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Energie & Management > Windkraft Onshore - Großprojekt mit Fragezeichen
Quelle: Shutterstock / Blue Planet Studio
Windkraft Onshore

Großprojekt mit Fragezeichen

Die Bürger von Mehring in Oberbayern haben gegen die Errichtung von Windrädern auf dem Gemeindegebiet gestimmt. Sie sollen Teil eines Großprojekts zur Versorgung der Industrie werden.
Um klimaneutral zu werden, braucht es im bayerischen Chemiedreieck zwischen Burghausen (Wacker, OMV-Raffinerie), Mühldorf und Altötting grünen Strom – oder besser gesagt viel grünen Strom. In Zahlen: 5 Milliarden kWh, 8 Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Freistaat, 1 Prozent gerechnet auf ganz Deutschland. Strom aus erneuerbarer Energie – und nicht nur der − ist in Bayern aber Mangelware dank fehlender Windräder und unfertiger Stromtrassen, die ihn von der Küste in den Süden schaffen könnten (wir berichteten).

Um das Dilemma zu lösen, hat die in der Region ansässige Industrie ein großes Windkraftvorhaben auf den Weg gebracht. Im Raum Altötting sollen auf einer Fläche von 5.000 Hektar 40 Windkraftanlagen entstehen, das mit Abstand größte Projekt im Freistaat und das bisher größte in Deutschland. Zehn dieser Anlagen sollten auf dem Gemeindegebiet von Mehring stehen. Ob sie das je tun werden, ist nach dem Bürgerentscheid offen.

Gemeindekassen können profitieren

Zum konkreten Projekt: Die 40 Windturbinen mit je 7,2 MW sollen eine Gesamtleistung von 288 MW bringen, Projektentwickler ist die deutsch-französische Firma Quair, von einer Investitionssumme von 400 Millionen Euro ist die Rede. Der hier erzeugte Strom würde auch Geld in die Gemeindekassen spülen. Wie das Ganze jetzt ausgeht, ist unklar.

Der Mehringer Gemeinderat hatte vor einem Jahr eigentlich einen Grundsatzbeschluss für den Windpark gefasst und auf den Klimawandel, die Bedeutung nachhaltiger Energieversorgung sowie die Sicherung der Arbeitsplätze verwiesen − es geht um Zehntausende. Die Bürgerinitiative „Gegenwind Altötting“, die maßgeblich von einem AfD-Stadtrat angetrieben wird, begründete ihre Gegenposition mit einem gravierenden Eingriff in Natur und Artenvielfalt. Auch gebe es zu wenig Wind in der Region – eine Aussage, der nicht nur die Projektentwickler widersprechen. Die Bayerischen Staatsforsten, auf deren Gelände die Windräder errichtet werden sollen, teilten dem Bayerischen Rundfunk mit, dass das Gesamtprojekt auf jeden Fall umgesetzt werde – unabhängig von der Wahlentscheidung der Mehringer.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) war auf Bitten der Chemieindustrie im Vorfeld der Abstimmung nach Mehring gekommen, um für den Windpark zu werben. Dabei hatte er unter anderem gesagt, das Projekt würde durch die Freiflächen, die im Fichtenbestand für die Windräder entstehen, der Ökologie und Artenvielfalt eher nutzen. In einer ersten Stellungnahme zum Bürgerbegehren erklärte er am 29. Januar: „Die Entscheidung der Bürger von Mehring zeigt, dass sie mehrheitlich von der bisherigen Planung nicht überzeugt sind. Es gilt jetzt zu prüfen, wie das Windenergie-Projekt weitergeführt wird. Ich bin nach wie vor dafür, Windräder in der Region zu errichten, um erneuerbare Energie für den Chemiepark und die Bürger zu erzeugen.“

Die 40 Windräder, so Aiwanger, würden nicht nur Strom für rund 150.000 Haushalte erzeugen, sondern auch jährlich über 1 Million Euro in die Gemeindekassen spülen, darüber hinaus gebe es Pacht- und Steuereinnahmen sowie Aufträge für die regionale Wirtschaft.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, an dem Projekt eines großen Windparks grundsätzlich festhalten zu wollen. Die Entscheidung in Mehring sei „kein Beinbruch“ und „kein ganz großer Rückschlag“, so Söder. Großes Ziel sei, dass der Windpark komme − und kein „Windpark light“. Es handle sich dabei um ein Herzstück der bayerischen Windstrategie Es gelte die Entscheidung zu respektieren. Man werde aber nun prüfen, wie man damit umgehe und überlegen, ob es einen Plan B gibt.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte: „Man kann nicht jahrelang ohne Folgen gegen Windräder Stimmung machen.“ Er sprach von einem schweren Rückschlag für den Industrie- und Chemiestandort Bayern und für den Klimaschutz. Nötig sei nun eine Öffentlichkeitskampagne und breite Aufklärung über die Notwendigkeit von Windkraft. „In fünf Jahren Aiwanger ist bei der Energiewende, insbesondere beim Wind viel zu wenig passiert. Im Jahr 2023 wurden im Freistaat nur sieben neue Windräder in Bayern gebaut − in ganz Deutschland über 740.“

Auch andere Projekte kommen nicht voran

Am Bürgerbegehren gegen die Windkraftanlagen haben 1.382 von 1.946 Stimmberechtigen eine gültige Stimme abgegeben, was einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent entspricht. 928 Bürger stimmten gegen das Projekt, 454 dafür. 

Der Windpark ist nicht das einzige Projekt, das den Managern der 20 großen Unternehmen im Chemiedreieck Sorgen bereitet. Auch eine neue Höchstspannungstrasse, die Tennet für die sichere Stromversorgung plant, stößt auf Widerstand. Beim zweigleisigen Ausbau und der Elektrifizierung der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing geht es ebenfalls nicht voran: Von einer Fertigstellung in zehn Jahren ist die Rede.

Montag, 29.01.2024, 14:09 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Windkraft Onshore - Großprojekt mit Fragezeichen
Quelle: Shutterstock / Blue Planet Studio
Windkraft Onshore
Großprojekt mit Fragezeichen
Die Bürger von Mehring in Oberbayern haben gegen die Errichtung von Windrädern auf dem Gemeindegebiet gestimmt. Sie sollen Teil eines Großprojekts zur Versorgung der Industrie werden.
Um klimaneutral zu werden, braucht es im bayerischen Chemiedreieck zwischen Burghausen (Wacker, OMV-Raffinerie), Mühldorf und Altötting grünen Strom – oder besser gesagt viel grünen Strom. In Zahlen: 5 Milliarden kWh, 8 Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Freistaat, 1 Prozent gerechnet auf ganz Deutschland. Strom aus erneuerbarer Energie – und nicht nur der − ist in Bayern aber Mangelware dank fehlender Windräder und unfertiger Stromtrassen, die ihn von der Küste in den Süden schaffen könnten (wir berichteten).

Um das Dilemma zu lösen, hat die in der Region ansässige Industrie ein großes Windkraftvorhaben auf den Weg gebracht. Im Raum Altötting sollen auf einer Fläche von 5.000 Hektar 40 Windkraftanlagen entstehen, das mit Abstand größte Projekt im Freistaat und das bisher größte in Deutschland. Zehn dieser Anlagen sollten auf dem Gemeindegebiet von Mehring stehen. Ob sie das je tun werden, ist nach dem Bürgerentscheid offen.

Gemeindekassen können profitieren

Zum konkreten Projekt: Die 40 Windturbinen mit je 7,2 MW sollen eine Gesamtleistung von 288 MW bringen, Projektentwickler ist die deutsch-französische Firma Quair, von einer Investitionssumme von 400 Millionen Euro ist die Rede. Der hier erzeugte Strom würde auch Geld in die Gemeindekassen spülen. Wie das Ganze jetzt ausgeht, ist unklar.

Der Mehringer Gemeinderat hatte vor einem Jahr eigentlich einen Grundsatzbeschluss für den Windpark gefasst und auf den Klimawandel, die Bedeutung nachhaltiger Energieversorgung sowie die Sicherung der Arbeitsplätze verwiesen − es geht um Zehntausende. Die Bürgerinitiative „Gegenwind Altötting“, die maßgeblich von einem AfD-Stadtrat angetrieben wird, begründete ihre Gegenposition mit einem gravierenden Eingriff in Natur und Artenvielfalt. Auch gebe es zu wenig Wind in der Region – eine Aussage, der nicht nur die Projektentwickler widersprechen. Die Bayerischen Staatsforsten, auf deren Gelände die Windräder errichtet werden sollen, teilten dem Bayerischen Rundfunk mit, dass das Gesamtprojekt auf jeden Fall umgesetzt werde – unabhängig von der Wahlentscheidung der Mehringer.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) war auf Bitten der Chemieindustrie im Vorfeld der Abstimmung nach Mehring gekommen, um für den Windpark zu werben. Dabei hatte er unter anderem gesagt, das Projekt würde durch die Freiflächen, die im Fichtenbestand für die Windräder entstehen, der Ökologie und Artenvielfalt eher nutzen. In einer ersten Stellungnahme zum Bürgerbegehren erklärte er am 29. Januar: „Die Entscheidung der Bürger von Mehring zeigt, dass sie mehrheitlich von der bisherigen Planung nicht überzeugt sind. Es gilt jetzt zu prüfen, wie das Windenergie-Projekt weitergeführt wird. Ich bin nach wie vor dafür, Windräder in der Region zu errichten, um erneuerbare Energie für den Chemiepark und die Bürger zu erzeugen.“

Die 40 Windräder, so Aiwanger, würden nicht nur Strom für rund 150.000 Haushalte erzeugen, sondern auch jährlich über 1 Million Euro in die Gemeindekassen spülen, darüber hinaus gebe es Pacht- und Steuereinnahmen sowie Aufträge für die regionale Wirtschaft.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angekündigt, an dem Projekt eines großen Windparks grundsätzlich festhalten zu wollen. Die Entscheidung in Mehring sei „kein Beinbruch“ und „kein ganz großer Rückschlag“, so Söder. Großes Ziel sei, dass der Windpark komme − und kein „Windpark light“. Es handle sich dabei um ein Herzstück der bayerischen Windstrategie Es gelte die Entscheidung zu respektieren. Man werde aber nun prüfen, wie man damit umgehe und überlegen, ob es einen Plan B gibt.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn sagte: „Man kann nicht jahrelang ohne Folgen gegen Windräder Stimmung machen.“ Er sprach von einem schweren Rückschlag für den Industrie- und Chemiestandort Bayern und für den Klimaschutz. Nötig sei nun eine Öffentlichkeitskampagne und breite Aufklärung über die Notwendigkeit von Windkraft. „In fünf Jahren Aiwanger ist bei der Energiewende, insbesondere beim Wind viel zu wenig passiert. Im Jahr 2023 wurden im Freistaat nur sieben neue Windräder in Bayern gebaut − in ganz Deutschland über 740.“

Auch andere Projekte kommen nicht voran

Am Bürgerbegehren gegen die Windkraftanlagen haben 1.382 von 1.946 Stimmberechtigen eine gültige Stimme abgegeben, was einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent entspricht. 928 Bürger stimmten gegen das Projekt, 454 dafür. 

Der Windpark ist nicht das einzige Projekt, das den Managern der 20 großen Unternehmen im Chemiedreieck Sorgen bereitet. Auch eine neue Höchstspannungstrasse, die Tennet für die sichere Stromversorgung plant, stößt auf Widerstand. Beim zweigleisigen Ausbau und der Elektrifizierung der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing geht es ebenfalls nicht voran: Von einer Fertigstellung in zehn Jahren ist die Rede.

Montag, 29.01.2024, 14:09 Uhr
Günter Drewnitzky

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