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Energie & Management > Österreich -
Quelle: Fotolia.com, YuI
Österreich

"Lage auf Energiemärkten dramatisch wie nie"

Laut Regulierer E-Control ist die Lage auf den Energiemärkten von ungekannten Herausforderungen geprägt. Zu bewältigen seien diese nur mit Sachlichkeit und Infrastrukturausbau.
„Die Lage auf den Energiemärkten war noch nie so dramatisch wie jetzt“, konstatierte Wolfgang Urbantschitsch, der Vorstand der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control, am 20. Juni in Wien bei der Fachtagung „Energiemärkte in Bewegung“, zu der er und sein Kollege Alfons Haber eingeladen hatten.

Urbantschitsch erläuterte, die Liberalisierung von 20 Jahren sei ein geplanter Umbruch gewesen. Auf die derzeitigen Entwicklungen habe sich dagegen niemand vorbereiten können: „Wir alle, die Energiepolitiker, die Behörden, die Energieversorger und natürlich die Kundinnen und Kunden, sind mitten in diesen enormen Herausforderungen. Und der Höhepunkt der Preissteigerungen ist noch nicht überschritten.“ Urbantschitsch zufolge funktioniert das europäische Energiemarktmodell „im Prinzip“ nach wie vor. Es habe sich indessen als „nicht sehr stressresistent“ erwiesen. In ganz Europa, bestehe weiters eine erhebliche Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland, speziell in Österreich sei diese „enorm“.

Urbantschitsch empfahl, „mit Ruhe und Sachlichkeit an die Situation heranzugehen und die anstehenden Fragen transparent zu diskutieren“. Bezüglich Erdgas bestehe die Notwendigkeit, die unmittelbaren Auswirkungen der gesunkenen Gasexporte aus Russland zu verringern. Dazu gehöre, den Verbrauch zu reduzieren, die Gasspeicher so weit wie möglich aus anderen Quellen zu füllen und sich auf einen vollständigen Lieferstopp vorzubereiten. Sinn ergebe ferner die Rückkehr zur Verstromung von Kohle und, wie von manchen Industrieunternehmen vorbereitet, von Erdöl.
 
 
Was die Endkunden betrifft, müsse die Politik die Preissteigerungen bei Erdgas und bei Strom abfedern, wie dies seitens des Bundes, aber auch mancher Bundesländer, bereits erfolge. Und Urbantschitsch fügte hinzu: „Die große Änderung des europäischen Marktmodells, die die Preise sofort senkt, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben.“ Hilfreich wäre ihm zufolge aber zweifellos die weitere Integration der Strommärkte der EU-Mitgliedsstaaten.

Als unverzichtbar erachtet Urbantschitsch den Ausbau der Infrastruktur für die Stromversorgung: „Wir brauchen Kraftwerke, wir brauchen Leitungen, wir brauchen Speicher. Ihre Errichtung scheitert leider oft an der Akzeptanz seitens der Bevölkerung.“ Urbantschitsch rief die energiepolitisch Verantwortlichen und die Energieunternehmen auf, „hinauszugehen und zu verkünden: Wir benötigen die Infrastruktur. Und man sollte klar sagen: Wer gegen deren Ausbau ist, ist für die weitere Abhängigkeit von Russland.“

Probleme in Klagenfurt

In welcher Lage sich manche österreichischen Energieversorger zurzeit befinden, schilderte Erwin Smole, der Vorstand der Stadtwerke Klagenfurt in Kärnten. Ihm zufolge sind diese „praktisch ein Online-Energiehändler“. Nur etwa 10 % des an Endkunden verkauften Stroms erzeugt das Unternehmen selbst. Rund 90 % müssen dagegen auf den Großhandelsmärkten zugekauft werden. Das erweist sich infolge des massiven Preisanstiegs als zunehmendes Problem: Die Stadtwerke können die Preissteigerungen nicht 1:1 an die Kunden weitergeben.

Daher wurde kurzfristig überlegt, die Belieferung der Kunden einzustellen, um ein „gewaltiges Minus“ in der Bilanz zu vermeiden. Statt dessen wurden die Strompreise für Haushalte per April um durchschnittlich rund 7,2 % oder 60 Euro pro Jahr erhöht, die Gaspreise um 17,7 % oder 216 Euro pro Jahr. Laut Smole zeigten die großteils „sehr treuen und langjährigen Kunden“ Verständnis. Nur etwa 5 % von ihnen wechselten den Versorger. Geplant ist nunmehr eine jährliche Preisanpassung: „Das wird leider nicht anders gehen.“

Warnend ergänzte Smole, die Preiserhöhung im kommenden Jahr könnte „signifikant“ ausfallen: „Das Jahr 2023 wird sicher eine Herausforderung.“ Allerdings hätten gerade die vergangenen Monate gezeigt: „Die Loyalität unserer Kundinnen und Kunden ist gut für uns, aber auch für sie.“ Auf lange Sicht mache sich der regelmäßige Versorgerwechsel nämlich kaum bezahlt: „Wer heuer gewechselt hätte, hätte damit die Kostenersparnis der vergangenen 13 Jahre verloren.“

Um den bestehenden Herausforderungen zu begegnen, setzen die Stadtwerke Klagenfurt laut Smole eine Reihe von Schritten: Sie kaufen den benötigten Strom nicht mehr alleine an den Börsen, sondern bieten ihren Kundinnen und Kunden Einspeiseprodukte an. Wer selbst über eine Photovoltaikanlage verfügt, kann den Stadtwerken nicht benötigten Strom verkaufen. Weiter bietet das Unternehmen vermehrt „Serviceleistungen rund um Energie“ an. Dies umfasst beispielsweise Abrechnungsmodelle für Gemeinschaftsanlagen von Kundinnen und Kunden. Ferner planen die Stadtwerke den weiteren Ausbau der Fernwärme sowie die Errichtung von Biogasanlagen. Auf längere Sicht wollen sie etwa 50 % des Strombedarfs ihrer Kundinnen und Kunden mit eigenen Anlagen decken.

Montag, 20.06.2022, 15:33 Uhr
Klaus Fischer
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"Lage auf Energiemärkten dramatisch wie nie"
Laut Regulierer E-Control ist die Lage auf den Energiemärkten von ungekannten Herausforderungen geprägt. Zu bewältigen seien diese nur mit Sachlichkeit und Infrastrukturausbau.
„Die Lage auf den Energiemärkten war noch nie so dramatisch wie jetzt“, konstatierte Wolfgang Urbantschitsch, der Vorstand der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control, am 20. Juni in Wien bei der Fachtagung „Energiemärkte in Bewegung“, zu der er und sein Kollege Alfons Haber eingeladen hatten.

Urbantschitsch erläuterte, die Liberalisierung von 20 Jahren sei ein geplanter Umbruch gewesen. Auf die derzeitigen Entwicklungen habe sich dagegen niemand vorbereiten können: „Wir alle, die Energiepolitiker, die Behörden, die Energieversorger und natürlich die Kundinnen und Kunden, sind mitten in diesen enormen Herausforderungen. Und der Höhepunkt der Preissteigerungen ist noch nicht überschritten.“ Urbantschitsch zufolge funktioniert das europäische Energiemarktmodell „im Prinzip“ nach wie vor. Es habe sich indessen als „nicht sehr stressresistent“ erwiesen. In ganz Europa, bestehe weiters eine erhebliche Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland, speziell in Österreich sei diese „enorm“.

Urbantschitsch empfahl, „mit Ruhe und Sachlichkeit an die Situation heranzugehen und die anstehenden Fragen transparent zu diskutieren“. Bezüglich Erdgas bestehe die Notwendigkeit, die unmittelbaren Auswirkungen der gesunkenen Gasexporte aus Russland zu verringern. Dazu gehöre, den Verbrauch zu reduzieren, die Gasspeicher so weit wie möglich aus anderen Quellen zu füllen und sich auf einen vollständigen Lieferstopp vorzubereiten. Sinn ergebe ferner die Rückkehr zur Verstromung von Kohle und, wie von manchen Industrieunternehmen vorbereitet, von Erdöl.
 
 
Was die Endkunden betrifft, müsse die Politik die Preissteigerungen bei Erdgas und bei Strom abfedern, wie dies seitens des Bundes, aber auch mancher Bundesländer, bereits erfolge. Und Urbantschitsch fügte hinzu: „Die große Änderung des europäischen Marktmodells, die die Preise sofort senkt, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben.“ Hilfreich wäre ihm zufolge aber zweifellos die weitere Integration der Strommärkte der EU-Mitgliedsstaaten.

Als unverzichtbar erachtet Urbantschitsch den Ausbau der Infrastruktur für die Stromversorgung: „Wir brauchen Kraftwerke, wir brauchen Leitungen, wir brauchen Speicher. Ihre Errichtung scheitert leider oft an der Akzeptanz seitens der Bevölkerung.“ Urbantschitsch rief die energiepolitisch Verantwortlichen und die Energieunternehmen auf, „hinauszugehen und zu verkünden: Wir benötigen die Infrastruktur. Und man sollte klar sagen: Wer gegen deren Ausbau ist, ist für die weitere Abhängigkeit von Russland.“

Probleme in Klagenfurt

In welcher Lage sich manche österreichischen Energieversorger zurzeit befinden, schilderte Erwin Smole, der Vorstand der Stadtwerke Klagenfurt in Kärnten. Ihm zufolge sind diese „praktisch ein Online-Energiehändler“. Nur etwa 10 % des an Endkunden verkauften Stroms erzeugt das Unternehmen selbst. Rund 90 % müssen dagegen auf den Großhandelsmärkten zugekauft werden. Das erweist sich infolge des massiven Preisanstiegs als zunehmendes Problem: Die Stadtwerke können die Preissteigerungen nicht 1:1 an die Kunden weitergeben.

Daher wurde kurzfristig überlegt, die Belieferung der Kunden einzustellen, um ein „gewaltiges Minus“ in der Bilanz zu vermeiden. Statt dessen wurden die Strompreise für Haushalte per April um durchschnittlich rund 7,2 % oder 60 Euro pro Jahr erhöht, die Gaspreise um 17,7 % oder 216 Euro pro Jahr. Laut Smole zeigten die großteils „sehr treuen und langjährigen Kunden“ Verständnis. Nur etwa 5 % von ihnen wechselten den Versorger. Geplant ist nunmehr eine jährliche Preisanpassung: „Das wird leider nicht anders gehen.“

Warnend ergänzte Smole, die Preiserhöhung im kommenden Jahr könnte „signifikant“ ausfallen: „Das Jahr 2023 wird sicher eine Herausforderung.“ Allerdings hätten gerade die vergangenen Monate gezeigt: „Die Loyalität unserer Kundinnen und Kunden ist gut für uns, aber auch für sie.“ Auf lange Sicht mache sich der regelmäßige Versorgerwechsel nämlich kaum bezahlt: „Wer heuer gewechselt hätte, hätte damit die Kostenersparnis der vergangenen 13 Jahre verloren.“

Um den bestehenden Herausforderungen zu begegnen, setzen die Stadtwerke Klagenfurt laut Smole eine Reihe von Schritten: Sie kaufen den benötigten Strom nicht mehr alleine an den Börsen, sondern bieten ihren Kundinnen und Kunden Einspeiseprodukte an. Wer selbst über eine Photovoltaikanlage verfügt, kann den Stadtwerken nicht benötigten Strom verkaufen. Weiter bietet das Unternehmen vermehrt „Serviceleistungen rund um Energie“ an. Dies umfasst beispielsweise Abrechnungsmodelle für Gemeinschaftsanlagen von Kundinnen und Kunden. Ferner planen die Stadtwerke den weiteren Ausbau der Fernwärme sowie die Errichtung von Biogasanlagen. Auf längere Sicht wollen sie etwa 50 % des Strombedarfs ihrer Kundinnen und Kunden mit eigenen Anlagen decken.

Montag, 20.06.2022, 15:33 Uhr
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