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Energie & Management > Interview - BEE: Erst Strommarkt-Design, dann Kraftwerks-Ausschreibung
Quelle: Fotolia / BillionPhotos
Interview

BEE: Erst Strommarkt-Design, dann Kraftwerks-Ausschreibung

Im E&M-Gespräch warnt BEE-Präsidentin Simone Peter unter anderem vor einer Ausschreibung von 20.000 MW Gaskraftwerken auf die Schnelle. Das GEG dürfe nicht weiter verwässert werden.
Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), hat E&M am 6. Juli ein Interview gegeben.

E&M: Sie hatten sich auf dem BEE-Sommerfest am Vortag mehr Tempo in der Erneuerbaren-Gesetzgebung gewünscht. Gleichzeitig hat das Verfassungsgericht geurteilt, dass das Tempo beim Gebäudeenergiegesetz zu hoch war. 

Simone Peter: Mit der neuen Bundesregierung ist mehr passiert als in den Jahren zuvor. Das ist auch ein Verdienst des Bundeswirtschaftsministeriums und des Ministers. Es sind in den letzten Monaten mehr als 30 Gesetze im Bereich Energie verabschiedet worden. Es fehlen allerdings weitere Verbesserungen: Abbau bürokratischer Hemmnisse, Genehmigungen, Flächen − das alles wurde zwar auf den Wind- und Solargipfeln adressiert. Wir hätten uns aber noch vor der Sommerpause erste Gesetzesinitiativen gewünscht. Auch die Biomasse-Strategie ist unbefriedigend und bei der Wärme geht es zu langsam. 

E&M: Nun ist Sommerpause, und das Gebäudeenergiegesetz − kurz GEG − hängt weiter im Parlament. 

Peter: Das Verfassungsgerichtsurteil hat uns kalt erwischt, weil die Branche auf Planungssicherheit setzt. Ein langes Hickhack hat − auch populistisch verhetzt – dazu geführt, dass mehr Gas- und Ölheizungen bestellt wurden, nachdem wir 2022 während der fossilen Kosten- und Versorgungskrise einen Run auf Wärmepumpen erlebt hatten.

In diese Richtung muss es wieder gehen. Wichtig ist daher, dass das GEG zügig und nicht weiter verwässert nach der Sommerpause verabschiedet wird und zum 1. Januar 2024 greift. Das Verfassungsgericht hat den Beginn nicht angezweifelt. Auch wir Verbände haben immer deutlich gemacht, dass Gesetze nicht durchgepeitscht werden dürfen. Das ist keine echte demokratische Teilhabe. Das Urteil muss deshalb Konsequenzen über das GEG hinaus haben.
 

E&M: Robert Habeck wurde auf dem Fest wie ein Popstar gefeiert. Setzen sie mit ihm wirklich aufs richtige Pferd? 

Peter: Er hat gut herausgearbeitet, dass der Freiheitsbegriff nicht an der Wahl eines Heizkessels hängt, sondern Verantwortung bedeutet. Uns ist wichtig, dass das Ministerium unsere Expertise besser annimmt. 

E&M: Ein Beispiel, bitte. 

Peter: Ein zentraler Punkt ist der künftige Strommarkt. Eine Kraftwerks-Ausschreibung von 20.000 Megawatt auf die Schnelle, wie er derzeit auf der "Plattform Klimaneutrales Stromsystem" − kurz PKNS − besprochen wird, das heißt, ohne einen Plan für das künftige Strommarkt-Design, darf es nicht geben.

E&M: Sie meinen die Gaskraftwerke. 

Peter: Genau. Wir setzen stattdessen auf ein dezentrales, erneuerbares Back-up aus Bioenergie, Wasserkraft, grüner Kraft-Wärme-Kopplung, Speichern und Sektorenkopplung. 9.000 Biogas-Anlagen liefern verlässlich Strom, Wärme oder Moleküle. Damit müssen wir die wetterabhängigen Quellen Sonne und Wind stützen. Das kommt der Volkswirtschaft mehr zugute als importiertes LNG für die Gaskraftwerke, die künftig nur wenige Stunden im Jahr gebraucht werden. Wann es die ersten H2-Gasturbinen im größeren Megawatt-Bereich gibt oder den grünen Wasserstoff, geht möglicherweise weit über 2030 hinaus.
 
BEE-Präsidentin Simone Peter auf dem BEE-Sommerfest am 5. Juli 2023
Quelle: E&M / Georg Eble

E&M: Wir hatten im ersten Halbjahr mehr als die Hälfte Ökostrom in der Nettostromerzeugung, aber am 24. Januar waren es nur 22 Prozent. Was ist ihr Konzept fürs Back-up? Sie waren am 5. Juli in der PKNS dabei. 

Peter: Es gibt auch noch weitere Sitzungen in der zweiten Jahreshälfte. Wir steuern gerade mit viel Sonne und Wind von Rekord zu Rekord. Im Juli lagen wir in den ersten Tagen durchgängig bei fast 80 Prozent des Nettostrombedarfs, in einigen Stunden sogar bei 100 Prozent. Die Strompreise sind daraufhin ins Negative gerutscht. Ab vier Stunden fällt aber die Vergütung für Wind- und Sonnenstrom weg. Das schafft wachsend systematische Probleme.

Wichtig ist zudem, dass der Windenergie-Zubau im Süden endlich vorankommt. Auch Speicher kommen mehr ins Spiel. Die Heimspeicherkapazität wächst momentan rasant an. Das ist natürlich nicht ausreichend, aber es wird perspektivisch auch andere Speicher geben. Zudem braucht es den dezentralen Hochlauf der Sektorkopplungstechnologien wie grüner Wasserstoff.
 

E&M: Die Höchstsätze für Photovoltaik und Wind sind um 25 Prozent erhöht worden. Am Anfang des EEG hieß es, Subventionen seien vorübergehend für den Markthochlauf notwendig. 

Peter: Als wir vor über 20 Jahren mit dem EEG gestartet sind, kosteten Wind- und besonders Solarstrom das Zigfache. Es hat eine enorme Kostendegression stattgefunden, die Erneuerbare heute attraktiver macht als fossile und atomare Energien. Wenn wir jetzt von 25 Prozent Erhöhung reden, ist das bei 5 bis 6 Cent je Kilowattstunde etwas anderes als bis zu 50 Cent damals. Die Anpassung der Höchstsätze wird den massiven Kostensteigerungen durch Lieferkettenprobleme aufgrund der Pandemie und des russischen Angriffskriegs gerecht, bei Umspannwerken zum Beispiel um 250 bis 300 Prozent. Insgesamt liegen wir immer noch unten den Kosten der anderen Energieträger.

Mittwoch, 12.07.2023, 10:17 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Interview - BEE: Erst Strommarkt-Design, dann Kraftwerks-Ausschreibung
Quelle: Fotolia / BillionPhotos
Interview
BEE: Erst Strommarkt-Design, dann Kraftwerks-Ausschreibung
Im E&M-Gespräch warnt BEE-Präsidentin Simone Peter unter anderem vor einer Ausschreibung von 20.000 MW Gaskraftwerken auf die Schnelle. Das GEG dürfe nicht weiter verwässert werden.
Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), hat E&M am 6. Juli ein Interview gegeben.

E&M: Sie hatten sich auf dem BEE-Sommerfest am Vortag mehr Tempo in der Erneuerbaren-Gesetzgebung gewünscht. Gleichzeitig hat das Verfassungsgericht geurteilt, dass das Tempo beim Gebäudeenergiegesetz zu hoch war. 

Simone Peter: Mit der neuen Bundesregierung ist mehr passiert als in den Jahren zuvor. Das ist auch ein Verdienst des Bundeswirtschaftsministeriums und des Ministers. Es sind in den letzten Monaten mehr als 30 Gesetze im Bereich Energie verabschiedet worden. Es fehlen allerdings weitere Verbesserungen: Abbau bürokratischer Hemmnisse, Genehmigungen, Flächen − das alles wurde zwar auf den Wind- und Solargipfeln adressiert. Wir hätten uns aber noch vor der Sommerpause erste Gesetzesinitiativen gewünscht. Auch die Biomasse-Strategie ist unbefriedigend und bei der Wärme geht es zu langsam. 

E&M: Nun ist Sommerpause, und das Gebäudeenergiegesetz − kurz GEG − hängt weiter im Parlament. 

Peter: Das Verfassungsgerichtsurteil hat uns kalt erwischt, weil die Branche auf Planungssicherheit setzt. Ein langes Hickhack hat − auch populistisch verhetzt – dazu geführt, dass mehr Gas- und Ölheizungen bestellt wurden, nachdem wir 2022 während der fossilen Kosten- und Versorgungskrise einen Run auf Wärmepumpen erlebt hatten.

In diese Richtung muss es wieder gehen. Wichtig ist daher, dass das GEG zügig und nicht weiter verwässert nach der Sommerpause verabschiedet wird und zum 1. Januar 2024 greift. Das Verfassungsgericht hat den Beginn nicht angezweifelt. Auch wir Verbände haben immer deutlich gemacht, dass Gesetze nicht durchgepeitscht werden dürfen. Das ist keine echte demokratische Teilhabe. Das Urteil muss deshalb Konsequenzen über das GEG hinaus haben.
 

E&M: Robert Habeck wurde auf dem Fest wie ein Popstar gefeiert. Setzen sie mit ihm wirklich aufs richtige Pferd? 

Peter: Er hat gut herausgearbeitet, dass der Freiheitsbegriff nicht an der Wahl eines Heizkessels hängt, sondern Verantwortung bedeutet. Uns ist wichtig, dass das Ministerium unsere Expertise besser annimmt. 

E&M: Ein Beispiel, bitte. 

Peter: Ein zentraler Punkt ist der künftige Strommarkt. Eine Kraftwerks-Ausschreibung von 20.000 Megawatt auf die Schnelle, wie er derzeit auf der "Plattform Klimaneutrales Stromsystem" − kurz PKNS − besprochen wird, das heißt, ohne einen Plan für das künftige Strommarkt-Design, darf es nicht geben.

E&M: Sie meinen die Gaskraftwerke. 

Peter: Genau. Wir setzen stattdessen auf ein dezentrales, erneuerbares Back-up aus Bioenergie, Wasserkraft, grüner Kraft-Wärme-Kopplung, Speichern und Sektorenkopplung. 9.000 Biogas-Anlagen liefern verlässlich Strom, Wärme oder Moleküle. Damit müssen wir die wetterabhängigen Quellen Sonne und Wind stützen. Das kommt der Volkswirtschaft mehr zugute als importiertes LNG für die Gaskraftwerke, die künftig nur wenige Stunden im Jahr gebraucht werden. Wann es die ersten H2-Gasturbinen im größeren Megawatt-Bereich gibt oder den grünen Wasserstoff, geht möglicherweise weit über 2030 hinaus.
 
BEE-Präsidentin Simone Peter auf dem BEE-Sommerfest am 5. Juli 2023
Quelle: E&M / Georg Eble

E&M: Wir hatten im ersten Halbjahr mehr als die Hälfte Ökostrom in der Nettostromerzeugung, aber am 24. Januar waren es nur 22 Prozent. Was ist ihr Konzept fürs Back-up? Sie waren am 5. Juli in der PKNS dabei. 

Peter: Es gibt auch noch weitere Sitzungen in der zweiten Jahreshälfte. Wir steuern gerade mit viel Sonne und Wind von Rekord zu Rekord. Im Juli lagen wir in den ersten Tagen durchgängig bei fast 80 Prozent des Nettostrombedarfs, in einigen Stunden sogar bei 100 Prozent. Die Strompreise sind daraufhin ins Negative gerutscht. Ab vier Stunden fällt aber die Vergütung für Wind- und Sonnenstrom weg. Das schafft wachsend systematische Probleme.

Wichtig ist zudem, dass der Windenergie-Zubau im Süden endlich vorankommt. Auch Speicher kommen mehr ins Spiel. Die Heimspeicherkapazität wächst momentan rasant an. Das ist natürlich nicht ausreichend, aber es wird perspektivisch auch andere Speicher geben. Zudem braucht es den dezentralen Hochlauf der Sektorkopplungstechnologien wie grüner Wasserstoff.
 

E&M: Die Höchstsätze für Photovoltaik und Wind sind um 25 Prozent erhöht worden. Am Anfang des EEG hieß es, Subventionen seien vorübergehend für den Markthochlauf notwendig. 

Peter: Als wir vor über 20 Jahren mit dem EEG gestartet sind, kosteten Wind- und besonders Solarstrom das Zigfache. Es hat eine enorme Kostendegression stattgefunden, die Erneuerbare heute attraktiver macht als fossile und atomare Energien. Wenn wir jetzt von 25 Prozent Erhöhung reden, ist das bei 5 bis 6 Cent je Kilowattstunde etwas anderes als bis zu 50 Cent damals. Die Anpassung der Höchstsätze wird den massiven Kostensteigerungen durch Lieferkettenprobleme aufgrund der Pandemie und des russischen Angriffskriegs gerecht, bei Umspannwerken zum Beispiel um 250 bis 300 Prozent. Insgesamt liegen wir immer noch unten den Kosten der anderen Energieträger.

Mittwoch, 12.07.2023, 10:17 Uhr
Georg Eble

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