Bei einem Fachgespräch der Energiebörse EEX in Berlin wogen Fachleute verschiedene Wege zur Finanzierung der Energiewende gegeneinander ab. Alle Mittel müssten klug kombiniert werden.
Die anstehenden Milliardeninvestitionen für den Umbau des deutschen Energiesystems beschäftigten ein Fachgespräch der Energiebörse EEX. Am 13.
November lud die European Energy Exchange (EEX) dazu nach Berlin ein. Thema war natürlich der Bruch der Ampelkoalition und die damit einhergehende Unsicherheit über den Fortgang der Energiewende. Woher sollen die nötigen Milliarden für neue Netze, erneuerbare Stromerzeugung und Elektrolyseure kommen, war die zentrale Frage an die Fachleute.
Vom Bundesfinanzministerium (BMF) sagte Nicolaus Heinen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor einem Jahr eine Ursache des Koalitionsbruchs war. Da dadurch 60
Milliarden Euro Corona-Hilfen nicht für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) bereitstanden, war Geld ein „ständiger Streitpunkt“ in der Regierung, so der Leiter der Grundsatzabteilung im BMF.
Für ihn ist der CO2-Preis ein wirksames und für die Wirtschaft planbares Instrument für Klimaschutzinvestitionen. „Er genügt nicht allein, aber er ist ein wichtiger Rahmen“, sagte Heinen. Er hält die Ausgestaltung eines kommenden Kapazitätsmarktes so für nötig, „dass Versorgungssicherheit funktioniert, aber private Investitionen trotzdem kommen“.
Energiepolitik gesetzlich festzurren„Es geht nicht darum, die Energiewende komplett staatlich zu finanzieren, das wäre unmöglich“, stimmte Barbara Praetorius zu. Die ehemalige Co-Vorsitzende der Kohlekommission ist Professorin für Energieökonomie und -politik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Mit dem KTF-Urteil kamen wichtige Investitionen ins Wanken, bedauerte sie. Der staatliche Rahmen müsse absichern und private Investitionen anreizen, empfahl Praetorius. Im vergangenen Jahr waren vor allem die politisch motivierten Rahmenbedingungen unsicher und verzögerten Investmententscheidungen. „Das sollte uns lehren, den Rahmen so zu verankern, dass er nicht von regierenden Parteien abhängig ist“, appellierte sie an die künftige Regierung. „Nur so sind die langfristigen Investitionen der Industrie möglich“, sagte die Professorin. Der erste „grüne“ Stahl wird nach Meinung der Unternehmen nicht aus Europa kommen, sondern eher aus Asien, sagte Praetorius.
Investitionen in die Energiewende seien aber unabdingbar, da der ungebremste Klimawandel vielfach teurer würde. Sie forderte „mehr Ehrlichkeit in den Debatten über die wahren Kosten des Klimawandels und der konventionellen Kraftwerke. Die Flutkatastrophe im Ahrtal sollte uns ein Anhaltspunkt dafür sein“. Daher sollten
Investitionen in die sichere und klimafreundliche Energieversorgung nicht länger Subventionen genannt werden, sondern Finanzierung von Versorgung.
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Das Podium v. l.: Daniel Wragge (EEX), Nicolaus Heinen (BMF), Barbara Praetorius (HTW Berlin), Nina Scheer (MdB SPD) und Peter Reitz (CEO EEX) Quelle: E&M / S. Harmsen |
EEG-Förderung beibehaltenDie SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer bedauerte, dass die FDP Hilfen blockiert hatte, um die PV-Industrie in Deutschland zu halten. Es müssten Wege gefunden werden, den Strompreis zu senken, ohne den Ausbau der erneuerbaren Energien auszubremsen. Das wäre durch die Übernahme von Netzentgelten in den Bundeshaushalt oder Steuersenkungen möglich. Das aktuelle Unionspapier zur Energiepolitik, in dem zwei Fusionsreaktoren gefordert werden, lehnte Scheer ab.
Sie meint, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kombiniere gut die Investitionsabsicherung mit marktlichen Anreizen und solle daher nicht abgeschafft werden, forderte Scheer. Da der Bund in der Lage war, in der Energiepreiskrise 300
Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um die Folgen abzufedern, sei offenbar genug Geld da, argumentierte sie. „Das war ein Zigfaches der Zuschüsse an die erneuerbaren, die uns von fossilen Energien unabhängig machen“, sagte Scheer.
Ohne den geplanten Ausbaukorridor seien die Energiewende-Ziele und damit der Klimaschutz nicht zu schaffen. „Die Fachwelt muss darauf hinwirken, nicht erneut einen Fadenriss zu riskieren, darüber entscheidet auch die Bundestagswahl“, appellierte Scheer. Die Kraftwerksstrategie wechsle bedauerlicherweise noch einmal weg vom Vorrang erneuerbarer Energien zu fossilen. Dies beweise, dass der Vorrang erneuerbarer Energien immer wieder erkämpft werden müsse, wofür leider oft die politischen Mehrheiten fehlen, schloss Scheer.
Fokussieren und vertrauen auf europäische PartnerDas Loch im Bundeshaushalt zwinge zum Fokussieren staatlicher Finanzen und Kontrolle auf die Bereiche, wo es keinen Wettbewerb gibt, sagte Peter Reitz, CEO der EEX. Dazu gehörten beispielsweise die Netze, wo das Rückverdienen von Investitionen ermöglicht werden muss. „Dann kommen Märkte, die noch im Entstehen sind, wie der Wasserstoffmarkt“, nannte Reitz. Hinzu komme die soziale Abfederung, um die Akzeptanz für die Veränderungen zu sichern.
Er begrüßte die Umstellung der Förderung für erneuerbare Energien auf Ausschreibungen ab 2017. Die Anfangsinvestition sei unterstützt und gesichert, es gebe aber keine Dauersubvention des Strompreises. „Es lohnt nicht, Angst vor Populisten zu haben, man muss ihnen in Debatten mit Sachargumenten begegnen“, sagte Reitz auch mit Blick auf den anstehenden Bundestagswahlkampf. Die Menschen würden erkennen, dass Solarenergie und Wind vorteilhaft für sie sind. „Daher werden sie sich durchsetzen, trotz ideologischer Debatten“, hofft er.
Reitz ist dafür, auf den europäischen Stromhandel zu setzen: „Derzeit haben wir fast 14
Tage Dunkelflaute in Westeuropa, ohne Gefährdung der Stromversorgung“. Einzelne Preisausreißer von stundenweise 800
Euro zeigten, dass der Markt funktioniert. Heutige Investitionen in Speicher würden wieder entmutigt, wenn der Staat Preisspitzen kappt. Eine Pflicht zur Absicherung von Strommengen durch Energielieferanten könne für genug Sicherheit sorgen, zeigte sich Reitz überzeugt.
Donnerstag, 14.11.2024, 16:22 Uhr
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