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E&M Vor 20 Jahren

"Die Grenze noch nicht gefunden"

Das Contracting-Geschäft ist heute etabliert. Vor 20 Jahren erregten Stadtwerke-Chefs noch aufsehen damit, wenn sie Contracting außerhalb ihres Versorgungsgebietes angeboten haben.
E&M sprach vor 20 Jahren mit Dieter Rütten. Er war damals Vertriebsleiter Sondervertragskunden und Contracting bei den Städtischen Werken Kassel. Der Versorger bot im Jahr 2002 ein neues Contracting-Angebot an. Zielgruppen waren unter anderem Industrieunternehmen sowie der Krankenhaussektor. Das Interview führte damals E&M-Redakteur Armin Müller.
 
E&M: Herr Rütten, dass ein mittelgroßes Stadtwerk auch außerhalb seines Versorgungsgebietes Contracting anbietet, ist nicht so alltäglich. Was hat Sie dazu bewogen?

Rütten: Wir hatten schon in den frühen 90er Jahren in Kassel mit Contracting begonnen, und da der Markt in Kassel endlich ist, war es eigentlich ein logischer Schritt, dieses Know-how bundesweit verschiedenen Branchen anzubieten.

E&M: Und was haben Sie bundesweit schon realisiert?

Rütten: Bis jetzt eine ganze Reihe von Beratungsaufträgen, etwa 15 Projekte stehen vor der Unterschrift. Beispielsweise haben uns Hotel-Ketten, die mit uns in Kassel gute Erfahrungen gemacht haben, beauftragt, überall in der Bundesrepublik Hotels zu untersuchen und Contracting-Maßnahmen zu implementieren.
Eine Stärke von uns ist, dass wir Contracting mit der Energielieferung verbinden können. Als wir anfingen am Markt zu akquirieren, sagten viele, ihr wollt uns nur Strom verkaufen. In der zweiten Phase suchten alle händeringend nach guten Stromangeboten, und wenn wir uns mit unserem Contracting-Portfolio meldeten, fragten die Kunden auch nach einem Stromangebot. Durch unsere Akquisition für das Contracting haben wir jetzt Stromlieferungen überall in Deutschland.

E&M: Die Kunden, die jetzt außerhalb Kassels von Ihnen Strom beziehen, sind die Kristallisationskerne für Ihr Contracting-Geschäft?

Rütten: Ja, gerade größere Energiekunden wollen heute Contracting und Stromlieferung als Gesamtpaket.

E&M: Welche Kundengruppen außer den Hotels haben Sie noch im Auge?

Rütten: Industrieunternehmen sind eine weitere wichtige Gruppe. Wir liefern für Kasseler Industrieunternehmen Druckluft, Prozessdampf, Kälte. Ein weiterer wesentlicher Bereich für uns ist der Krankenhaussektor, wir bedienen fast alle Kliniken im Umkreis. Gegenwärtig bildet sich in Nordhessen ein großer Klinikverbund, da haben wir gute Aussichten, dass sich positive Contracting-Erfahrungen schnell herumsprechen.

E&M: Ein Klinikverbund müsste Ihnen auch die Finanzierung vereinfachen.

Rütten: Ja, man muss nicht mehr ein einzelnes Haus begutachten, das vielleicht keine gute Amortisationszeit hat, sondern kann jetzt die Amortisation innerhalb der Gebäudegruppe betrachten.

E&M: In den Kliniken vorwiegend Einsparcontracting, in der Industrie hauptsächlich Anlagencontracting – sieht so die Angebots-Verteilung aus?

Rütten: Wir sind besonders stark im Anlagencontracting, das nahezu immer mit Einsparungen verbunden ist. Unsere Erfahrung bei Kliniken ist meist, dass dort die Anlagentechnik stark überaltert ist und sich zugleich die Nutzung über die Jahre drastisch verändert hat. Im Regelfall wurden höchstens Ersatzinvestitionen getätigt, aber niemals der gesamte Anlagenpark optimiert. Da sind Anpassungen häufig kostenneutral oder mit Energiekosten-Vorteilen zu realisieren.

E&M: Die meisten Contracting-Anbieter freuen sich seit Jahren über eine steigende Nachfrage, Sie auch?

Rütten: Ja, wir haben eine steigende Nachfrage dadurch, dass wir unseren Vertrieb seit dem Jahr 2000 deutlich umstrukturiert und verstärkt haben, und mit der wachsenden Vertriebstätigkeit nehmen die Nachfrage und auch das Auftragsvolumen ganz deutlich zu.

„Kein Geld zu verschenken“

E&M: Welchen Stellenwert hat das Contracting-Geschäft heute beim Umsatz der Stadtwerke und wo wollen Sie hin?

Rütten: Contracting wird in der Zukunft sicher zu einer tragenden Säule. Denn die Margen im klassischen Energiegeschäft sinken, Kunden wandern ab, es gibt Dumpingangebote von diversen Wettbewerbern am Markt, dieser Zustand wird sicherlich noch einige Jahre anhalten. Zunächst wollten wir die entgangenen Margen lediglich kompensieren, aber heute sind wir der Auffassung, dass diese verlorenen Margen überkompensiert werden können.

E&M: Wie viel vom Umsatz macht Contracting, ein Drittel, ein Viertel?

Rütten: Der Konzern, also die städtischen Werke, sind jetzt bei 500 Mio. DM Umsatz, davon kommen ca. 30 Mio. DM aus dem Contracting-Geschäft. Das ist schon merklich, soll aber noch deutlich anwachsen. Aber auf konkrete Zahlen für die Zukunft will ich mich jetzt nicht festlegen.

E&M: Was sind für Sie die untere und die obere Grenze für Ihr Contracting-Angebot, ab wann würden Sie sagen: Das machen wir nicht mehr?

Rütten: Wir können im Kasseler Umland auf dem Wärmemarkt bis etwa zu einem 50-kW-Kessel heruntergehen. Das funktioniert innerhalb der Stadt, weil wir ein dichtes Kommunikationsnetz haben, über das alle Daten in unserer zentralen Warte auflaufen. Aber außerhalb muss bei der Leistung schon ein M vor dem W stehen.

E&M: Und wo ist Ihre obere Grenze, wann wird Ihnen ein Projekt zu teuer, zu groß?

Rütten: Wir haben nach oben hin eigentlich keine Grenze. Wir hatten uns auch schon für die Energieversorgung von Opel in Rüsselsheim beworben.

E&M: Eine große GuD-Anlage würden Sie bauen?

Rütten: Ja, durchaus. Der wesentliche Punkt ist die Wirtschaftlichkeit, wir haben kein Geld zu verschenken. Natürlich hilft uns, dass die HEW bei uns eine Beteiligung hat, und dass wir uns dort bei Bedarf mit Know-how und personeller Kapazität verstärken könnten.

E&M: Wie dachten jetzt weniger ans Know-how, sondern ans Geld. Irgendwann kommt ja mal ein Investitionsbedarf, bei dem man sagt, davon lassen wir lieber die Finger.

Rütten: Diese Grenze haben wir bis heute nicht gefunden.

Freitag, 5.08.2022, 15:37 Uhr
Armin Müller und Heidi Roider
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E&M Vor 20 Jahren
"Die Grenze noch nicht gefunden"
Das Contracting-Geschäft ist heute etabliert. Vor 20 Jahren erregten Stadtwerke-Chefs noch aufsehen damit, wenn sie Contracting außerhalb ihres Versorgungsgebietes angeboten haben.
E&M sprach vor 20 Jahren mit Dieter Rütten. Er war damals Vertriebsleiter Sondervertragskunden und Contracting bei den Städtischen Werken Kassel. Der Versorger bot im Jahr 2002 ein neues Contracting-Angebot an. Zielgruppen waren unter anderem Industrieunternehmen sowie der Krankenhaussektor. Das Interview führte damals E&M-Redakteur Armin Müller.
 
E&M: Herr Rütten, dass ein mittelgroßes Stadtwerk auch außerhalb seines Versorgungsgebietes Contracting anbietet, ist nicht so alltäglich. Was hat Sie dazu bewogen?

Rütten: Wir hatten schon in den frühen 90er Jahren in Kassel mit Contracting begonnen, und da der Markt in Kassel endlich ist, war es eigentlich ein logischer Schritt, dieses Know-how bundesweit verschiedenen Branchen anzubieten.

E&M: Und was haben Sie bundesweit schon realisiert?

Rütten: Bis jetzt eine ganze Reihe von Beratungsaufträgen, etwa 15 Projekte stehen vor der Unterschrift. Beispielsweise haben uns Hotel-Ketten, die mit uns in Kassel gute Erfahrungen gemacht haben, beauftragt, überall in der Bundesrepublik Hotels zu untersuchen und Contracting-Maßnahmen zu implementieren.
Eine Stärke von uns ist, dass wir Contracting mit der Energielieferung verbinden können. Als wir anfingen am Markt zu akquirieren, sagten viele, ihr wollt uns nur Strom verkaufen. In der zweiten Phase suchten alle händeringend nach guten Stromangeboten, und wenn wir uns mit unserem Contracting-Portfolio meldeten, fragten die Kunden auch nach einem Stromangebot. Durch unsere Akquisition für das Contracting haben wir jetzt Stromlieferungen überall in Deutschland.

E&M: Die Kunden, die jetzt außerhalb Kassels von Ihnen Strom beziehen, sind die Kristallisationskerne für Ihr Contracting-Geschäft?

Rütten: Ja, gerade größere Energiekunden wollen heute Contracting und Stromlieferung als Gesamtpaket.

E&M: Welche Kundengruppen außer den Hotels haben Sie noch im Auge?

Rütten: Industrieunternehmen sind eine weitere wichtige Gruppe. Wir liefern für Kasseler Industrieunternehmen Druckluft, Prozessdampf, Kälte. Ein weiterer wesentlicher Bereich für uns ist der Krankenhaussektor, wir bedienen fast alle Kliniken im Umkreis. Gegenwärtig bildet sich in Nordhessen ein großer Klinikverbund, da haben wir gute Aussichten, dass sich positive Contracting-Erfahrungen schnell herumsprechen.

E&M: Ein Klinikverbund müsste Ihnen auch die Finanzierung vereinfachen.

Rütten: Ja, man muss nicht mehr ein einzelnes Haus begutachten, das vielleicht keine gute Amortisationszeit hat, sondern kann jetzt die Amortisation innerhalb der Gebäudegruppe betrachten.

E&M: In den Kliniken vorwiegend Einsparcontracting, in der Industrie hauptsächlich Anlagencontracting – sieht so die Angebots-Verteilung aus?

Rütten: Wir sind besonders stark im Anlagencontracting, das nahezu immer mit Einsparungen verbunden ist. Unsere Erfahrung bei Kliniken ist meist, dass dort die Anlagentechnik stark überaltert ist und sich zugleich die Nutzung über die Jahre drastisch verändert hat. Im Regelfall wurden höchstens Ersatzinvestitionen getätigt, aber niemals der gesamte Anlagenpark optimiert. Da sind Anpassungen häufig kostenneutral oder mit Energiekosten-Vorteilen zu realisieren.

E&M: Die meisten Contracting-Anbieter freuen sich seit Jahren über eine steigende Nachfrage, Sie auch?

Rütten: Ja, wir haben eine steigende Nachfrage dadurch, dass wir unseren Vertrieb seit dem Jahr 2000 deutlich umstrukturiert und verstärkt haben, und mit der wachsenden Vertriebstätigkeit nehmen die Nachfrage und auch das Auftragsvolumen ganz deutlich zu.

„Kein Geld zu verschenken“

E&M: Welchen Stellenwert hat das Contracting-Geschäft heute beim Umsatz der Stadtwerke und wo wollen Sie hin?

Rütten: Contracting wird in der Zukunft sicher zu einer tragenden Säule. Denn die Margen im klassischen Energiegeschäft sinken, Kunden wandern ab, es gibt Dumpingangebote von diversen Wettbewerbern am Markt, dieser Zustand wird sicherlich noch einige Jahre anhalten. Zunächst wollten wir die entgangenen Margen lediglich kompensieren, aber heute sind wir der Auffassung, dass diese verlorenen Margen überkompensiert werden können.

E&M: Wie viel vom Umsatz macht Contracting, ein Drittel, ein Viertel?

Rütten: Der Konzern, also die städtischen Werke, sind jetzt bei 500 Mio. DM Umsatz, davon kommen ca. 30 Mio. DM aus dem Contracting-Geschäft. Das ist schon merklich, soll aber noch deutlich anwachsen. Aber auf konkrete Zahlen für die Zukunft will ich mich jetzt nicht festlegen.

E&M: Was sind für Sie die untere und die obere Grenze für Ihr Contracting-Angebot, ab wann würden Sie sagen: Das machen wir nicht mehr?

Rütten: Wir können im Kasseler Umland auf dem Wärmemarkt bis etwa zu einem 50-kW-Kessel heruntergehen. Das funktioniert innerhalb der Stadt, weil wir ein dichtes Kommunikationsnetz haben, über das alle Daten in unserer zentralen Warte auflaufen. Aber außerhalb muss bei der Leistung schon ein M vor dem W stehen.

E&M: Und wo ist Ihre obere Grenze, wann wird Ihnen ein Projekt zu teuer, zu groß?

Rütten: Wir haben nach oben hin eigentlich keine Grenze. Wir hatten uns auch schon für die Energieversorgung von Opel in Rüsselsheim beworben.

E&M: Eine große GuD-Anlage würden Sie bauen?

Rütten: Ja, durchaus. Der wesentliche Punkt ist die Wirtschaftlichkeit, wir haben kein Geld zu verschenken. Natürlich hilft uns, dass die HEW bei uns eine Beteiligung hat, und dass wir uns dort bei Bedarf mit Know-how und personeller Kapazität verstärken könnten.

E&M: Wie dachten jetzt weniger ans Know-how, sondern ans Geld. Irgendwann kommt ja mal ein Investitionsbedarf, bei dem man sagt, davon lassen wir lieber die Finger.

Rütten: Diese Grenze haben wir bis heute nicht gefunden.

Freitag, 5.08.2022, 15:37 Uhr
Armin Müller und Heidi Roider

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