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Energie & Management > Politik - Habeck will Netzkosten über längere Zeit strecken
Quelle: E&M / Harmsen
Politik

Habeck will Netzkosten über längere Zeit strecken

Der Bundeswirtschaftsminister erwägt, die Refinanzierung des Netzausbaus für die Energiewende zeitlich zu strecken. Ein „Amortisationskonto“ soll die hohen Kosten auffangen.
Aktuell sinken die Börsenstrompreise wieder, weil die Energiekrise vorbei ist, die der russische Angriff auf die Ukraine ausgelöst hatte. Doch für die Verbraucherinnen und Verbraucher verharren die Strompreise auf hohem Niveau oder steigen sogar.

Grund sind die Nebenkosten. Der Staat hat bereits die Umlage für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG) in den Haushalt übernommen, um die Strompreise zu entlasten. Doch der Netzausbau für die Energiewende auf allen Spannungsebenen kostet hunderte Milliarden Euro, die nach aktueller Rechtslage pro kWh als Netzentgelt von den Verbrauchern bezahlt werden.

Dies konterkariert Bemühungen, für den Klimaschutz mehr Strom einzusetzen, sowohl in der Produktion wie für die Heizung und in Fahrzeugen. Deshalb sucht das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) nach Auswegen. Im Bundeshaushalt ist kein Geld für weitere Zuschüsse in den Netzausbau vorgesehen, wie zuerst geplant. Minister Robert Habeck (Grüne) sagte dem Wochenblatt Zeit, dass derzeit verschiedene Modelle gutachterlich geprüft werden, um die Netzkosten anders zu verteilen.

So könne ein „Amortisationskonto“ die Refinanzierungskosten des Netzausbaus zeitlich strecken. „Das Netz muss jetzt ausgebaut werden, aber wenn wir alle Kosten sofort auf die Kunden umlegen, würde es für sie sehr teuer“, so Habeck in dem Interview. „Wünschenswert wäre, dass wir zum nächsten Jahr eine Lösung haben, um die Netzentgelte zu stabilisieren“, setzte er hinzu.

Auch für den Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes sei ein Amortisationskonto geplant. Dieses soll die Kosten für die Investoren zwischenfinanzieren. Dabei rechnet man erst bis zum Jahr 2055 damit, die Kosten über Netzentgelte wieder einzuspielen.

Konzept der zeitlichen Streckung

Die Differenz zwischen den anfangs hohen Baukosten und den durch Netzentgelte eingespielten Einnahmen soll demnach zunächst als Fehlbetrag verbucht werden. Wenn nach und nach die Einnahmen aus den Netzentgelten die auflaufenden Kosten für Aufbau und Betrieb der Infrastruktur übersteigen, kann das Konto ausgeglichen werden.

Beim Wasserstoff-Kernnetz soll der Bund gemeinsam mit einem Selbstbehalt der Betreiber in Höhe von 24 Prozent den zu erwartenden Fehlbetrag ausgleichen. Dieser Regierungsentwurf wird derzeit im Bundestag verhandelt.

Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, unterstützt Habecks Idee. Die Option direkter staatlicher Finanzierung von Netzinfrastruktur solle in diesem Prozess aber nicht verdrängt werden, mahnte sie. „Angesichts absehbarer Klimawandel-Folgeschäden werden in den kommenden Jahrzehnten noch weitere Kostenlasten hinzutreten“, prognostiziert Scheer.

Auch der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) nennt das Amortisationskonto einen guten Vorschlag. „Wichtig ist, dass dieses Konto auch für den Ausbau der Stromverteilnetze gedacht ist, der Bundes-, Kreis-, Land- und Stadtstraßen des Energiesystems“, erinnerte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Es seien nämlich gerade die örtlichen Netzbetreiber, die die erneuerbaren Energien, die Wärmepumpen oder die E-Autos in ihre Netze einbinden müssen.

Koalitionspartner FDP gegen den Vorschlag

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, begrüßte den Versuch, die Stromnetzkosten zu deckeln. Allerdings werde es keine FDP-Beteiligung an einer „schuldenbasierten Konzeption“ geben. „Anstatt zu überlegen, wie die Kostenexplosion neue Schulden verursacht, sollte er wirksame Instrumente vorlegen, um den Ausbau der Erneuerbaren günstiger zu machen“, forderte Kruse mit Blick auf Habeck.

Auch die Opposition lehnte den Plan ab. Mark Helfrich, energiepolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, forderte „echte Kostensenkungen beim Netzausbau statt dieser Kostenverschiebung in die Zukunft“. Helfrich vermutet, dass Habeck die hohen Netzentgelte nur in die Zukunft verlagern wolle, „damit ihm diese nicht heute politisch auf die Füße fallen“.

Um bei den Ausbaukosten von etwa 300 Milliarden Euro allein im Übertragungsnetz zu sparen, schlägt die SPD vor, statt kostspieliger Erdkabel wieder mehr Freileitungen zu errichten. Diese sind bis zu einem Viertel preiswerter, führen aber zu Akzeptanzproblemen bei den betroffenen Bürgern. Deshalb hatte die unionsgeführte Bundesregierung im Jahr 2015 Erdkabel beschlossen. Auch Übertragungsnetzbetreiber wie der CEO von 50 Hertz, Stefan Kapferer, würden auf einzelnen Strecken gern vom Erdkabel-Vorrang abweichen.

Donnerstag, 21.03.2024, 14:56 Uhr
Susanne Harmsen
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Habeck will Netzkosten über längere Zeit strecken
Der Bundeswirtschaftsminister erwägt, die Refinanzierung des Netzausbaus für die Energiewende zeitlich zu strecken. Ein „Amortisationskonto“ soll die hohen Kosten auffangen.
Aktuell sinken die Börsenstrompreise wieder, weil die Energiekrise vorbei ist, die der russische Angriff auf die Ukraine ausgelöst hatte. Doch für die Verbraucherinnen und Verbraucher verharren die Strompreise auf hohem Niveau oder steigen sogar.

Grund sind die Nebenkosten. Der Staat hat bereits die Umlage für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG) in den Haushalt übernommen, um die Strompreise zu entlasten. Doch der Netzausbau für die Energiewende auf allen Spannungsebenen kostet hunderte Milliarden Euro, die nach aktueller Rechtslage pro kWh als Netzentgelt von den Verbrauchern bezahlt werden.

Dies konterkariert Bemühungen, für den Klimaschutz mehr Strom einzusetzen, sowohl in der Produktion wie für die Heizung und in Fahrzeugen. Deshalb sucht das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) nach Auswegen. Im Bundeshaushalt ist kein Geld für weitere Zuschüsse in den Netzausbau vorgesehen, wie zuerst geplant. Minister Robert Habeck (Grüne) sagte dem Wochenblatt Zeit, dass derzeit verschiedene Modelle gutachterlich geprüft werden, um die Netzkosten anders zu verteilen.

So könne ein „Amortisationskonto“ die Refinanzierungskosten des Netzausbaus zeitlich strecken. „Das Netz muss jetzt ausgebaut werden, aber wenn wir alle Kosten sofort auf die Kunden umlegen, würde es für sie sehr teuer“, so Habeck in dem Interview. „Wünschenswert wäre, dass wir zum nächsten Jahr eine Lösung haben, um die Netzentgelte zu stabilisieren“, setzte er hinzu.

Auch für den Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes sei ein Amortisationskonto geplant. Dieses soll die Kosten für die Investoren zwischenfinanzieren. Dabei rechnet man erst bis zum Jahr 2055 damit, die Kosten über Netzentgelte wieder einzuspielen.

Konzept der zeitlichen Streckung

Die Differenz zwischen den anfangs hohen Baukosten und den durch Netzentgelte eingespielten Einnahmen soll demnach zunächst als Fehlbetrag verbucht werden. Wenn nach und nach die Einnahmen aus den Netzentgelten die auflaufenden Kosten für Aufbau und Betrieb der Infrastruktur übersteigen, kann das Konto ausgeglichen werden.

Beim Wasserstoff-Kernnetz soll der Bund gemeinsam mit einem Selbstbehalt der Betreiber in Höhe von 24 Prozent den zu erwartenden Fehlbetrag ausgleichen. Dieser Regierungsentwurf wird derzeit im Bundestag verhandelt.

Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, unterstützt Habecks Idee. Die Option direkter staatlicher Finanzierung von Netzinfrastruktur solle in diesem Prozess aber nicht verdrängt werden, mahnte sie. „Angesichts absehbarer Klimawandel-Folgeschäden werden in den kommenden Jahrzehnten noch weitere Kostenlasten hinzutreten“, prognostiziert Scheer.

Auch der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) nennt das Amortisationskonto einen guten Vorschlag. „Wichtig ist, dass dieses Konto auch für den Ausbau der Stromverteilnetze gedacht ist, der Bundes-, Kreis-, Land- und Stadtstraßen des Energiesystems“, erinnerte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Es seien nämlich gerade die örtlichen Netzbetreiber, die die erneuerbaren Energien, die Wärmepumpen oder die E-Autos in ihre Netze einbinden müssen.

Koalitionspartner FDP gegen den Vorschlag

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, begrüßte den Versuch, die Stromnetzkosten zu deckeln. Allerdings werde es keine FDP-Beteiligung an einer „schuldenbasierten Konzeption“ geben. „Anstatt zu überlegen, wie die Kostenexplosion neue Schulden verursacht, sollte er wirksame Instrumente vorlegen, um den Ausbau der Erneuerbaren günstiger zu machen“, forderte Kruse mit Blick auf Habeck.

Auch die Opposition lehnte den Plan ab. Mark Helfrich, energiepolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, forderte „echte Kostensenkungen beim Netzausbau statt dieser Kostenverschiebung in die Zukunft“. Helfrich vermutet, dass Habeck die hohen Netzentgelte nur in die Zukunft verlagern wolle, „damit ihm diese nicht heute politisch auf die Füße fallen“.

Um bei den Ausbaukosten von etwa 300 Milliarden Euro allein im Übertragungsnetz zu sparen, schlägt die SPD vor, statt kostspieliger Erdkabel wieder mehr Freileitungen zu errichten. Diese sind bis zu einem Viertel preiswerter, führen aber zu Akzeptanzproblemen bei den betroffenen Bürgern. Deshalb hatte die unionsgeführte Bundesregierung im Jahr 2015 Erdkabel beschlossen. Auch Übertragungsnetzbetreiber wie der CEO von 50 Hertz, Stefan Kapferer, würden auf einzelnen Strecken gern vom Erdkabel-Vorrang abweichen.

Donnerstag, 21.03.2024, 14:56 Uhr
Susanne Harmsen

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