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Energie & Management > Klimaschutz - Expertenrat sieht Klimaziele 2030 nicht erreichbar
Quelle: Fotolia / Nicole Effinger
Klimaschutz

Expertenrat sieht Klimaziele 2030 nicht erreichbar

Der Expertenrat für Klimafragen stellt der Bundesregierung beim Klimaschutz kein gutes Zeugnis aus. Sein Fazit: Deutschland droht, die Klimaziele 2030 zu verfehlen. 
Ende Juni vergangenen Jahres hatte der Deutsche Bundestag mit dem neuen Bundes-Klimaschutzgesetz das anvisierte CO2-Minderungsziel hochgeschraubt: Bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen Deutschlands auf minus 65 Prozent (zuvor 55 Prozent) gegenüber 1990 sinken. Bei der Erreichung dieses Zieles setzt der Expertenrat für Klimafragen nun in seinem am 4. November veröffentlichten Gutachten ein großes Fragezeichen. 

Das im September 2020 berufene unabhängige Gremium aus fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen erkennt in Deutschland zu wenig Anstrengung zur Erreichung des Klimaziels 2030. „Im Moment sieht es nicht so aus, als könnten wir die Ziele erreichen“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrates, Brigitte Knopf, bei der Vorstellung des Gutachtens zum Stand der deutschen Klimapolitik in Berlin. „Mit einem ‚Weiter so‘ werden wir die Klimaziele für das Jahr 2030 definitiv nicht erreichen“, prophezeite sie. 

Die Experten ziehen ihre Einschätzung aus der Entwicklung des CO2-Ausstoßes Deutschlands nach dem Jahr 2000. Ratsmitglied Heimer äußerte sich im Konjunktiv: Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten zehn Jahre mehr als verdoppeln.“ Im Industriesektor wäre etwa eine zehnfache und beim Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr erforderlich. 

Effizienzgewinne werden konterkariert

Ein Wermutstropfen: Zwar sei zwischen den Jahren 2000 und 2021 der Ausstoß klimaschädlicher Gase in Deutschland temperaturbereinigt um rund 27 Prozent gesunken. Die Hälfte dieser Minderung würde allein auf das Konto der Energiewirtschaft zurückgehen. Ein stärkerer Verbrauch und Konsum würde dieser Entwicklung jedoch entgegenwirken. Das Gremium sieht erreichte Effizienzgewinne konterkariert − beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen. Der Vorsitzende Hans-Martin Henning nannte ein Beispiel: Schaffe sich jemand ein Elektroauto mit besserer Umweltbilanz als Zweitwagen an und nutze sein altes Auto daneben weiter, sei „überhaupt nichts gewonnen.“ 

Die Fachleute nennen zwar Bausteine, mit denen Deutschland seinem Klimaziel 2030 näher komme, äußern aber Zweifel daran, dass dieses Nachsteuern ausreichen werde. Nötig sei etwa ein forcierter Ausbau erneuerbarer Energien. Bei Solaranlagen und Windparks auf See werde es schwierig, die Ziele zu schaffen, konstatiert Brigitte Knopf, während es bei Windparks an Land besser aussehe. Geräte wie Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, müssten ausgetauscht werden. Eine große Baustelle seien nicht zuletzt grundlegende Verhaltensänderungen seitens der Konsumenten.

Mit Blick auf die vergangenen zwanzig Jahre zieht der Expertenrat in Zweifel, ob sich Klimaziele ohne einen radikalen Paradigmenwechsel erreichen lassen. Als Möglichkeit nennt der Rat etwa die Einführung harter Grenzen für noch zulässige Emissionsmengen. Für die dann noch erlaubten Mengen könnte ein Handelssystem aufgebaut werden. Für die Politik gehe es dann darum, den noch möglichen Verbrauch so zu organisieren, dass Wirtschaft und Gesellschaft damit zurechtkämen. Klimapolitik sei dann nicht mehr überwiegend Emissions-Minderungspolitik, sondern „verstärkt auch Wirtschafts- und Sozialpolitik unter den neuen Rahmenbedingungen der harten Mengengrenze“, so der Expertenrat. 

Das Zweijahresgutachten des Expertenrates ist zum ersten Mal veröffentlicht worden. Wie im Paragraf 12 Absatz 4 des Bundes-Klimaschutzgesetzes festgeschrieben, soll es im Rhythmus von zwei Jahren neu erstellen werden.

Das 247-seitige "Zweijahresgutachten 2022 − Gutachten zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen" steht auf der Internetseite des Expertenrates zum Download bereit. 

Freitag, 4.11.2022, 17:03 Uhr
Davina Spohn
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Expertenrat sieht Klimaziele 2030 nicht erreichbar
Der Expertenrat für Klimafragen stellt der Bundesregierung beim Klimaschutz kein gutes Zeugnis aus. Sein Fazit: Deutschland droht, die Klimaziele 2030 zu verfehlen. 
Ende Juni vergangenen Jahres hatte der Deutsche Bundestag mit dem neuen Bundes-Klimaschutzgesetz das anvisierte CO2-Minderungsziel hochgeschraubt: Bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen Deutschlands auf minus 65 Prozent (zuvor 55 Prozent) gegenüber 1990 sinken. Bei der Erreichung dieses Zieles setzt der Expertenrat für Klimafragen nun in seinem am 4. November veröffentlichten Gutachten ein großes Fragezeichen. 

Das im September 2020 berufene unabhängige Gremium aus fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen erkennt in Deutschland zu wenig Anstrengung zur Erreichung des Klimaziels 2030. „Im Moment sieht es nicht so aus, als könnten wir die Ziele erreichen“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrates, Brigitte Knopf, bei der Vorstellung des Gutachtens zum Stand der deutschen Klimapolitik in Berlin. „Mit einem ‚Weiter so‘ werden wir die Klimaziele für das Jahr 2030 definitiv nicht erreichen“, prophezeite sie. 

Die Experten ziehen ihre Einschätzung aus der Entwicklung des CO2-Ausstoßes Deutschlands nach dem Jahr 2000. Ratsmitglied Heimer äußerte sich im Konjunktiv: Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten zehn Jahre mehr als verdoppeln.“ Im Industriesektor wäre etwa eine zehnfache und beim Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr erforderlich. 

Effizienzgewinne werden konterkariert

Ein Wermutstropfen: Zwar sei zwischen den Jahren 2000 und 2021 der Ausstoß klimaschädlicher Gase in Deutschland temperaturbereinigt um rund 27 Prozent gesunken. Die Hälfte dieser Minderung würde allein auf das Konto der Energiewirtschaft zurückgehen. Ein stärkerer Verbrauch und Konsum würde dieser Entwicklung jedoch entgegenwirken. Das Gremium sieht erreichte Effizienzgewinne konterkariert − beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen. Der Vorsitzende Hans-Martin Henning nannte ein Beispiel: Schaffe sich jemand ein Elektroauto mit besserer Umweltbilanz als Zweitwagen an und nutze sein altes Auto daneben weiter, sei „überhaupt nichts gewonnen.“ 

Die Fachleute nennen zwar Bausteine, mit denen Deutschland seinem Klimaziel 2030 näher komme, äußern aber Zweifel daran, dass dieses Nachsteuern ausreichen werde. Nötig sei etwa ein forcierter Ausbau erneuerbarer Energien. Bei Solaranlagen und Windparks auf See werde es schwierig, die Ziele zu schaffen, konstatiert Brigitte Knopf, während es bei Windparks an Land besser aussehe. Geräte wie Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, müssten ausgetauscht werden. Eine große Baustelle seien nicht zuletzt grundlegende Verhaltensänderungen seitens der Konsumenten.

Mit Blick auf die vergangenen zwanzig Jahre zieht der Expertenrat in Zweifel, ob sich Klimaziele ohne einen radikalen Paradigmenwechsel erreichen lassen. Als Möglichkeit nennt der Rat etwa die Einführung harter Grenzen für noch zulässige Emissionsmengen. Für die dann noch erlaubten Mengen könnte ein Handelssystem aufgebaut werden. Für die Politik gehe es dann darum, den noch möglichen Verbrauch so zu organisieren, dass Wirtschaft und Gesellschaft damit zurechtkämen. Klimapolitik sei dann nicht mehr überwiegend Emissions-Minderungspolitik, sondern „verstärkt auch Wirtschafts- und Sozialpolitik unter den neuen Rahmenbedingungen der harten Mengengrenze“, so der Expertenrat. 

Das Zweijahresgutachten des Expertenrates ist zum ersten Mal veröffentlicht worden. Wie im Paragraf 12 Absatz 4 des Bundes-Klimaschutzgesetzes festgeschrieben, soll es im Rhythmus von zwei Jahren neu erstellen werden.

Das 247-seitige "Zweijahresgutachten 2022 − Gutachten zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen" steht auf der Internetseite des Expertenrates zum Download bereit. 

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Davina Spohn

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