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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Bauern-Power vor dem Aus?
Quelle: Fotolia/Gerhard Seybert
E&M Vor 20 Jahren

Bauern-Power vor dem Aus?

Vor 20 Jahren hatte die Betreiber von Biogasanlagen Befürchtungen, die Bundesregierung könnte die Unterstützung der Branche aufgrund von Haushaltszwängen kürzen.
Ende Juni 2021 hat der Fachverband Biogas eine Mitteilung überschrieben mit „EEG-Reparatur lässt Biogasbranche aufatmen“. Von einer „echten Perspektive“ für tausende Biogasanlagenbetreiber sprach der Verband. Im Jahr 2001 fürchtete die Branche um ihre Perspektive, weil Haushaltsmittel für die Terrorbekämpfung benötigt wurden. Das damals beschworene „Damoklesschwert“ ging allerdings nicht auf die Branche nieder.

Im Sommer 2001 berichtete E&M-Chefreporter Ralf Köpke.

Nigelnagel neu ist die Biogasanlage von Bauer Franz Rox im ostwestfälischen Brakel (Kreis Höxter). Und nicht nur das: mit einer elektrischen Leistung von 500 kW ist das Hof-Kraftwerk das bislang größte in Nordrhein-Westfalen. Rox gewinnt aus der Gülle seiner Schweine und den Abfällen benachbarter Lebensmittelbetriebe nicht nur Strom und Wärme, sondern auch bares Geld. Jede Kilowattstunde Strom muss ihm der örtliche Energieversorger mit 20 Pf. vergüten. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) macht es möglich.

Dass der Betrieb der Anlage bislang keine Probleme macht, darüber freut sich auch Gerrit Holz. Schließlich hat der Geschäftsführer der Biogas Nord GmbH aus Bielefeld das Projekt geplant und gebaut. Abgesehen von der Anlage in Brakel hat der Jungunternehmer derzeit wenig Grund zur Freude: „Noch habe ich Aufträge für die nächsten drei, vier Monate, dann weiß ich nicht, wie es weiter geht und muss wohl Leute entlassen.“

In die Bredouille bringt Holz Bundeswirtschaftsminister Werner Müller mit seiner Entscheidung, das erfolgreiche Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien mit Verweis auf die große Nachfrage per Richtlinie drastisch zu kürzen. Neben der EEG-Vergütung profitierten die Biogasbauern bis Ende Juli auch vom so genannten Teilschulderlass aus dem Förderprogramm, sprich dem Wegfall von mehreren Tilgungsraten. Bei einer Biogasanlage mit einer Leistung von 100 kW und einem Investitionsvolumen von 800.000 DM macht das immerhin rund 250.000 DM aus. „Diese Investitionsförderung ist auch nötig, da es sich bei unseren Anlagen um eine weitgehend neue Technologie handelt“, betont Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbandes Biogas. Für die Kürzung des Förderprogramms hat der Oberbayer folgenden Vergleich parat: „Piloten würden sagen: Das ist wie ein Schubabriss im extremen Steigflug.“

"Es geht um ein rot-grünes Vorzeigeprojekt"

Das Bild stimmt: Allein in diesem Jahr entstanden nach einer Umfrage des Fachverbandes im Biogassektor an die 2.000 neue Arbeitsplätze, 600 Anlagen sollten neu ans Netz gehen – bei etwa 400, die bereits laufen. Nun rechnet Pellmeyer mit einem Rückgang der Investitionen bis zu 70 Prozent, d.h. einen Umsatzeinbruch in Höhe von 300 Mio. DM: „Mit den jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium vorgesehenen zinsverbilligten Darlehen rechnen sich die Biogasanlagen nicht.“

DBV-Präsident Gerd Sonnleitner hat mittlerweile die drei zuständigen Berliner Ministerien für Wirtschaft, Umwelt und Landwirtschaft aufgefordert, die Änderungen in dem Förderprogramm zurückzunehmen. Energie-Referent Forstreuter sieht dafür gute Chancen: „Bei der Förderung erneuerbarer Energien geht es um ein rot-grünes Vorzeigeprojekt.“

Das vor allem den Koalitionsfraktionen am Herzen liegt. Im Hintergrund streiten sich die rot-grünen Abgeordneten mit der eigenen Regierung um die Einnahmen aus der Ökosteuer auf Strom aus erneuerbaren Energien. Ursprünglich sollten die Ökoenergien von dieser Stromsteuer befreit sein, dann beschloss das Schröder-Kabinett als Ausgleich das Marktanreizprogramm, um all die Techniken zu fördern, die von der EEG-Vergütung kostendeckend erfasst werden. Für das kommende Jahr hatten die rot-grünen Energiepolitiker schon eine Aufstockung der Fördermittel um 100 auf 400 Mio. DM für das kommenden Jahr vereinbart, da die Einnahmen aus der ungeliebten Stromsteuer dank des Booms bei den Ökoenergien bei rund 500 Mio. DM liegen.

Diesen Plan durchkreuzte Finanzminister Hans Eichel, dessen Etatentwurf für den Ökotopf nur 200 Mio. DM vorsieht. Sozusagen im vorauseilenden Gehorsam kürzte Kabinettskollege Müller schon einmal die Mittel für dieses Jahr – pikanterweise noch während der Klima-Gipfel in Bonn lief. „Eine unabgesprochene Aktion“, wettert der SPD-Energieexperte Hermann Scheer, „vor Beginn der Sommerpause hatten wir vereinbart, dass es keine Änderung bei der Förderung von Biogas- und Solarthermieanlagen geben soll, bis im September die Haushaltsberatungen beginnen.“ Stinkig verweist der Träger des Alternativen Nobelpreises darauf, „dass die parlamentarische Kontrolle auf Richtlinienänderungen einzelner Ministerien sehr begrenzt ist.“ Eine hitzige Atmosphäre bei den Budgetberatungen ist garantiert.
In Bielefeld hofft Gerrit Holz als Planer von Biogasanlagen, dass sich die rot-grünen Politiker schnell wieder grün werden. Ansonsten drohe bei der Zukunftstechnologie ein Fadenriss. Und noch eines gibt der Ostwestfale zu bedenken: „Wie will Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen, wenn nun der Ausbau der Ökoenergien gekappt werden soll?“

Freitag, 30.07.2021, 16:52 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Bauern-Power vor dem Aus?
Quelle: Fotolia/Gerhard Seybert
E&M Vor 20 Jahren
Bauern-Power vor dem Aus?
Vor 20 Jahren hatte die Betreiber von Biogasanlagen Befürchtungen, die Bundesregierung könnte die Unterstützung der Branche aufgrund von Haushaltszwängen kürzen.
Ende Juni 2021 hat der Fachverband Biogas eine Mitteilung überschrieben mit „EEG-Reparatur lässt Biogasbranche aufatmen“. Von einer „echten Perspektive“ für tausende Biogasanlagenbetreiber sprach der Verband. Im Jahr 2001 fürchtete die Branche um ihre Perspektive, weil Haushaltsmittel für die Terrorbekämpfung benötigt wurden. Das damals beschworene „Damoklesschwert“ ging allerdings nicht auf die Branche nieder.

Im Sommer 2001 berichtete E&M-Chefreporter Ralf Köpke.

Nigelnagel neu ist die Biogasanlage von Bauer Franz Rox im ostwestfälischen Brakel (Kreis Höxter). Und nicht nur das: mit einer elektrischen Leistung von 500 kW ist das Hof-Kraftwerk das bislang größte in Nordrhein-Westfalen. Rox gewinnt aus der Gülle seiner Schweine und den Abfällen benachbarter Lebensmittelbetriebe nicht nur Strom und Wärme, sondern auch bares Geld. Jede Kilowattstunde Strom muss ihm der örtliche Energieversorger mit 20 Pf. vergüten. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) macht es möglich.

Dass der Betrieb der Anlage bislang keine Probleme macht, darüber freut sich auch Gerrit Holz. Schließlich hat der Geschäftsführer der Biogas Nord GmbH aus Bielefeld das Projekt geplant und gebaut. Abgesehen von der Anlage in Brakel hat der Jungunternehmer derzeit wenig Grund zur Freude: „Noch habe ich Aufträge für die nächsten drei, vier Monate, dann weiß ich nicht, wie es weiter geht und muss wohl Leute entlassen.“

In die Bredouille bringt Holz Bundeswirtschaftsminister Werner Müller mit seiner Entscheidung, das erfolgreiche Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien mit Verweis auf die große Nachfrage per Richtlinie drastisch zu kürzen. Neben der EEG-Vergütung profitierten die Biogasbauern bis Ende Juli auch vom so genannten Teilschulderlass aus dem Förderprogramm, sprich dem Wegfall von mehreren Tilgungsraten. Bei einer Biogasanlage mit einer Leistung von 100 kW und einem Investitionsvolumen von 800.000 DM macht das immerhin rund 250.000 DM aus. „Diese Investitionsförderung ist auch nötig, da es sich bei unseren Anlagen um eine weitgehend neue Technologie handelt“, betont Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbandes Biogas. Für die Kürzung des Förderprogramms hat der Oberbayer folgenden Vergleich parat: „Piloten würden sagen: Das ist wie ein Schubabriss im extremen Steigflug.“

"Es geht um ein rot-grünes Vorzeigeprojekt"

Das Bild stimmt: Allein in diesem Jahr entstanden nach einer Umfrage des Fachverbandes im Biogassektor an die 2.000 neue Arbeitsplätze, 600 Anlagen sollten neu ans Netz gehen – bei etwa 400, die bereits laufen. Nun rechnet Pellmeyer mit einem Rückgang der Investitionen bis zu 70 Prozent, d.h. einen Umsatzeinbruch in Höhe von 300 Mio. DM: „Mit den jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium vorgesehenen zinsverbilligten Darlehen rechnen sich die Biogasanlagen nicht.“

DBV-Präsident Gerd Sonnleitner hat mittlerweile die drei zuständigen Berliner Ministerien für Wirtschaft, Umwelt und Landwirtschaft aufgefordert, die Änderungen in dem Förderprogramm zurückzunehmen. Energie-Referent Forstreuter sieht dafür gute Chancen: „Bei der Förderung erneuerbarer Energien geht es um ein rot-grünes Vorzeigeprojekt.“

Das vor allem den Koalitionsfraktionen am Herzen liegt. Im Hintergrund streiten sich die rot-grünen Abgeordneten mit der eigenen Regierung um die Einnahmen aus der Ökosteuer auf Strom aus erneuerbaren Energien. Ursprünglich sollten die Ökoenergien von dieser Stromsteuer befreit sein, dann beschloss das Schröder-Kabinett als Ausgleich das Marktanreizprogramm, um all die Techniken zu fördern, die von der EEG-Vergütung kostendeckend erfasst werden. Für das kommende Jahr hatten die rot-grünen Energiepolitiker schon eine Aufstockung der Fördermittel um 100 auf 400 Mio. DM für das kommenden Jahr vereinbart, da die Einnahmen aus der ungeliebten Stromsteuer dank des Booms bei den Ökoenergien bei rund 500 Mio. DM liegen.

Diesen Plan durchkreuzte Finanzminister Hans Eichel, dessen Etatentwurf für den Ökotopf nur 200 Mio. DM vorsieht. Sozusagen im vorauseilenden Gehorsam kürzte Kabinettskollege Müller schon einmal die Mittel für dieses Jahr – pikanterweise noch während der Klima-Gipfel in Bonn lief. „Eine unabgesprochene Aktion“, wettert der SPD-Energieexperte Hermann Scheer, „vor Beginn der Sommerpause hatten wir vereinbart, dass es keine Änderung bei der Förderung von Biogas- und Solarthermieanlagen geben soll, bis im September die Haushaltsberatungen beginnen.“ Stinkig verweist der Träger des Alternativen Nobelpreises darauf, „dass die parlamentarische Kontrolle auf Richtlinienänderungen einzelner Ministerien sehr begrenzt ist.“ Eine hitzige Atmosphäre bei den Budgetberatungen ist garantiert.
In Bielefeld hofft Gerrit Holz als Planer von Biogasanlagen, dass sich die rot-grünen Politiker schnell wieder grün werden. Ansonsten drohe bei der Zukunftstechnologie ein Fadenriss. Und noch eines gibt der Ostwestfale zu bedenken: „Wie will Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen, wenn nun der Ausbau der Ökoenergien gekappt werden soll?“

Freitag, 30.07.2021, 16:52 Uhr
Ralf Köpke und Fritz Wilhelm

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