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Energie & Management > Österreich - Energiegemeinschaften: Erfolgskonzept mit Schattenseiten
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich

Energiegemeinschaften: Erfolgskonzept mit Schattenseiten

Österreichs Energieministerin zeigt sich erfreut über die steigende Zahl von Energiegemeinschaften als Ausdruck der Energiewende. Netzbetreiber warnen dagegen vor Herausforderungen.
Per 31. Dezember 2023 waren nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control in Österreich insgesamt 1.180 Energiegemeinschaften tätig, davon 1.050 lokale und regionale „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ (EEG) sowie 130 überregionale Bürgerenergiegemeinschaften (BEG). Zum heurigen Jahresende erwartet die für die Marktüberwachung zuständige Behörde 1.318 Gemeinschaften, davon 1.171 EEG und 147 BEG. Die Wachstumsraten würden sich somit auf rund 11,7 Prozent für sämtliche Energiegemeinschaften, 11,5 Prozent bei den EEG und 13,1 Prozent bei den BEG belaufen.

Von einem „wirklichen Erfolgskonzept“ sprach angesichts dessen Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Energiegemeinschaften-Konferenz am 19. März in Wien. Ihr zufolge zeigt der Anstieg: „Die Menschen wollen Teil der Energiewende sein. Diese ist dezentral, vor allem aber demokratisch und partizipativ und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.“

Eitel Wonne herrscht aber dennoch nicht, konstatierte Gerhard Christiner, der Technische Vorstand der Austrian Power Grid (APG), die den Großteil des österreichischen Übertragungsnetzes managt. Ihm zufolge stellen sich im Zusammenhang mit den Energiegemeinschaften vor allem zwei Fragen: „Wie können die Gemeinschaften einen Beitrag zum Funktionieren des Systems für die Stromversorgung leisten? Das ist der eine Punkt.

Der zweite ist die Fairness: Die Teilnehmer an den Energiegemeinschaften dürfen sich nicht gegenüber dem Rest des Systems optimieren.“ Gemeint ist damit: Weil sie einen mehr oder weniger großen Teil ihres Strombedarfs mit eigenen Anlagen decken, beziehen die Mitglieder von Energiegemeinschaften weniger elektrische Energie über das öffentliche Netz und bezahlen entsprechend weniger an Netzgebühren. Weil aber die Kosten für die Netze nicht sinken, müssen dies die verbleibenden Kunden mit entsprechend höheren Tarifen ausgleichen.

Interner Ausgleich

Sinnvoll wäre laut Christiner, wenn die Energiegemeinschaften ihre Erzeugung und ihren Bedarf intern so weit wie möglich ausgleichen und damit die Netze entlasten würden. Leider geschehe das bei weitem noch nicht immer. Der Grund: Die Verteilnetzbetreiber sähen sich außerstande, die Viertelstundenwerte bezüglich der Stromerzeugung und des Strombedarfs in den Gemeinschaften zuverlässig bereitzustellen. Die von ihnen installierten digitalen Stromzähler (Smart Meter) seien darauf nicht ausgelegt.

Auch mangle es an der notwendigen Infrastruktur für die Übermittlung der Daten. Aufgrund der geltenden Regulierungssystematik für die Netztarife lohnten sich Investitionen in die Digitalisierung nicht. „Es ist nicht so, dass die Netzbetreiber die Daten nicht bereitstellen möchten. Aber die Digitalisierung muss sich rechnen“, forderte Christiner.

Vor übertriebenen Erwartungen hinsichtlich der Nützlichkeit von Energiegemeinschaften für die Netze warnte auch Jessica Thomsen, Referentin für Dezentrale Energieversorgung und Märkte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE). Ihr zufolge entlasten Energiegemeinschaften die Stromnetze im Allgemeinen nicht, weil ihre Mitglieder sehr ähnliche Erzeugungs- sowie Verbrauchsprofile aufweisen. Aus diesem Grund reduzierten sie auch die Kosten für den Netzausbau „nicht wirklich.“

Unterbrechbare Versorgung

Zumindest hinsichtlich der Netzgebühren ist Abhilfe auf dem Wege, versicherte Karin Emberger, die stellvertretende Leiterin der Abteilung Tarife der E-Control. Ihre Behörde plant auf Basis des kommenden Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) die Einführung von Tarifen, die dem jeweiligen Verteilnetzbetreiber erlauben, die Versorgung zeitweilig zu unterbrechen oder auf ein bestimmtes Maß einzuschränken. Dies könnte beispielsweise für Energiegemeinschaften interessant sein, die ihre Erzeugungs- sowie Verbrauchssituation gut kennen und Reduktionen der Versorgung über das öffentliche Netz kompensieren können.

Für sie könnte sich auch eine „kollektive Leistungsabrechnung“ als attraktiv erweisen: Glättet eine Energiegemeinschaft allfällige Lastspitzen, wäre das für den Netzbetrieb nützlich. Dementsprechend könnte derartiges Lastmanagement mit günstigeren Netztarifen „belohnt“ werden.

Einführen möchte die E-Control laut Emberger ferner leistungsbezogene Tarife für sämtliche Stromkunden. Bis dato entfällt der überwiegende Teil der Netzkosten für die Haushalte auf die bezogenen Kilowattstunden. Für die benötigte Leistung dagegen wird eine Pauschale verrechnet. Auf der Grundlage der Smart-Meter-Daten sollen dagegen künftig auch die Haushalte für die tatsächlich benötigte Leistung bezahlen.

Für den Großteil der Kunden würde sich dadurch nichts ändern. Wer aber beispielsweise sein E-Auto über eine Ladestation mit außergewöhnlich hoher Leistung „betanken“ möchte, hat sich auf entsprechend hohe Kosten einzustellen.

Dienstag, 19.03.2024, 17:14 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Energiegemeinschaften: Erfolgskonzept mit Schattenseiten
Quelle: Pixabay / Jürgen Sieber
Österreich
Energiegemeinschaften: Erfolgskonzept mit Schattenseiten
Österreichs Energieministerin zeigt sich erfreut über die steigende Zahl von Energiegemeinschaften als Ausdruck der Energiewende. Netzbetreiber warnen dagegen vor Herausforderungen.
Per 31. Dezember 2023 waren nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control in Österreich insgesamt 1.180 Energiegemeinschaften tätig, davon 1.050 lokale und regionale „Erneuerbare Energiegemeinschaften“ (EEG) sowie 130 überregionale Bürgerenergiegemeinschaften (BEG). Zum heurigen Jahresende erwartet die für die Marktüberwachung zuständige Behörde 1.318 Gemeinschaften, davon 1.171 EEG und 147 BEG. Die Wachstumsraten würden sich somit auf rund 11,7 Prozent für sämtliche Energiegemeinschaften, 11,5 Prozent bei den EEG und 13,1 Prozent bei den BEG belaufen.

Von einem „wirklichen Erfolgskonzept“ sprach angesichts dessen Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Energiegemeinschaften-Konferenz am 19. März in Wien. Ihr zufolge zeigt der Anstieg: „Die Menschen wollen Teil der Energiewende sein. Diese ist dezentral, vor allem aber demokratisch und partizipativ und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.“

Eitel Wonne herrscht aber dennoch nicht, konstatierte Gerhard Christiner, der Technische Vorstand der Austrian Power Grid (APG), die den Großteil des österreichischen Übertragungsnetzes managt. Ihm zufolge stellen sich im Zusammenhang mit den Energiegemeinschaften vor allem zwei Fragen: „Wie können die Gemeinschaften einen Beitrag zum Funktionieren des Systems für die Stromversorgung leisten? Das ist der eine Punkt.

Der zweite ist die Fairness: Die Teilnehmer an den Energiegemeinschaften dürfen sich nicht gegenüber dem Rest des Systems optimieren.“ Gemeint ist damit: Weil sie einen mehr oder weniger großen Teil ihres Strombedarfs mit eigenen Anlagen decken, beziehen die Mitglieder von Energiegemeinschaften weniger elektrische Energie über das öffentliche Netz und bezahlen entsprechend weniger an Netzgebühren. Weil aber die Kosten für die Netze nicht sinken, müssen dies die verbleibenden Kunden mit entsprechend höheren Tarifen ausgleichen.

Interner Ausgleich

Sinnvoll wäre laut Christiner, wenn die Energiegemeinschaften ihre Erzeugung und ihren Bedarf intern so weit wie möglich ausgleichen und damit die Netze entlasten würden. Leider geschehe das bei weitem noch nicht immer. Der Grund: Die Verteilnetzbetreiber sähen sich außerstande, die Viertelstundenwerte bezüglich der Stromerzeugung und des Strombedarfs in den Gemeinschaften zuverlässig bereitzustellen. Die von ihnen installierten digitalen Stromzähler (Smart Meter) seien darauf nicht ausgelegt.

Auch mangle es an der notwendigen Infrastruktur für die Übermittlung der Daten. Aufgrund der geltenden Regulierungssystematik für die Netztarife lohnten sich Investitionen in die Digitalisierung nicht. „Es ist nicht so, dass die Netzbetreiber die Daten nicht bereitstellen möchten. Aber die Digitalisierung muss sich rechnen“, forderte Christiner.

Vor übertriebenen Erwartungen hinsichtlich der Nützlichkeit von Energiegemeinschaften für die Netze warnte auch Jessica Thomsen, Referentin für Dezentrale Energieversorgung und Märkte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE). Ihr zufolge entlasten Energiegemeinschaften die Stromnetze im Allgemeinen nicht, weil ihre Mitglieder sehr ähnliche Erzeugungs- sowie Verbrauchsprofile aufweisen. Aus diesem Grund reduzierten sie auch die Kosten für den Netzausbau „nicht wirklich.“

Unterbrechbare Versorgung

Zumindest hinsichtlich der Netzgebühren ist Abhilfe auf dem Wege, versicherte Karin Emberger, die stellvertretende Leiterin der Abteilung Tarife der E-Control. Ihre Behörde plant auf Basis des kommenden Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) die Einführung von Tarifen, die dem jeweiligen Verteilnetzbetreiber erlauben, die Versorgung zeitweilig zu unterbrechen oder auf ein bestimmtes Maß einzuschränken. Dies könnte beispielsweise für Energiegemeinschaften interessant sein, die ihre Erzeugungs- sowie Verbrauchssituation gut kennen und Reduktionen der Versorgung über das öffentliche Netz kompensieren können.

Für sie könnte sich auch eine „kollektive Leistungsabrechnung“ als attraktiv erweisen: Glättet eine Energiegemeinschaft allfällige Lastspitzen, wäre das für den Netzbetrieb nützlich. Dementsprechend könnte derartiges Lastmanagement mit günstigeren Netztarifen „belohnt“ werden.

Einführen möchte die E-Control laut Emberger ferner leistungsbezogene Tarife für sämtliche Stromkunden. Bis dato entfällt der überwiegende Teil der Netzkosten für die Haushalte auf die bezogenen Kilowattstunden. Für die benötigte Leistung dagegen wird eine Pauschale verrechnet. Auf der Grundlage der Smart-Meter-Daten sollen dagegen künftig auch die Haushalte für die tatsächlich benötigte Leistung bezahlen.

Für den Großteil der Kunden würde sich dadurch nichts ändern. Wer aber beispielsweise sein E-Auto über eine Ladestation mit außergewöhnlich hoher Leistung „betanken“ möchte, hat sich auf entsprechend hohe Kosten einzustellen.

Dienstag, 19.03.2024, 17:14 Uhr
Klaus Fischer

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