Wasserstoff soll eines der Lebenselixiere der Energiewende sein. Elektrolyseure sollen überschüssigen Solarstrom im Sommer und Windenergie dann, wenn zu viel anfällt, für die Wasserstoffproduktion in Elektrolyseuren nutzen. In Zeiten, in denen dann wieder mehr Energie gebraucht wird, kann dieser Wasserstoff dann zur Energieerzeugung genutzt werden. Doch die Technologie ist teuer und in Deutschland trotz Nationaler Wasserstoffstrategie und zahlreichen Projektförderungen allenfalls rudimentär vorhanden. Das wird sich bis 2030 kaum ändern.
Bis dahin sollen 89
Prozent des Stromes regenerativ erzeugt werden − ausgehend von einem derzeitigen Niveau von 50 Prozent erneuerbarer Energien ein gewaltiger Sprung. Deswegen braucht es neben intelligenten Netzen Großspeicher, die man schon heute bauen könnte und die diesen Prozess in den kommenden sieben Jahren abfedern können. Infrage kommen dafür gleich mehrere Technologien, die ihre Skalierbarkeit für Energiewende-Zwecke teils auch schon bewiesen haben.
Eine Kurzstudie des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE aus dem Mai 2022 sieht eine Chance für Batteriegroßspeicher an ehemaligen Kraftwerksstandorten. Dafür wurden verschiedene Szenarien durchgespielt. Benötigt würden jährlich 100
Millionen kWh an elektrischer Speicherkapazität bis 2030, bis 2045 etwa 180
Millionen kWh. "Ein Ergebnis ist, dass es sinnvoll ist, Batteriespeicher an ehemaligen Standorten von fossilen oder Atomkraftwerken zu installieren, da die dort bereits verfügbare Anschlussleistung genutzt werden kann. Bis zu 65
Prozent des bis 2030 in Deutschland benötigten Speicherbedarfs könnte damit gedeckt werden", so die Wissenschaftler.
Schnell verfügbare KurzzeitspeicherStationäre Großspeicher könnten als schnell verfügbare Kurzzeitspeicher große Mengen fluktuierender und regional verteilter Einspeisung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen ins Stromnetz integrieren. Durch eine zeitliche Verschiebung würden sie zudem die Übertragungskapazitäten der Stromnetze besser ausnutzen und damit den benötigten Netzausbau reduzieren.
In der Studie wurden für jede der zehn definierten Regionen Speicherpotenziale ermittelt und der Anschlussleistung der Kraftwerke gegenübergestellt. In Baden-Württemberg etwa stünden 10.200
MW Anschlussleistung zur Verfügung, was für alle berechneten stationären Batteriespeicher (8.700
MW bis 2030) reichen würde. In Nordrhein-Westfalen wären es 16.600
MW und damit nahezu das doppelte der benötigten Anschlussleistung. In der Region Sachsen-Anhalt-Thüringen stehe hingegen die geringste Leistung (1.100
MW für 7.600
MW Speicherbedarf) zur Verfügung.
Doch welche Technologien könnten hier eingesetzt werden? Zum einen sind das herkömmliche Batterien, die den Strom direkt speichern, zum anderen Speicher, die den Strom erst in Wärme verwandeln und diese dann per Generator rückverstromen können.
Stromdirektspeicher1. Redox FlowEine vielversprechende Technologie sind Redox-Flow-Batterien. Sie speichern den Strom in zwei verschiedenen Behältern, die durch eine Membran in einem Elektrolyten-Austausch stehen. Je nach Richtung wird der Speicher be- oder entladen. Entwickelt wurde die Technologie in Deutschland und später in den USA und Japan. Dort kommt sie bereits zur Netzstabilisierung zum Einsatz.
In Deutschland wird sie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und durch die Jenabatteries GmbH
− nach Umbenennung CERQ
− weiterentwickelt. Das Unternehmen musste allerdings im März 2023 Ínsolvenz anmelden. Damit bleibt eine Entwicklung dieser Technologie hin zur industriellen Nutzung mehr als vage. Erste Prototypen laufen auch hierzulande. Da die Speicherdichte mit 0,03
kWh je Kilogramm (zum Vergleich: etwa ein Sechstel von Lithium-Ionen-Batterien) eher gering ist, benötigt man für diese Art der Batterien sehr viel Platz. Dies stellt aber mit Bezug auf die Netzstabilisierung und die Standorte (etwa an Umspannwerken)
weniger ein Problem dar. Der große Vorteil ist der Verzicht auf seltene Metalle und andere kritische Rohstoffe. In Jena wird daran gearbeitet, selbst die Membran aus Kunststoff zu fertigen. Dann wären diese Batterien komplett metallfrei.
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Die Redox-Flow-Batterie kann ganz ohne Metalle auskommen Quelle: CERQ / JenaBatteries GmbH |
2. Natrium-Schwefel-BatterienDiese Batterien sind schon fast eine Standardlösung für stationäre Großbatterien. Sie eignen sich aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften besser als reine Lithium-Ionen-Batterien für die Speicherung. Letztere hingegen sind aufgrund jener Eigenschaften besser, um Frequenzschwankungen auszugleichen. Die EWE
AG hat 2018 etwa in seinem Umspannwerk in Varel nahe Oldenburg (Niedersachsen) eine Hybridlösung aus beiden Technologien installiert. 11.500
kWh
können mittels Lithium-Ionen-Batterie ins Stromnetz abgegeben oder aufgenommen werden, 22.500
kWh
können mittels der Natrium-Schwefel-Batterien zwischengespeichert werden. In der Kombination ist die Anlage nach Angaben des Betreibers besonders gut geeignet, überschüssigen Windstrom aufzunehmen, der dann nicht abgeregelt werden müsste.
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Natrium-Schwefel-Batterien sind das Herzstück der EWE-Anlage in Varel nahe Oldenburg (zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken) Quelle: EWE AG |
3. KeramikDas Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS aus Jena forscht schon seit gut zwanzig Jahren zu Keramik-Speichern aus Natrium-Nickelchlorid. Diese wurden bereits in den 70er Jahren entwickelt und erlebten in den 80ern einen ersten Einsatz in damaligen Elektrofahrzeugen. Der große Vorteil ist, dass sie nur auf heimische Rohstoffe zurückgreifen und die Systemkosten, bezogen auf die Energiedichte, unter 100
Euro/kWh liegen. Damit sind sie günstiger als die Lithium-Technologie mit etwa 110 bis 140
Euro/kWh.
Die Keramikspeicher aus Natrium-Beta-Aluminat bestehen aus einzelnen Zellen mit einer Zellspannung von 2,3
Volt, einer Kapazität von 128
Amperestunden (Ah) und einem Energieinhalt von 0,294
kWh. 5.000
Ladezyklen sind realistisch. Das entspricht einer Lebensdauer von deutlich jenseits zehn Jahren. Die Zellen können zu einer Leistung von mehreren 100
kW bis einigen Megawatt zusammengekoppelt werden.
1. Stahlkern-Hochtemperatur-BatterienAuch mittels Eisen lässt sich Strom speichern, wenn auch über den Umweg hoher Temperaturniveaus. Eisen, respektive Stahlkerne, lassen sich mittels Stroms aufheizen. Diese Wärme wird auf ein gasförmiges Medium übertragen, was wiederum Rundstäbe, ebenfalls aus Stahl, umströmt. So kann die Temperatur von 170
Grad Celcius auf bis zu 650
Grad Celcius angehoben werden. Das reicht aus, um mittels Dampfturbine die Energie rückzuverstromen. Geladen wird in vier bis sechs Stunden, entladen in 24
Stunden.
Der Wirkungsgrad liegt nach Angaben des Herstellers − der Lumenion
GmbH − bei 90 bis 95
Prozent. Eine erste Anlage im Bottroper Weg in Berlin verfügt über eine Kapazität von 2.400
kWh und versorgt 400
Wohnungen mit Wärme. Es erfolgt hier also keine Rückverstromung. Für Europas größte Bio-Frosterei, den "BIO-FROST Westhof" in Dithmarschen (Schleswig-Holstein), nördlich von Hamburg, ist mit 20.000
kWh eine deutlich größere Anlage geplant. Auch hier soll nur die Wärme für die Produktion genutzt werden.
2. SalzStrom lässt sich auch in Nitratsalzen speichern. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nutzt im Projekt "CHESTER" (Compressed heat energy storage for energy from renewable sources) sogenannte Carnot-Batterien. Herzstück ist ein Latentwärmespeicher, der mit 2
Kubikmetern Nitratsalzen gefüllt ist. Eine Hochtemperatur-Wärmepumpe erhitzt mit dem zu speichernden Strom das Salz auf die Schmelztemperatur von 150
Grad Celsius. Die Wärme wird im Lösen der Salzkristallverbindungen gespeichert. Im Gegenprozess überträgt ein zweiter Kreislauf die Wärme zu einer Turbine mit Generator, der wiederum klimaneutralen Strom erzeugt.
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Pilotanlage einer Carnot-Batterie am DLR-Standort Stuttgart (zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken) Quelle: DLR |
3. Schwefel und SchwefelsäureIm Forschungsprojekt "PEGASUS" (Renewable Power Generation by Solar Particle Receiver Driven Sulphur Storage Cycle)
sucht das DLR nach einer weiteren Möglichkeit der Stromspeicherung. Hier kommen Schwefel und Schwefelsäure zum Einsatz. Der Schwefel wird in Kraftwerksturbinen verbrannt und dabei zu Schwefelsäure umgewandelt. Die wiederum lässt sich mithilfe von Sonnenwärme, hier mittels solarthermischer Kraftwerke, CO2-neutral in reinen Schwefel umwandeln, der dann erneut als Brennstoff dienen kann. Das Verfahren ist deshalb attraktiv, weil Schwefel über eine 30-mal höhere Energiedichte verfügt als die oben beschriebenen Salzschmelzen.
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Darstellung des Schwefelkreislaufes (zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken) Quelle: DLR |
4. BetonAls Wärme-Feststoffspeicher kann auch hitzebeständiger Beton dienen. Er eignet sich für Anwendungen bis 400
Grad Celsius. Erste Module wurden bereits getestet. Ihre Speicher-Leistung von je 400
kW ist durchaus beachtlich. Die spezifische Speicherkapazität liegt bei 20 bis
50 kWh pro Kubikmeter. Das norwegische Start-up "EnergyNest" vermarktet genau diese Technologie. In Abu Dhabi wurde auf einer Solarplattform des Masdar-Instituts über die vergangenen drei Jahre ein modular aufgebauter und 1
MW thermisch fassender Betonspeicher erprobt. Der Lebenszyklus wird nach gut 1.000
Testzyklen auf bis zu 50
Jahre geschätzt. In den aus einer Spezialbetonmischung bestehenden Modulen zirkuliert kontaktfrei ein Thermoöl. Selbst dabei waren keinerlei Verschleißerscheinungen zu beobachten. Die Wärmeverluste sind minimal. Das hohe Temperaturniveau von mehreren hundert Grad eignet sich gut für die Rückverstromung mittels Wasserdampf und Generatoren.
5. DruckluftEin Klassiker der Stromspeicherung, der in keine der beiden vorgenannten Kategorien passt, ist der Druckluftspeicher. Doch hat sich diese Technologie nie durchgesetzt. Ein Grund ist der relativ niedrige Wirkungsgrad von 65
Prozent, da bei jeder Kompression Wärme entsteht beziehungsweise verlorengeht. Eignen würde sich als Großspeicher etwa die Einspeisung der komprimierten Luft in große Salzkavernen.
Der weltweit erste Speicher entstand 1978 in Huntorf bei Elsfleth in Niedersachsen. Er ist ein Hybrid aus Druckluftspeicher mit einer Kapazität von 1,2
Millionen kWh
und Gasturbinen-Kraftwerk. Die Turbine leistet 321
MW. Bei dem möglichen Speicherzeitraum von zwei Stunden entspräche das 642.000
kWh. Betrieben wird er heute von Uniper. Der Konzern plant sogar eine Erweiterung der Kapazität um gut ein Drittel.
RWE versuchte in einem alten Salzstock in Sachsen-Anhalt einen Druckluftspeicher von 90 MW zu installieren. Die anfallende Wärme sollte separat genutzt werden. Aus Kostengründen wurden nur Studien durchgeführt und das Demoprojekt letztlich 2016 gestoppt.
Freitag, 21.04.2023, 11:33 Uhr
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