 Cent. Für die Stadtwerke Münster ein deutlicher Verlust angesichts einer Menge von 3.000 Tonnen CO2 oder 3,5 bis 5 Millionen kWh, die sie jährlich an den Markt bringen.

Die Erlöse der Westfalen, gespeist zu 90 Prozent über Elektrobusse und 10 Prozent über Ladesäulenstrom, seien 2023 folglich um 66 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, sagt die Sprecherin. Das sei wirtschaftlich zu verkraften, „weil der THG-Quotenhandel kein tragender Ast unserer Geschäftstätigkeit ist“. Dennoch sei eine „stabilere Marktsituation“ aus Sicht der Stadtwerke als „Anbieterin nachhaltiger Mobilitätslösungen“ zu begrüßen.

Mindereinnahmen änderten nichts daran, dass das System des Quotenhandels eine gute Idee sei, findet Maximilian Stein, der auch Gründer der Plattform „wirkaufendeinethg.de“ ist. Er hält es für „marktwirtschaftlich extrem sinnvoll“, die Energiewende im Verkehrssektor maßgeblich durch jene finanzieren zu lassen, die die klimaschädlichen Kraftstoffe in den Markt bringen.

Beim (inzwischen abgeschafften) Umweltbonus habe die Allgemeinheit den Kauf von kostspieligen Elektroautos subventioniert. „Jetzt erfolgt der Umstieg auf den freien Markt, ohne den Einsatz von Steuergeldern ist es fairer“, so Maximilian Stein. Der Staat müsse allerdings die Rahmenbedingungen nachjustieren.

Das findet auch Nikolai Falter (BET), der auf die Diskussion über eine höhere Minderungsquote für die Mineralölfirmen verweist. Das könne den Zertifikatekauf wieder ankurbeln − und ist auch ganz im Sinne von Landwärme, einem großen Biomethanversorger in Europa. Das Unternehmen handelt selbst mit THG-Quoten, für Biomethan als Kraftstoff bis hin zu Ladestrom. Im November 2023 trat Landwärme dem Bundesverband THG-Quote bei, laut Geschäftsführer Zoltan Elek mit dem Ziel, „den Markt der THG-Quoten im Dialog mit Politik und Gesellschaft wirtschaftlich, effizient sowie fair mitzugestalten, damit der Klimaschutz weiter vorankommt“.

Dass eine Vielzahl von Stadtwerken eigene Geschäftsmodelle über den Quotenhandel entwickelt hat, sieht Nikolai Falter derweil nicht. In der Frühphase bestand zum Beispiel die Chance, ein gutes Paket aus Wallbox, Solaranlage, Speicher, Ladestrom und smartem Messgerät für Kunden zu schnüren und im Gegenzug die THG-Quote einzuheimsen. „Die meisten Stadtwerke haben von dem Aufwand abgesehen und nutzen selbst die Angebote anderer Dienstleister“, sagt Nikolai Falter. Das gilt auch für die Stadtwerke Münster, die es laut Sprecherin (auch wirtschaftlich) für sinnvoller halten, Aufgaben wie Zertifizierungen, Akquise und Preisverhandlungen auszulagern.

Mint Future übernimmt solche Aufgaben unter anderen für die Stadtwerke Celle, Garbsen, Rodgau oder Neustadt am Rübenberge. Der White-Label-Anbieter belässt es laut Maximilian Stein nicht bei der Rolle als Quotenhändler. Die Plattform erlaubt es Stadtwerken auch, die Kunden per Schieberegler in einer App über die Höhe der Ausschüttung entscheiden zu lassen. Nimmt ein E-Autofahrer nicht die volle ihm zustehende Summe, steckt der Versorger den Restbetrag in nachhaltige Projekte.

ofern Mint Future die THG-Quote direkt für Privatkunden handelt, behält das Unternehmen 10 Prozent des Erlöses für sich. Gelangt ein Kunde über eine Stadtwerke-App ins System, sind es nur 6 Prozent, weil Mint Future über die 90 Prozent für den privaten E-Mobilisten hinaus den Stadtwerken eine Provision von 4 Prozent einräumt. Den eigenen Verzicht verbinden die Osnabrücker mit dem Rat an die Stadtwerke, ihren Anteil für Kundenbindung einzusetzen, in Form von Gutschriften oder Prämien etwa für Stromverträge.

Zum anderen versucht Mint Future, seinen Geschäftskunden über die THG-Quote hinaus Zusatzgeschäfte zu ermöglichen. Die Osnabrücker werben dafür mit ihrer Palette an Vertragspartnern, die von Stadtwerken über Versicherungskonzerne bis hin zu Autohäusern und Werkstätten reicht. Sie alle hätten Berührungspunkte zur Mobilität, sagt Maximilian Stein. Über die Plattform ließen sich so vernetztes Marketing und Kundenakquise betreiben. Die App könne Stadtwerkekunden zum Beispiel Angebote von Autoversicherungen einspielen, bei Autokäufern könne ein Versorger für seinen Ökostromtarif werben. So gesehen beflügelt die THG-Quote offenbar weiterhin die Fantasie, über die von leicht und schnell verdientem Geld hinaus.
 
Jeder Bus ein Quotenbringer: Die Stadtwerke Münster profitieren von der THG-Prämie, die Einnahmen durch die Elektroflotte schrumpfen aktuell aber enorm Quelle: SW Münster

 

Donnerstag, 4.04.2024, 08:57 Uhr
Volker Stephan

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