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Energie & Management > Gastbeitrag - Glück im Unglück? - Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe auf die Energieerzeugung
Quelle: E&M
Gastbeitrag

Glück im Unglück? - Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe auf die Energieerzeugung

EEG- und KWK-Projekte sind schwer von der Hochwasserkatastrophe betroffen. Ob Fristen gehemmt, Pönale vermieden und neue Gebotswerte kalkuliert werden können, erklärt Joachim Held*.
In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie Teilen Bayerns ist es in den vergangenen Wochen aufgrund von starken und lang anhaltenden Regenfällen örtlich zu enormen Überschwemmungen gekommen, welche für die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Energiewirtschaft zu gravierenden Schäden geführt haben. So kam es in Folge des Unwetters zu Stromausfällen und der Zerstörung oder Beschädigung von Stromerzeugungsanlagen sowie wichtiger Netzinfrastruktur.

Neben Fragen zu den Folgen für die Durchsetzung von Pflichten im Rahmen bestehender Energielieferverträge haben die Unwetterschäden zudem Auswirkungen auf bevorstehende oder laufende Ausschreibungsverfahren im Zusammenhang mit der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Kraft-Wärme-Kopplung-Gesetz (KWKG), insbesondere auf Realisierungsfristen. Dies betrifft vor allem aktuell in der Errichtung befindliche Erneuerbare-Energien- oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die durch Hochwasser teilweise beschädigt oder zerstört worden sind.

Realisierungsfristen für Förderungen nach dem EEG und KWKG

Um Förderungen nach dem KWKG sowie EEG für in KWK-Anlagen oder EE-Anlagen erzeugtem Strom erhalten zu können, ist vielfach die Teilnahme an Ausschreibungsverfahren erforderlich. Im Zusammenhang mit der Teilnahme an den Ausschreibungen stehen insbesondere Fristen zur Realisierung für bezuschlagte Projekte. Dies bedeutet, dass bezuschlagte Projekte innerhalb einer gesetzlich vorgegebenen Frist nach öffentlicher Bekanntmachung des Zuschlags durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) umgesetzt werden müssen.

Im Einzelnen müssen Windenergieanlagen an Land nach aktueller Rechtslage 30 Monate (§ 36e Abs. 1 EEG), Solaranlagen 24 Monate (§ 37d Nr. 2 EEG) und Biomasseanlagen 36 Monate nach der öffentlichen Bekanntgabe des Zuschlags in Betrieb genommen werden. Nach alter Rechtslage des EEG 2017 (galt bis zum 1. Januar 2021) betrug die Realisierungsfrist für Biomasseanlagen sogar lediglich 24 Monate. Die Frist für die Inbetriebnahme von KWK-Anlagen beträgt 54 Monate nach Bekanntgabe der Zuschlagserteilung (§ 18 Abs. 1 KWKAusV). Sofern diese Fristen nicht eingehalten werden, drohen unter Umständen Pönalien durch den Übertragungsnetzbetreiber.

Des Weiteren können Zahlungsberechtigungen für Solaranlagen grundsätzlich erst nach Inbetriebnahme der Anlage durch den Betreiber der Solaranlage beantragt werden (§ 38a Abs. 1 Nr. 1 EEG). Durch die Hochwasserkatastrophe könnten Betreiber solcher Anlagen nun vor die Herausforderung gestellt werden, dass aufgrund der Beschädigung oder gar kompletten Zerstörung der Anlagen eine Realisierung der Fertigstellung der bezuschlagten Projekte in der gesetzlich vorgegebenen Frist nicht mehr möglich ist.

Handlungsspielraum am Beispiel Coronakrise

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden die Betreiber vorgenannter Anlagen ebenfalls vor die Herausforderung gestellt, bezuschlagte Projekte in den vorgegebenen Fristen aufgrund der Krise nicht fertigstellen zu können. Hier hat die BNetzA im Jahr 2020 bereits schnell und unbürokratisch gehandelt, indem sie die Realisierungsfristen auf Antrag der bereits bezuschlagten Projekte formlos verlängert und von einer Mitteilung an den Übertragungsnetzbetreiber abgesehen hat, um so auch etwaigen Pönalien vorzubeugen. Ferner war die Beantragung einer Zahlungsberechtigung für Solaranlagen nach Zuschlagserteilung jedoch vor Inbetriebnahme der Anlage − unter Angabe der Verzögerungsgründe − möglich, wenn das Projekt bereits im Marktstammdatenregister registriert wurde. Die Zuschläge verfielen daher nicht.

Außerdem sah die Bundesnetzagentur im Rahmen von neuen Ausschreibungen von einer öffentlichen Bekanntgabe der Zuschlagserteilungen ab, um die gesetzlichen Fristen gar nicht erst in Gang zu setzen. Für EE-Anlagen wurde dies durch den Gesetzgeber sodann in § 104 Abs. 8 EEG 2017 verankert, indem festgeschrieben wurde, dass die Fristen für Ausschreibungen, welche in einem bestimmten Zeitraum erfolgten, um sechs Monate verlängert wurden. § 104 Abs. 8 EEG 2017 findet nach der Übergangsregelung des § 100 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2021 auf Bestandsanlagen weiter Anwendung.

Übertragung der Corona-Maßnahmen auf die Hochwasserkatastrophe

Ein ähnliches Vorgehen ist sicherlich auch sinnvoll für den Umgang mit den vom Hochwasser betroffenen Akteuren der Energiewirtschaft. Auch hier handelt es sich um Folgen einer höheren Gewalt, die für die Betroffenen weder verschuldet noch vorhersehbar gewesen ist. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass sowohl die BNetzA als auch der Gesetzgeber in ähnlicher Weise Hilfestellung leisten werden.

Betroffenen Betreibern von KWK- und EE-Anlagen bleibt zunächst die Möglichkeit, einen begründeten Antrag auf Fristverlängerung bei der BNetzA zu stellen und gegebenenfalls gerichtlich gegen eine negative Entscheidung der Behörde vorzugehen. Und so auch den Gesetzgeber unter Druck zu setzen, sich der gegenwärtigen Problematik anzunehmen.

Je nach Projektstand wird die weitgehende Zerstörung von Erzeugungsanlagen aber auch dazu führen, dass Projekte neu ausgeschrieben werden können. Dann kann mit angepassten Gebotswerten auf die − vor allem für KWK-Anlagen durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geänderte Kostensituation − reagiert werden. So kann vielleicht der ein oder andere Anlagenbetreiber der Hochwasserkatastrophe, insbesondere wenn er für die Schäden an dem Bestandsprojekt ausreichend versichert war, doch auch eine positive Seite abgewinnen.

*Joachim Held, Rechtsanwalt, Rödl & Partner Nürnberg

Donnerstag, 22.07.2021, 11:50 Uhr
Redaktion
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EEG- und KWK-Projekte sind schwer von der Hochwasserkatastrophe betroffen. Ob Fristen gehemmt, Pönale vermieden und neue Gebotswerte kalkuliert werden können, erklärt Joachim Held*.
In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie Teilen Bayerns ist es in den vergangenen Wochen aufgrund von starken und lang anhaltenden Regenfällen örtlich zu enormen Überschwemmungen gekommen, welche für die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Energiewirtschaft zu gravierenden Schäden geführt haben. So kam es in Folge des Unwetters zu Stromausfällen und der Zerstörung oder Beschädigung von Stromerzeugungsanlagen sowie wichtiger Netzinfrastruktur.

Neben Fragen zu den Folgen für die Durchsetzung von Pflichten im Rahmen bestehender Energielieferverträge haben die Unwetterschäden zudem Auswirkungen auf bevorstehende oder laufende Ausschreibungsverfahren im Zusammenhang mit der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Kraft-Wärme-Kopplung-Gesetz (KWKG), insbesondere auf Realisierungsfristen. Dies betrifft vor allem aktuell in der Errichtung befindliche Erneuerbare-Energien- oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die durch Hochwasser teilweise beschädigt oder zerstört worden sind.

Realisierungsfristen für Förderungen nach dem EEG und KWKG

Um Förderungen nach dem KWKG sowie EEG für in KWK-Anlagen oder EE-Anlagen erzeugtem Strom erhalten zu können, ist vielfach die Teilnahme an Ausschreibungsverfahren erforderlich. Im Zusammenhang mit der Teilnahme an den Ausschreibungen stehen insbesondere Fristen zur Realisierung für bezuschlagte Projekte. Dies bedeutet, dass bezuschlagte Projekte innerhalb einer gesetzlich vorgegebenen Frist nach öffentlicher Bekanntmachung des Zuschlags durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) umgesetzt werden müssen.

Im Einzelnen müssen Windenergieanlagen an Land nach aktueller Rechtslage 30 Monate (§ 36e Abs. 1 EEG), Solaranlagen 24 Monate (§ 37d Nr. 2 EEG) und Biomasseanlagen 36 Monate nach der öffentlichen Bekanntgabe des Zuschlags in Betrieb genommen werden. Nach alter Rechtslage des EEG 2017 (galt bis zum 1. Januar 2021) betrug die Realisierungsfrist für Biomasseanlagen sogar lediglich 24 Monate. Die Frist für die Inbetriebnahme von KWK-Anlagen beträgt 54 Monate nach Bekanntgabe der Zuschlagserteilung (§ 18 Abs. 1 KWKAusV). Sofern diese Fristen nicht eingehalten werden, drohen unter Umständen Pönalien durch den Übertragungsnetzbetreiber.

Des Weiteren können Zahlungsberechtigungen für Solaranlagen grundsätzlich erst nach Inbetriebnahme der Anlage durch den Betreiber der Solaranlage beantragt werden (§ 38a Abs. 1 Nr. 1 EEG). Durch die Hochwasserkatastrophe könnten Betreiber solcher Anlagen nun vor die Herausforderung gestellt werden, dass aufgrund der Beschädigung oder gar kompletten Zerstörung der Anlagen eine Realisierung der Fertigstellung der bezuschlagten Projekte in der gesetzlich vorgegebenen Frist nicht mehr möglich ist.

Handlungsspielraum am Beispiel Coronakrise

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden die Betreiber vorgenannter Anlagen ebenfalls vor die Herausforderung gestellt, bezuschlagte Projekte in den vorgegebenen Fristen aufgrund der Krise nicht fertigstellen zu können. Hier hat die BNetzA im Jahr 2020 bereits schnell und unbürokratisch gehandelt, indem sie die Realisierungsfristen auf Antrag der bereits bezuschlagten Projekte formlos verlängert und von einer Mitteilung an den Übertragungsnetzbetreiber abgesehen hat, um so auch etwaigen Pönalien vorzubeugen. Ferner war die Beantragung einer Zahlungsberechtigung für Solaranlagen nach Zuschlagserteilung jedoch vor Inbetriebnahme der Anlage − unter Angabe der Verzögerungsgründe − möglich, wenn das Projekt bereits im Marktstammdatenregister registriert wurde. Die Zuschläge verfielen daher nicht.

Außerdem sah die Bundesnetzagentur im Rahmen von neuen Ausschreibungen von einer öffentlichen Bekanntgabe der Zuschlagserteilungen ab, um die gesetzlichen Fristen gar nicht erst in Gang zu setzen. Für EE-Anlagen wurde dies durch den Gesetzgeber sodann in § 104 Abs. 8 EEG 2017 verankert, indem festgeschrieben wurde, dass die Fristen für Ausschreibungen, welche in einem bestimmten Zeitraum erfolgten, um sechs Monate verlängert wurden. § 104 Abs. 8 EEG 2017 findet nach der Übergangsregelung des § 100 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2021 auf Bestandsanlagen weiter Anwendung.

Übertragung der Corona-Maßnahmen auf die Hochwasserkatastrophe

Ein ähnliches Vorgehen ist sicherlich auch sinnvoll für den Umgang mit den vom Hochwasser betroffenen Akteuren der Energiewirtschaft. Auch hier handelt es sich um Folgen einer höheren Gewalt, die für die Betroffenen weder verschuldet noch vorhersehbar gewesen ist. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass sowohl die BNetzA als auch der Gesetzgeber in ähnlicher Weise Hilfestellung leisten werden.

Betroffenen Betreibern von KWK- und EE-Anlagen bleibt zunächst die Möglichkeit, einen begründeten Antrag auf Fristverlängerung bei der BNetzA zu stellen und gegebenenfalls gerichtlich gegen eine negative Entscheidung der Behörde vorzugehen. Und so auch den Gesetzgeber unter Druck zu setzen, sich der gegenwärtigen Problematik anzunehmen.

Je nach Projektstand wird die weitgehende Zerstörung von Erzeugungsanlagen aber auch dazu führen, dass Projekte neu ausgeschrieben werden können. Dann kann mit angepassten Gebotswerten auf die − vor allem für KWK-Anlagen durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geänderte Kostensituation − reagiert werden. So kann vielleicht der ein oder andere Anlagenbetreiber der Hochwasserkatastrophe, insbesondere wenn er für die Schäden an dem Bestandsprojekt ausreichend versichert war, doch auch eine positive Seite abgewinnen.

*Joachim Held, Rechtsanwalt, Rödl & Partner Nürnberg

Donnerstag, 22.07.2021, 11:50 Uhr
Redaktion

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