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Energie & Management > Stromnetz - EU-Staaten weiter uneins über Strommarktreform
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Stromnetz

EU-Staaten weiter uneins über Strommarktreform

Das Europäische Parlament hat seine Position zu den Verhandlungen über die Reform der europäischen Strommärkte bekräftigt. Die Mitgliedsstaaten haben das Thema erneut vertagt.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes votierten am Mittag des 14. September in Straßburg für die Vorlage des Industrieausschusses zur Reform des europäischen Strommarktes. Änderungsanträge zugunsten der Förderung von Atomenergie und zum Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken, die vor allem von französischen und polnischen Abgeordneten gestellt wurden, fanden im Plenum keine Mehrheit. Die Vorlage wurde mit breiter Mehrheit (366:186:18) gebilligt. Damit könnte das Parlament in die Verhandlungen mit dem Ministerrat eintreten.

Im Mittelpunkt der Parlamentsposition steht die Absicht der Abgeordneten, die Verbraucher besser vor Preisschwankungen zu schützen. Sie sollen zwischen Festpreis-Verträgen und „dynamischen Preisen“ wählen können und Anspruch auf mehr Information haben. Die Versorger dürfen Haushalten, die ihre Rechnung nicht bezahlen, den Strom nicht abstellen und auch keine Vorauszahlungen verlangen. Sie dürfen ihre Lieferverträge auch nicht einseitig ändern. Die Mitgliedsstaaten müssen Sorge dafür tragen, dass jeder private Haushalt auch dann mit Strom versorgt wird, wenn sein Anbieter insolvent wird.

Jeder Haushalt erhält das Recht, vollkommen formlos bis zu 800 W Leistung zu installieren. Anlagen bis zu dieser Kapazität brauchen nur noch registriert werden, es fallen keine Steuern oder Gebühren an. Außerdem soll es ein Recht auf Weitergabe (energy sharing) geben: Jeder Kleinerzeuger kann seinen Strom formlos per App an jeden Verbraucher in der gleichen Preiszone weitergeben. Dieses Verfahren deckt auch Verträge zwischen Unternehmen ab, die ihren selbst erzeugten Strom (beispielsweise vom Dach eines Supermarktes) an andere verkaufen wollen.

CfD-Förderung auch für Atomkraft

Differenzverträge (CfD) könnten nach dem Willen des Parlamentes für neue Anlagen und für Investitionen geschlossen werden, mit denen die Leistung bestehender Anlagen erhöht wird. Über CfD könnten damit auch Atomkraftwerke gefördert werden, die Ausschreibung müsste jedoch in Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien erfolgen. Bestehende Anlagen oder Laufzeitverlängerungen könnten nicht über CfD gefördert werden.

Zulassen wollen die Abgeordneten auch „vergleichbare Förderinstrumente“, über die „Vergleichbarkeit“ würde die Kommission entscheiden. Außerdem sollen 2,5 Prozent der geförderten erneuerbaren Energie auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden. Diese Mengen werden nicht auf die nationalen Ziele angerechnet. Damit soll das Ziel des Parlamentes, den Anteil der erneuerbaren bis 2030 auf 45 Prozent anzuheben, durch die Hintertüre doch noch erreicht werden. Eine Finanzierung dafür gibt es jedoch noch nicht. Außerdem will das Parlament den Zugang auch kleinerer Unternehmen zu langfristigen Lieferverträgen, sogenannten PPA, verbessern. Die Kommission soll dafür bis Ende nächsten Jahres eine Platform einrichten, auf der man sich über den Markt informieren und PPA abschließen kann. Diese könnten eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Strompreise spielen, sagt der Berichterstatter des Parlamentes, Nicolas Gonzales Casares.

Keine Verständigung erzielte das Parlament darüber, ob und unter welchen Umständen die Einnahmen der Erzeuger gedeckelt werden können. Die Kommission soll beauftragt werden, diese Frage und mögliche Folgen zu untersuchen.

"Bessere Rahmenbedingungen für erneuerbare Energie"

Die konservative EVP-Fraktion ist mit dem Ergebnis der Abstimmung ebenso zufrieden wie die Grünen. Für Investitionen in die erneuerbaren Energie würden durch die CfD bessere Rahmenbedingungen geschaffen, sagt der energiepolitische Sprecher der EVP, Christian Ehler (CDU). Für die energieintensive Industrie seien sie ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung ihrer Kosten. Der EVP sei es gelungen, die Forderung nach Obergrenzen für die Einnahmen „inframarginaler“ Anbieter abzuwehren. Der grüne Abgeordnete Michael Bloss bezeichnet das Votum als „Durchbruch“. Das Parlament habe sich klar gegen fossile Erzeugung und die Atomenergie ausgesprochen. Die erneuerbaren Energie würden in Zukunft die Industrie und die privaten Haushalte mit grünem Strom versorgen. Die Mitgliedsstaaten fordert Bloss auf ihr „Hickhack“ zu beenden und in die Verhandlungen mit dem Parlament einzutreten.

Danach sieht es im Augenblick allerdings nicht aus. Die Energieminister konnten sich bislang nicht darüber verständigen, ob Atomkraftwerke über sogenannte Differenzverträge (CfD) gefördert werden dürfen. Die französische Regierung fordert das für alle AKW, Deutschland lehnt diese Forderung ab. Die polnische Regierung will Kohlekraftwerke, die mehr als 550 Gramm CO2/kWh ausstoßen, noch bis 2028 im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) einsetzen. Auch darüber konnte sich der Rat der Energieminister bislang nicht verständigen. Die Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten sollten in dieser Woche einen neuen Versuch unternehmen, die unterschiedlichen Standpunkt anzunähern. Die Diskussion wurde aber auf Ende September vertagt.

Donnerstag, 14.09.2023, 15:33 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Stromnetz - EU-Staaten weiter uneins über Strommarktreform
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
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Das Europäische Parlament hat seine Position zu den Verhandlungen über die Reform der europäischen Strommärkte bekräftigt. Die Mitgliedsstaaten haben das Thema erneut vertagt.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes votierten am Mittag des 14. September in Straßburg für die Vorlage des Industrieausschusses zur Reform des europäischen Strommarktes. Änderungsanträge zugunsten der Förderung von Atomenergie und zum Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken, die vor allem von französischen und polnischen Abgeordneten gestellt wurden, fanden im Plenum keine Mehrheit. Die Vorlage wurde mit breiter Mehrheit (366:186:18) gebilligt. Damit könnte das Parlament in die Verhandlungen mit dem Ministerrat eintreten.

Im Mittelpunkt der Parlamentsposition steht die Absicht der Abgeordneten, die Verbraucher besser vor Preisschwankungen zu schützen. Sie sollen zwischen Festpreis-Verträgen und „dynamischen Preisen“ wählen können und Anspruch auf mehr Information haben. Die Versorger dürfen Haushalten, die ihre Rechnung nicht bezahlen, den Strom nicht abstellen und auch keine Vorauszahlungen verlangen. Sie dürfen ihre Lieferverträge auch nicht einseitig ändern. Die Mitgliedsstaaten müssen Sorge dafür tragen, dass jeder private Haushalt auch dann mit Strom versorgt wird, wenn sein Anbieter insolvent wird.

Jeder Haushalt erhält das Recht, vollkommen formlos bis zu 800 W Leistung zu installieren. Anlagen bis zu dieser Kapazität brauchen nur noch registriert werden, es fallen keine Steuern oder Gebühren an. Außerdem soll es ein Recht auf Weitergabe (energy sharing) geben: Jeder Kleinerzeuger kann seinen Strom formlos per App an jeden Verbraucher in der gleichen Preiszone weitergeben. Dieses Verfahren deckt auch Verträge zwischen Unternehmen ab, die ihren selbst erzeugten Strom (beispielsweise vom Dach eines Supermarktes) an andere verkaufen wollen.

CfD-Förderung auch für Atomkraft

Differenzverträge (CfD) könnten nach dem Willen des Parlamentes für neue Anlagen und für Investitionen geschlossen werden, mit denen die Leistung bestehender Anlagen erhöht wird. Über CfD könnten damit auch Atomkraftwerke gefördert werden, die Ausschreibung müsste jedoch in Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien erfolgen. Bestehende Anlagen oder Laufzeitverlängerungen könnten nicht über CfD gefördert werden.

Zulassen wollen die Abgeordneten auch „vergleichbare Förderinstrumente“, über die „Vergleichbarkeit“ würde die Kommission entscheiden. Außerdem sollen 2,5 Prozent der geförderten erneuerbaren Energie auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden. Diese Mengen werden nicht auf die nationalen Ziele angerechnet. Damit soll das Ziel des Parlamentes, den Anteil der erneuerbaren bis 2030 auf 45 Prozent anzuheben, durch die Hintertüre doch noch erreicht werden. Eine Finanzierung dafür gibt es jedoch noch nicht. Außerdem will das Parlament den Zugang auch kleinerer Unternehmen zu langfristigen Lieferverträgen, sogenannten PPA, verbessern. Die Kommission soll dafür bis Ende nächsten Jahres eine Platform einrichten, auf der man sich über den Markt informieren und PPA abschließen kann. Diese könnten eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Strompreise spielen, sagt der Berichterstatter des Parlamentes, Nicolas Gonzales Casares.

Keine Verständigung erzielte das Parlament darüber, ob und unter welchen Umständen die Einnahmen der Erzeuger gedeckelt werden können. Die Kommission soll beauftragt werden, diese Frage und mögliche Folgen zu untersuchen.

"Bessere Rahmenbedingungen für erneuerbare Energie"

Die konservative EVP-Fraktion ist mit dem Ergebnis der Abstimmung ebenso zufrieden wie die Grünen. Für Investitionen in die erneuerbaren Energie würden durch die CfD bessere Rahmenbedingungen geschaffen, sagt der energiepolitische Sprecher der EVP, Christian Ehler (CDU). Für die energieintensive Industrie seien sie ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung ihrer Kosten. Der EVP sei es gelungen, die Forderung nach Obergrenzen für die Einnahmen „inframarginaler“ Anbieter abzuwehren. Der grüne Abgeordnete Michael Bloss bezeichnet das Votum als „Durchbruch“. Das Parlament habe sich klar gegen fossile Erzeugung und die Atomenergie ausgesprochen. Die erneuerbaren Energie würden in Zukunft die Industrie und die privaten Haushalte mit grünem Strom versorgen. Die Mitgliedsstaaten fordert Bloss auf ihr „Hickhack“ zu beenden und in die Verhandlungen mit dem Parlament einzutreten.

Danach sieht es im Augenblick allerdings nicht aus. Die Energieminister konnten sich bislang nicht darüber verständigen, ob Atomkraftwerke über sogenannte Differenzverträge (CfD) gefördert werden dürfen. Die französische Regierung fordert das für alle AKW, Deutschland lehnt diese Forderung ab. Die polnische Regierung will Kohlekraftwerke, die mehr als 550 Gramm CO2/kWh ausstoßen, noch bis 2028 im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) einsetzen. Auch darüber konnte sich der Rat der Energieminister bislang nicht verständigen. Die Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten sollten in dieser Woche einen neuen Versuch unternehmen, die unterschiedlichen Standpunkt anzunähern. Die Diskussion wurde aber auf Ende September vertagt.

Donnerstag, 14.09.2023, 15:33 Uhr
Tom Weingärtner

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