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Energie & Management > Öl - Der Markt allein schafft die Energiewende nicht
Quelle: Fotolia / Gernot Krautberger
Öl

Der Markt allein schafft die Energiewende nicht

Der Ausstieg aus Erdöl und Erdgas muss gezielt gemanagt werden, betonte der ehemalige Chefstratege von Shell und Adnoc, Karl Rose, beim Vienna Energy Security Dialogue.
Mit der künftigen Entwicklung des globalen Energiesystems befasste sich der Vienna Energy Security Dialogue der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des World Energy Council (WEC) am 25. Oktober in Wien. Karl Rose, Professor für Strategisches Management an der Universität Graz und ehemaliger Chefstratege von Shell sowie der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc), konstatierte, die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien machten wohl Fortschritte. Diese erfolgten indessen nicht rasch genug.

So erwarte etwa die Internationale Energieagentur (IEA) das Überschreiten des Förderhöhepunkts bei Erdöl (Peak Oil) für die kommenden Jahre. „Die wesentlich wichtigere Frage ist allerdings, wie es nach ‚Peak Oil‘ weitergeht und wie schnell der weltweite Erdölbedarf sinkt“, konstatierte Rose. Laut der IEA sei von einem nur langsamen Bedarfsrückgang auszugehen. Angesichts dessen werde es aller Voraussicht nach jedoch schwierig, die „Klimaneutralität“ bis 2050 zu erreichen: „Wie soll das funktionieren, wenn rund 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs mit fossilen Energieträgern gedeckt werden?“ Die aus der Nutzung von Öl, Erdgas und Kohle stammenden CO2-Emissionen müssten auf irgendeine Weise kompensiert werden – laut Rose eine gewaltige Herausforderung angesichts der zu bewältigenden Mengen.

Verfehlt ist laut Rose die Erwartung vieler Politiker, „der Markt“ werde das Ende der fossilen Energieträger gleichsam automatisch herbeiführen: „Das ist ein Irrtum. Es ist notwendig, den Ausstieg aus Öl und Gas ganz gezielt zu managen.“ Dazu aber genüge es nicht, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Vielmehr gelte es, die Energiewende neu zu denken und dabei insbesondere auch die Steuerung der Entwicklung des Energiebedarfs in den Blick zu nehmen. Kein Problem sieht Rose für die Finanzierung der Energiewende: „Das Geld ist da. Es werden alle Energiekunden für die Wende zahlen müssen. Die politische Kunst wird darin bestehen, sicherzustellen, dass die, die es sich leisten können, stärker zur Kasse gebeten werden.“

Energiewende partizipatorisch gestalten

Die Präsidentin des Global Forum on Sustainable Energy (GFSE) und österreichische Spitzendiplomatin Irene Giner-Reichl sieht vor allem drei Handlungsfelder. Erstens ist es ihr zufolge notwendig, die Energiewende „partizipatorisch und inklusiv“ zu gestalten: „Wir müssen den Menschen ermöglichen, die Energiewende mitzugestalten und aus ihr Vorteile zu ziehen.“ Insoferne bedeute die Energiewende nicht einfach, Öl, Kohle und Gas eins zu eins durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Vielmehr gehe es um eine gesamtgesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Transformation.

Dies bedeute zweitens auch, entschlossener als bislang gegen die Energiearmut vorzugehen: „Wir müssen so weit wie möglich vermeiden, dass es bei der Energiewende ‚Verlierer‘ gibt.“ Andernfalls würden die Menschen die Wende nicht unterstützen. Drittens sei es notwendig, den Produzenten fossiler Energieträger Anreize zu bieten, diese im Boden zu belassen. Dies betreffe zumal wirtschaftlich unterentwickelte Länder in Afrika, die die Nutzung sowie den Export von Öl und Gas als Mittel betrachteten, zu Wohlstand zu kommen. Die Bevölkerung Afrikas werde nach allgemein anerkannten Schätzungen bis zum Jahr 2050 auf etwa 2,5 Milliarden Personen anwachsen. Gleichzeitig liege in Afrika der globale Schwerpunkt der Energiearmut: „Dort haben etwa zwei Drittel der Menschen keinen Zugang zu modernen Energieformen.“

Warnung an Europa

Grundsätzlich optimistisch zeigte sich der Vorstandsvorsitzende der Burgenland Energie, Stephan Sharma: „Wir sind in der Lage, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Wir haben große Potenziale an erneuerbaren Energien. Und wir verfügen über die Technologien, diese zu nutzen.“ Unterschätzt werden dürften die Herausforderungen der Energiewende speziell für Europa indessen nicht, warnte Sharma. Etwa 70 Prozent aller technischen Komponenten zur Nutzung der erneuerbaren Energien stammten derzeit aus China, dagegen nur 13 Prozent aus Europa und 4 Prozent aus den USA. Ferner plane China im Rahmen des Programms „Made in China 2025“ umgerechnet rund 1.700 Milliarden US-Dollar in „grüne“ Technologien zu investieren. Die USA kämen mit ihrem „Inflation Reduction Act“ je nach Berechnung auf etwa 700 Milliarden Dollar. Die EU dagegen hinke mit den umgerechnet rund 400 Milliarden Dollar für ihre einschlägigen Programme deutlich hinterher. „Das heißt, die Chinesen dominieren die Energiewende“, konstatierte Sharma.

Europa müsse daher eine klar ausgerichtete Industriepolitik verfolgen, die sich vor allem auf „grüne“ Technologien zu konzentrieren habe. Die EU dürfe ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas nicht durch die Abhängigkeit von chinesischen Wechselrichtern ersetzen, resümierte Sharma sinngemäß.

Donnerstag, 26.10.2023, 12:26 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Öl - Der Markt allein schafft die Energiewende nicht
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Öl
Der Markt allein schafft die Energiewende nicht
Der Ausstieg aus Erdöl und Erdgas muss gezielt gemanagt werden, betonte der ehemalige Chefstratege von Shell und Adnoc, Karl Rose, beim Vienna Energy Security Dialogue.
Mit der künftigen Entwicklung des globalen Energiesystems befasste sich der Vienna Energy Security Dialogue der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des World Energy Council (WEC) am 25. Oktober in Wien. Karl Rose, Professor für Strategisches Management an der Universität Graz und ehemaliger Chefstratege von Shell sowie der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc), konstatierte, die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien machten wohl Fortschritte. Diese erfolgten indessen nicht rasch genug.

So erwarte etwa die Internationale Energieagentur (IEA) das Überschreiten des Förderhöhepunkts bei Erdöl (Peak Oil) für die kommenden Jahre. „Die wesentlich wichtigere Frage ist allerdings, wie es nach ‚Peak Oil‘ weitergeht und wie schnell der weltweite Erdölbedarf sinkt“, konstatierte Rose. Laut der IEA sei von einem nur langsamen Bedarfsrückgang auszugehen. Angesichts dessen werde es aller Voraussicht nach jedoch schwierig, die „Klimaneutralität“ bis 2050 zu erreichen: „Wie soll das funktionieren, wenn rund 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs mit fossilen Energieträgern gedeckt werden?“ Die aus der Nutzung von Öl, Erdgas und Kohle stammenden CO2-Emissionen müssten auf irgendeine Weise kompensiert werden – laut Rose eine gewaltige Herausforderung angesichts der zu bewältigenden Mengen.

Verfehlt ist laut Rose die Erwartung vieler Politiker, „der Markt“ werde das Ende der fossilen Energieträger gleichsam automatisch herbeiführen: „Das ist ein Irrtum. Es ist notwendig, den Ausstieg aus Öl und Gas ganz gezielt zu managen.“ Dazu aber genüge es nicht, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Vielmehr gelte es, die Energiewende neu zu denken und dabei insbesondere auch die Steuerung der Entwicklung des Energiebedarfs in den Blick zu nehmen. Kein Problem sieht Rose für die Finanzierung der Energiewende: „Das Geld ist da. Es werden alle Energiekunden für die Wende zahlen müssen. Die politische Kunst wird darin bestehen, sicherzustellen, dass die, die es sich leisten können, stärker zur Kasse gebeten werden.“

Energiewende partizipatorisch gestalten

Die Präsidentin des Global Forum on Sustainable Energy (GFSE) und österreichische Spitzendiplomatin Irene Giner-Reichl sieht vor allem drei Handlungsfelder. Erstens ist es ihr zufolge notwendig, die Energiewende „partizipatorisch und inklusiv“ zu gestalten: „Wir müssen den Menschen ermöglichen, die Energiewende mitzugestalten und aus ihr Vorteile zu ziehen.“ Insoferne bedeute die Energiewende nicht einfach, Öl, Kohle und Gas eins zu eins durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Vielmehr gehe es um eine gesamtgesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Transformation.

Dies bedeute zweitens auch, entschlossener als bislang gegen die Energiearmut vorzugehen: „Wir müssen so weit wie möglich vermeiden, dass es bei der Energiewende ‚Verlierer‘ gibt.“ Andernfalls würden die Menschen die Wende nicht unterstützen. Drittens sei es notwendig, den Produzenten fossiler Energieträger Anreize zu bieten, diese im Boden zu belassen. Dies betreffe zumal wirtschaftlich unterentwickelte Länder in Afrika, die die Nutzung sowie den Export von Öl und Gas als Mittel betrachteten, zu Wohlstand zu kommen. Die Bevölkerung Afrikas werde nach allgemein anerkannten Schätzungen bis zum Jahr 2050 auf etwa 2,5 Milliarden Personen anwachsen. Gleichzeitig liege in Afrika der globale Schwerpunkt der Energiearmut: „Dort haben etwa zwei Drittel der Menschen keinen Zugang zu modernen Energieformen.“

Warnung an Europa

Grundsätzlich optimistisch zeigte sich der Vorstandsvorsitzende der Burgenland Energie, Stephan Sharma: „Wir sind in der Lage, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Wir haben große Potenziale an erneuerbaren Energien. Und wir verfügen über die Technologien, diese zu nutzen.“ Unterschätzt werden dürften die Herausforderungen der Energiewende speziell für Europa indessen nicht, warnte Sharma. Etwa 70 Prozent aller technischen Komponenten zur Nutzung der erneuerbaren Energien stammten derzeit aus China, dagegen nur 13 Prozent aus Europa und 4 Prozent aus den USA. Ferner plane China im Rahmen des Programms „Made in China 2025“ umgerechnet rund 1.700 Milliarden US-Dollar in „grüne“ Technologien zu investieren. Die USA kämen mit ihrem „Inflation Reduction Act“ je nach Berechnung auf etwa 700 Milliarden Dollar. Die EU dagegen hinke mit den umgerechnet rund 400 Milliarden Dollar für ihre einschlägigen Programme deutlich hinterher. „Das heißt, die Chinesen dominieren die Energiewende“, konstatierte Sharma.

Europa müsse daher eine klar ausgerichtete Industriepolitik verfolgen, die sich vor allem auf „grüne“ Technologien zu konzentrieren habe. Die EU dürfe ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas nicht durch die Abhängigkeit von chinesischen Wechselrichtern ersetzen, resümierte Sharma sinngemäß.

Donnerstag, 26.10.2023, 12:26 Uhr
Klaus Fischer

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