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Energie & Management > E-World -
Moderator Michael Bauchmüller, Carsten Liedtke, Christian Noll und Sebastian Herke (von links) diskutieren über die Wärmewende. Quelle: E&M / Stefan Sagmeister 
E-World

"Das Problem der Wärmepumpe ist die Gleichzeitigkeit"

Die Energiewende auf dem Wärmemarkt war Thema beim "Führungstreffen Energie" im Vorfeld der E-world. Dort wurden die Grenzen der Wärmepumpen sichtbar.
Carsten Liedtke, Sprecher des Vorstands der Stadtwerke Krefeld, hatte auf dem Podium beim "Führungstreffen Energie" in Essen ein paar Zahlen parat, um die Herausforderung der Wärmewende der nordrhein-westfälischen Stadt mit seinen knapp 230.000 Einwohnern zu illustrieren. 75 Prozent der Heizung werden dort mit Erdgas befeuert, 12 Prozent mit Heizöl, 10 Prozent der Heizleistung kommen aus der Fernwärme, der Rest sind Wärmepumpen, Pellets, Abfall und Sonstiges.
 
In Krefeld haben die Stadtwerke einen Plan entwickelt, um die Wärmeversorgung zu dekarbonisieren. Dabei spielt laut Liedtke die Technologieoffenheit eine zentrale Rolle. Denn es müsse für jedes Quartier genau hingeschaut werden und teilweise sehr individuell geplant werden. Es könne nicht alles über einen Kamm geschert werden. Von daher sehe er die in aller Munde geführte Wärmepumpe nicht als die einzige Lösung für die Wärmewende an. 
 
Das Stromnetz in Krefeld würde zusammenbrechen, wenn alle Wohnungen und Häuser mit Wärmepumpen betrieben werden, sagte Liedtke. Das habe man bei dem Energieversorger simuliert. Er nannte weitere Zahlen. Der Punkt der Überlastung des Stromnetzes sei im Neubaugebiet bei einem Wärmepumpenanteil von 60 Prozent erreicht. In einem älteren Wohngebiet, das vor beispielsweise 100 Jahren errichtet wurde, sei ein Wärmepumpenanteil von maximal 30 Prozent mit der bestehenden Stromnetzinfrastruktur möglich, so das Ergebnis für Krefeld.
 
Denn: "Das Problem der Wärmepumpen ist die Gleichzeitigkeit", so der Stadtwerke-Manager. Bei zurückgehenden Temperaturen drehen nämlich alle an der Heizung – auch die Wärmepumpenbesitzer. Im Gegensatz zu den E-Autos, die man auch zeitverzögert landen können, gehe das beim Heizen mit Strom nicht. "Das treibt uns den Schweiß auf die Stirn."

Technologieoffenheit in der Kritik

In Krefeld wurde simuliert, was denn die Netzertüchtigung kosten würde. Auch diese Zahlen waren ernüchternd: 750 Millionen Euro und 20 Jahre würde nach Berechnungen der Stadtwerke der Umbau das Stromnetz kosten und dauern, um Krefeld komplett mit Wärmepumpenstrom versorgen zu können.
 
Sebastian Herkel, Abteilungsleiter Energieeffiziente Gebäude am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, plädierte in diesem Zusammenhang für eine Standardisierung bei der Wärmeversorgungsertüchtigung. Alles nur individuell zu planen, gehe für ihn an der Realität vorbei, sagte er bei der Veranstaltung.

Aus seiner Sicht sei es notwendig, für jedes Gebiet eine integrierte Energie- und Wärmeplanung zu erstellen und diese dann abzuarbeiten. In ein Gebiet passe besser ein Fernwärmesystem, in einem anderen Gebiet seien Großwärmepumpen die passende Technologie. Das heißt für Herkel auch, dass es technische Leitplanken bei der Wärmewende geben sollte. Das bedeutet allerdings auch: "Technologieoffenheit ist eine Chimäre." 
 
Für Christian Noll, geschäftsführender Vorstand des Effizienzverbandes Deneff, ist eine zentrale Komponente bei der Wärmewende die Planungssicherheit. Deshalb müssten die Vorgaben des Gesetzgebers konsequent umgesetzt werden. Er befürchte in diesem Zusammenhang, dass die oft geforderte Technologieoffenheit zu einer gewisse Beliebigkeit bei der Wärmewende führen könnte. Er plädierte wie Herkel für eine gewisse Koordination bei der Wärmewende, gepaart mit mehr Energieeffizienz.

Dienstag, 23.05.2023, 09:03 Uhr
Stefan Sagmeister
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Moderator Michael Bauchmüller, Carsten Liedtke, Christian Noll und Sebastian Herke (von links) diskutieren über die Wärmewende. Quelle: E&M / Stefan Sagmeister 
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"Das Problem der Wärmepumpe ist die Gleichzeitigkeit"
Die Energiewende auf dem Wärmemarkt war Thema beim "Führungstreffen Energie" im Vorfeld der E-world. Dort wurden die Grenzen der Wärmepumpen sichtbar.
Carsten Liedtke, Sprecher des Vorstands der Stadtwerke Krefeld, hatte auf dem Podium beim "Führungstreffen Energie" in Essen ein paar Zahlen parat, um die Herausforderung der Wärmewende der nordrhein-westfälischen Stadt mit seinen knapp 230.000 Einwohnern zu illustrieren. 75 Prozent der Heizung werden dort mit Erdgas befeuert, 12 Prozent mit Heizöl, 10 Prozent der Heizleistung kommen aus der Fernwärme, der Rest sind Wärmepumpen, Pellets, Abfall und Sonstiges.
 
In Krefeld haben die Stadtwerke einen Plan entwickelt, um die Wärmeversorgung zu dekarbonisieren. Dabei spielt laut Liedtke die Technologieoffenheit eine zentrale Rolle. Denn es müsse für jedes Quartier genau hingeschaut werden und teilweise sehr individuell geplant werden. Es könne nicht alles über einen Kamm geschert werden. Von daher sehe er die in aller Munde geführte Wärmepumpe nicht als die einzige Lösung für die Wärmewende an. 
 
Das Stromnetz in Krefeld würde zusammenbrechen, wenn alle Wohnungen und Häuser mit Wärmepumpen betrieben werden, sagte Liedtke. Das habe man bei dem Energieversorger simuliert. Er nannte weitere Zahlen. Der Punkt der Überlastung des Stromnetzes sei im Neubaugebiet bei einem Wärmepumpenanteil von 60 Prozent erreicht. In einem älteren Wohngebiet, das vor beispielsweise 100 Jahren errichtet wurde, sei ein Wärmepumpenanteil von maximal 30 Prozent mit der bestehenden Stromnetzinfrastruktur möglich, so das Ergebnis für Krefeld.
 
Denn: "Das Problem der Wärmepumpen ist die Gleichzeitigkeit", so der Stadtwerke-Manager. Bei zurückgehenden Temperaturen drehen nämlich alle an der Heizung – auch die Wärmepumpenbesitzer. Im Gegensatz zu den E-Autos, die man auch zeitverzögert landen können, gehe das beim Heizen mit Strom nicht. "Das treibt uns den Schweiß auf die Stirn."

Technologieoffenheit in der Kritik

In Krefeld wurde simuliert, was denn die Netzertüchtigung kosten würde. Auch diese Zahlen waren ernüchternd: 750 Millionen Euro und 20 Jahre würde nach Berechnungen der Stadtwerke der Umbau das Stromnetz kosten und dauern, um Krefeld komplett mit Wärmepumpenstrom versorgen zu können.
 
Sebastian Herkel, Abteilungsleiter Energieeffiziente Gebäude am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, plädierte in diesem Zusammenhang für eine Standardisierung bei der Wärmeversorgungsertüchtigung. Alles nur individuell zu planen, gehe für ihn an der Realität vorbei, sagte er bei der Veranstaltung.

Aus seiner Sicht sei es notwendig, für jedes Gebiet eine integrierte Energie- und Wärmeplanung zu erstellen und diese dann abzuarbeiten. In ein Gebiet passe besser ein Fernwärmesystem, in einem anderen Gebiet seien Großwärmepumpen die passende Technologie. Das heißt für Herkel auch, dass es technische Leitplanken bei der Wärmewende geben sollte. Das bedeutet allerdings auch: "Technologieoffenheit ist eine Chimäre." 
 
Für Christian Noll, geschäftsführender Vorstand des Effizienzverbandes Deneff, ist eine zentrale Komponente bei der Wärmewende die Planungssicherheit. Deshalb müssten die Vorgaben des Gesetzgebers konsequent umgesetzt werden. Er befürchte in diesem Zusammenhang, dass die oft geforderte Technologieoffenheit zu einer gewisse Beliebigkeit bei der Wärmewende führen könnte. Er plädierte wie Herkel für eine gewisse Koordination bei der Wärmewende, gepaart mit mehr Energieeffizienz.

Dienstag, 23.05.2023, 09:03 Uhr
Stefan Sagmeister

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