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Energie & Management > Emissionshandel - EP-Beschluss ist
Quelle: Fotolia / thingamajiggs
Emissionshandel

EP-Beschluss ist "Bürokratiemonster"

Der Kompromiss zum Emissionshandel, den das Europäische Parlament erzielt hat, stößt in der Wirtschaft auf wenig Verständnis. Der VKU hält einen Aspekt für "kaum umsetzbar" und unnötig
Der Verband der chemischen Industrie (VCI) befürchtet, dass die Wettbewerbsfähigkeit seiner Mitglieder durch den jetzt vom Europäischen Parlament (EP) beschlossenen Klimazoll (CBAM) beeinträchtigt wird. Es sei zwar offen, ob und wann die Branche davon erfasst wird, sagte VCI-Sprecher Jörg Rothermel: „Die mit den Vorschlägen verbundene Unsicherheit wird Investitionen der Unternehmen erschweren.“ Hinzu komme die Verteuerung der Emissionsrechte. Der Klimazoll, der die Gratiszertifikate für die Branche ersetzen soll, wäre „ein rechtlich unsicheres Bürokratiemonster“. Es eigne sich dazu, Handelskonflikte auszulösen.

Auch der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) ist nicht begeistert von den Beschlüssen des EP. Es sei zwar grundsätzlich richtig, den Emissionshandel (ETS) als wirksamstes Instrument der Klimapolitik auch auf Verkehr und Gebäude als die Sektoren mit dem größten verbliebenen Potenzial zur Emissionssenkung auszuweiten ("ETS2"), sagte VKU-Chef Ingbert Liebing nach der Abstimmung in Brüssel: „Doch der Kompromiss verheddert sich in Komplexität.“ Die vom Parlament getroffene Unterscheidung zwischen gewerblichem Verkehr und Gebäuden einerseits und dem privaten Sektor andererseits sei von den Versorgern „kaum umsetzbar“ und verursache unnötigen Aufwand.

Den Wunsch der Parlamentarier, die Energiewirtschaft solle nur die Hälfte der durch das ETS2 verursachten Kosten an die Verbrauchenden weitergeben, sei in Zeiten steigender Energiepreise zwar nachvollziehbar, sagte Liebing weiter, gebe aber keine Antwort darauf, wer die andere Hälfte bezahlen soll.

Parlamentarier loben sich

Die Parlamentarier selbst waren dagegen überwiegend zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Abstimmung am Nachmittag des 22. Juni. Der Kompromiss sei „gut für das Klima und gut für die Arbeitsplätze“, sagte der Berichterstatter des Parlamentes, der Abgeordnete Peter Liese (CDU). Für seine konservative EVP-Fraktion sei wichtig gewesen, dass der neue Klimazoll (CBAM) gut vorbereitet werde und die kostenlosen Zertifikate für die heimische Industrie erst gestrichen würden, wenn der CBAM „wirklich gut funktioniert“. Beim Klimazoll handele es sich um „ein Mammutprojekt“, für das auch die Akzeptanz der betroffenen Drittstaaten nötig sei.

Wichtig sei auch, dass die Einnahmen aus dem ETS „nicht im allgemeinen Haushalt verschwinden“, sondern der Industrie und den Reedereien für Investitionen zur Verfügung gestellt würden. Lieses Parteikollege Christian Ehler betonte, die Konservativen hätten sich für einen „realistischen Ansatz stark gemacht“. Angesichts des russischen Krieges in der Ukraine brauchten die Unternehmen „Luft zum Atmen“, um die Transformation zu meistern.

Nach Ansicht des klimapolitischen Sprechers der SPD, Timo Wölken, ist es den großen Fraktionen gelungen, eine „ausgewogenere und ehrgeizigere Vereinbarung“ zu treffen, als vor zwei Wochen möglich gewesen wäre. „So signalisieren wir als Parlament, dass der Emissionshandel schneller zur Klimaneutralität beitragen muss.“ Dem Klimasozialfonds würden zusätzliche Mittel zufließen. Das trage zu mehr Fairness bei und stärke die Anreize zur Dekarbonisierung der Wirtschaft.

Grüne: Unzureichend, aber trotzdem ein Erfolg

Die Grünen halten den Kompromiss zwar grundsätzlich für nicht ausreichend, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Es sei aber gelungen, die „fossile Allianz zu zerschlagen“, sagt ihr energiepolitischer Sprecher Michael Bloss. Die Position des Parlamentes gehe über die Vorschläge der Kommission hinaus. Die Einführung des CBAM leite eine europäische und globale Wende zu einer klimafreundlichen Industrieproduktion ein.

Die rechtsgerichtete EKR-Fraktion, die gegen den Kompromiss stimmte, warnte davor, dass Energie noch teurer werde. Es handele sich um ein „sehr riskantes, soziales Experiement, dem die Industrie und die Bürger schutzlos ausgeliefert“ würden. Man setze jetzt auf Korrekturen durch die Mitgliedsstaaten.

Umwelt-NGO uneinheitlich

Umweltschützer erhoffen sich dagegen mehr Klimaschutz von den Verhandlungen des EP mit dem Ministerrat, die nach der Sommerpause beginnen sollen. Nach Ansicht von Carbon Market Watch ist der jetzt beschlossene Kompromiss unzureichend. Die Industrie erhalte danach bis 2030 weitere 5 Milliarden Emissionsrechte kostenlos. Dadurch fehle ihr der Anreiz, die Emissionen zu senken, und die Mitgliedsstaaten hätten weniger Einnahmen, um die Energiewende zu fördern.

Positiver bewertet die Umweltorganisation Transport&Umwelt (T&E) die Beschlüsse. Die Einbeziehung der Seeschifffahrt und des gewerblichen Straßenverkehrs in den Emissionshandel markiere „einen historischen Tag für die Klimapolitik“. Diese Branchen müssten jetzt für ihre Emissionen bezahlen: „Das ist ein großer Schritt hin zu einer gerechten Energiewende.“ Gleichzeitig bedauert T&E, dass 75 % des Verkehrs und der Gebäude nicht in das ETS2 einbezogen werden. Das sei vor allem im Hinblick auf wohlhabende Haushalte nicht gerechtfertigt.

Donnerstag, 23.06.2022, 11:49 Uhr
Tom Weingärtner
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EP-Beschluss ist "Bürokratiemonster"
Der Kompromiss zum Emissionshandel, den das Europäische Parlament erzielt hat, stößt in der Wirtschaft auf wenig Verständnis. Der VKU hält einen Aspekt für "kaum umsetzbar" und unnötig
Der Verband der chemischen Industrie (VCI) befürchtet, dass die Wettbewerbsfähigkeit seiner Mitglieder durch den jetzt vom Europäischen Parlament (EP) beschlossenen Klimazoll (CBAM) beeinträchtigt wird. Es sei zwar offen, ob und wann die Branche davon erfasst wird, sagte VCI-Sprecher Jörg Rothermel: „Die mit den Vorschlägen verbundene Unsicherheit wird Investitionen der Unternehmen erschweren.“ Hinzu komme die Verteuerung der Emissionsrechte. Der Klimazoll, der die Gratiszertifikate für die Branche ersetzen soll, wäre „ein rechtlich unsicheres Bürokratiemonster“. Es eigne sich dazu, Handelskonflikte auszulösen.

Auch der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) ist nicht begeistert von den Beschlüssen des EP. Es sei zwar grundsätzlich richtig, den Emissionshandel (ETS) als wirksamstes Instrument der Klimapolitik auch auf Verkehr und Gebäude als die Sektoren mit dem größten verbliebenen Potenzial zur Emissionssenkung auszuweiten ("ETS2"), sagte VKU-Chef Ingbert Liebing nach der Abstimmung in Brüssel: „Doch der Kompromiss verheddert sich in Komplexität.“ Die vom Parlament getroffene Unterscheidung zwischen gewerblichem Verkehr und Gebäuden einerseits und dem privaten Sektor andererseits sei von den Versorgern „kaum umsetzbar“ und verursache unnötigen Aufwand.

Den Wunsch der Parlamentarier, die Energiewirtschaft solle nur die Hälfte der durch das ETS2 verursachten Kosten an die Verbrauchenden weitergeben, sei in Zeiten steigender Energiepreise zwar nachvollziehbar, sagte Liebing weiter, gebe aber keine Antwort darauf, wer die andere Hälfte bezahlen soll.

Parlamentarier loben sich

Die Parlamentarier selbst waren dagegen überwiegend zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Abstimmung am Nachmittag des 22. Juni. Der Kompromiss sei „gut für das Klima und gut für die Arbeitsplätze“, sagte der Berichterstatter des Parlamentes, der Abgeordnete Peter Liese (CDU). Für seine konservative EVP-Fraktion sei wichtig gewesen, dass der neue Klimazoll (CBAM) gut vorbereitet werde und die kostenlosen Zertifikate für die heimische Industrie erst gestrichen würden, wenn der CBAM „wirklich gut funktioniert“. Beim Klimazoll handele es sich um „ein Mammutprojekt“, für das auch die Akzeptanz der betroffenen Drittstaaten nötig sei.

Wichtig sei auch, dass die Einnahmen aus dem ETS „nicht im allgemeinen Haushalt verschwinden“, sondern der Industrie und den Reedereien für Investitionen zur Verfügung gestellt würden. Lieses Parteikollege Christian Ehler betonte, die Konservativen hätten sich für einen „realistischen Ansatz stark gemacht“. Angesichts des russischen Krieges in der Ukraine brauchten die Unternehmen „Luft zum Atmen“, um die Transformation zu meistern.

Nach Ansicht des klimapolitischen Sprechers der SPD, Timo Wölken, ist es den großen Fraktionen gelungen, eine „ausgewogenere und ehrgeizigere Vereinbarung“ zu treffen, als vor zwei Wochen möglich gewesen wäre. „So signalisieren wir als Parlament, dass der Emissionshandel schneller zur Klimaneutralität beitragen muss.“ Dem Klimasozialfonds würden zusätzliche Mittel zufließen. Das trage zu mehr Fairness bei und stärke die Anreize zur Dekarbonisierung der Wirtschaft.

Grüne: Unzureichend, aber trotzdem ein Erfolg

Die Grünen halten den Kompromiss zwar grundsätzlich für nicht ausreichend, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Es sei aber gelungen, die „fossile Allianz zu zerschlagen“, sagt ihr energiepolitischer Sprecher Michael Bloss. Die Position des Parlamentes gehe über die Vorschläge der Kommission hinaus. Die Einführung des CBAM leite eine europäische und globale Wende zu einer klimafreundlichen Industrieproduktion ein.

Die rechtsgerichtete EKR-Fraktion, die gegen den Kompromiss stimmte, warnte davor, dass Energie noch teurer werde. Es handele sich um ein „sehr riskantes, soziales Experiement, dem die Industrie und die Bürger schutzlos ausgeliefert“ würden. Man setze jetzt auf Korrekturen durch die Mitgliedsstaaten.

Umwelt-NGO uneinheitlich

Umweltschützer erhoffen sich dagegen mehr Klimaschutz von den Verhandlungen des EP mit dem Ministerrat, die nach der Sommerpause beginnen sollen. Nach Ansicht von Carbon Market Watch ist der jetzt beschlossene Kompromiss unzureichend. Die Industrie erhalte danach bis 2030 weitere 5 Milliarden Emissionsrechte kostenlos. Dadurch fehle ihr der Anreiz, die Emissionen zu senken, und die Mitgliedsstaaten hätten weniger Einnahmen, um die Energiewende zu fördern.

Positiver bewertet die Umweltorganisation Transport&Umwelt (T&E) die Beschlüsse. Die Einbeziehung der Seeschifffahrt und des gewerblichen Straßenverkehrs in den Emissionshandel markiere „einen historischen Tag für die Klimapolitik“. Diese Branchen müssten jetzt für ihre Emissionen bezahlen: „Das ist ein großer Schritt hin zu einer gerechten Energiewende.“ Gleichzeitig bedauert T&E, dass 75 % des Verkehrs und der Gebäude nicht in das ETS2 einbezogen werden. Das sei vor allem im Hinblick auf wohlhabende Haushalte nicht gerechtfertigt.

Donnerstag, 23.06.2022, 11:49 Uhr
Tom Weingärtner

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