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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Auch Richter müssen Prioritäten setzen
Quelle: Fotolia.com, Stefan Welz
E&M Vor 20 Jahren

Auch Richter müssen Prioritäten setzen

Im Jahr 2002 hatte die Übernahme der Ruhrgas AG durch Eon die Energiewirtschaft und die Gerichte beschäftigt. Nach dem Jahreswechsel ging es so weiter.
Angesichts der anfänglichen Widerstände der Aufsichtsbehörden hatten die Verantwortlichen von Eon gehofft, mit einer Reihe von Zugeständnissen und Selbstverpflichtungen die Übernahme des größten deutschen Gasimporteurs schnell über die Bühne zu bringen. Auf die umstrittene Ministererlaubnis vom Juli 2002 folgte im September des Jahres eine nachgebesserte Fassung mit weitreichenderen Auflagen. Diese bezogen sich beispielsweise auf die Abgabe von Firmenbeteiligungen.

Der Kreis der Energieversorger, von denen sich Eon beziehungsweise Ruhrgas nach ihrem Zusammengehen trennen mussten, wurde nicht verändert. Zusätzlich mussten aber beide Unternehmen – und nicht nur Eon – ihre „vertikalen Beteiligungen“ an der Bremer swb AG und an der Münchener Bayerngas AG abgeben. Damit sollte der befürchtete Marktverschließungseffekt gebannt werden. Für den Verkauf der Ruhrgas-Anteile an der VNG Verbundnetz Gas AG wurden die Modalitäten verändert. Bis zu 10 % der VNG-Aktien waren nun vorrangig ostdeutschen Kommunen anzubieten. Nur wenn diese oder die sie vertretende Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH, die die bisherigen kommunalen VNG-Anteile gebündelt hatte, kein Interesse zeigen würde, können die gesamten Eon- und Ruhrgasanteile an einen „strategischen Investor“ verkauft werden.

Weitere Auflagen bezogen sich auf die Flexibilisierung von Energiebezugsverträgen und die Freigabe von Gasmengen für den Handel.

All das half zunächst nichts. Auch Anfang Januar 2003 war die Übernahme noch blockiert, da das Oberlandesgericht die zweite „geheilte“ Ministererlaubnis wenige Wochen zuvor nicht für stichhaltig hielt. Die Richter wiesen sogar auf Verfahrensfehler im Zuge der Ministererlaubnis hin. Der Senat habe aber nicht nur aus verfahrensrechtlichen, sondern auch aus materiellrechtlichen Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis, hieß es damals in der richterlichen Begründung.

„Wir können nun gelassen dem Hauptsacheverfahren entgegenblicken, mit dem wir im Frühjahr nächsten Jahres rechnen“, kommentierte Dieter Attig, Geschäftsführer Stadtwerke Aachen AG – einer der Beschwerdeführer gegen die Übernahme – damals die Entscheidung des Gerichts.

Im neuen Jahr 2003 kommentierte auch E&M-Chefredakteur Helmut Sendner die aktuelle Situation und machte sich Gedanken über die kommenden Monate.

Ob die zuständigen Unkündbaren des Oberlandesgerichts in Düsseldorf wohl an Weihnachten mit ihren Angehörigen darüber gesprochen haben, dass sie da gerade einen schwierigen Fall behandeln mit der geplanten Übernahme der Ruhrgas AG durch die Eon AG? Was wünschen sich mit Wirtschaftsfragen befasste Richter eigentlich untereinander zum neuen Jahr? Mehr Richter, damit ihr Stress abnimmt? Mehr Gehalt, damit der Stress wenigstens besser entlohnt wird?
Wir wissen es nicht. Besser vorstellen kann man sich Gespräche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Eon und der Ruhrgas, bei Thüga und VNG, beim ganzen Rattenschwanz von Unternehmen, die direkt oder indirekt von der gestoppten Ministererlaubnis betroffen sind. Wird der Arbeitsplatz erhalten bleiben bei der Fusion, wird es einen Karriereknick geben, weil nicht Zwei den nur noch einen notwendigen Posten besetzen können. Bange Fragen, düstere Gedanken, auch wenn es nicht zur Verschmelzung kommen sollte.

Man mag zur geplanten Fusion stehen, wie man will: Dass Monate oder vielleicht sogar Jahre ins Land ziehen, bis es zu einer höchst richterlichen Entscheidung für oder wider kommt, das ist ein größerer Standortnachteil als vieles andere, was von den Kassandras in Deutschland debattiert wird. Menschen in den Unternehmen sind gelähmt, Investitionen liegen auf Eis, Strategien werden zur Makulatur. Gewiss: Richter müssen sorgfältig prüfen, aber so schwierig ist die Materie nicht, sie wurde von vielen Stellen schon transparent gemacht. Auch Richter müssen Prioritäten setzen und halbwegs unterscheiden können, in welchen Fällen welcher volkswirtschaftliche Schaden entsteht. Die Akte Eon ist eine Eilsache – so oder so.

Was sich wohl Babcock-Chef Klaus Lederer für das nächste Jahr gewünscht hat? Beim Jahresgehalt noch ein paar hundert Tausend Euro drauf auf das üppige Salär? Einen Job, bei dem er seine Saniererqualitäten endlich richtig beweisen kann? Wir wissen es nicht. Bei den wenigen verbliebenen Babcock-Mitarbeitern kann man es sich schon wieder leichter vorstellen: Einen neuen Besitzer und ein Management, das nicht von der Hand in den Mund leben will und die Qualität der Mitarbeiter langfristig gut vermarktet. Hitachi ist in Oberhausen unterwegs, Mitsubishi will auch in den Ring steigen: Hoffentlich wissen die Japaner deutsche Tradition und Qualität in Geschäft umzuwandeln. Babcock ist nicht am Markt gescheitert, sondern am Management. So ließen sich viele Unternehmen beziehungsweise die Unternehmenslenker nennen, die zu viel Zeit damit verbringen, schlechte politische Rahmenbedingungen zu beklagen, statt unternehmerisch tätig zu sein. Schlechtes Management. Und Golfplätze sind auch nur begrenzt inspirierend, um genauso klischeehaft zu argumentieren wie die Top-Jammerer dieser Republik, die vor lauter Löchern das wirkliche Ziel nicht sehen – das ist das eigentliche Handicap.

Wettbewerb verhindern statt Markt gestalten, auch das ist eine gute Übung vieler Manager, insbesondere in der Versorgungswirtschaft. Der Strom- und Gashandel ist dafür ein beredtes Beispiel.
 

Sonntag, 1.01.2023, 16:46 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Auch Richter müssen Prioritäten setzen
Quelle: Fotolia.com, Stefan Welz
E&M Vor 20 Jahren
Auch Richter müssen Prioritäten setzen
Im Jahr 2002 hatte die Übernahme der Ruhrgas AG durch Eon die Energiewirtschaft und die Gerichte beschäftigt. Nach dem Jahreswechsel ging es so weiter.
Angesichts der anfänglichen Widerstände der Aufsichtsbehörden hatten die Verantwortlichen von Eon gehofft, mit einer Reihe von Zugeständnissen und Selbstverpflichtungen die Übernahme des größten deutschen Gasimporteurs schnell über die Bühne zu bringen. Auf die umstrittene Ministererlaubnis vom Juli 2002 folgte im September des Jahres eine nachgebesserte Fassung mit weitreichenderen Auflagen. Diese bezogen sich beispielsweise auf die Abgabe von Firmenbeteiligungen.

Der Kreis der Energieversorger, von denen sich Eon beziehungsweise Ruhrgas nach ihrem Zusammengehen trennen mussten, wurde nicht verändert. Zusätzlich mussten aber beide Unternehmen – und nicht nur Eon – ihre „vertikalen Beteiligungen“ an der Bremer swb AG und an der Münchener Bayerngas AG abgeben. Damit sollte der befürchtete Marktverschließungseffekt gebannt werden. Für den Verkauf der Ruhrgas-Anteile an der VNG Verbundnetz Gas AG wurden die Modalitäten verändert. Bis zu 10 % der VNG-Aktien waren nun vorrangig ostdeutschen Kommunen anzubieten. Nur wenn diese oder die sie vertretende Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH, die die bisherigen kommunalen VNG-Anteile gebündelt hatte, kein Interesse zeigen würde, können die gesamten Eon- und Ruhrgasanteile an einen „strategischen Investor“ verkauft werden.

Weitere Auflagen bezogen sich auf die Flexibilisierung von Energiebezugsverträgen und die Freigabe von Gasmengen für den Handel.

All das half zunächst nichts. Auch Anfang Januar 2003 war die Übernahme noch blockiert, da das Oberlandesgericht die zweite „geheilte“ Ministererlaubnis wenige Wochen zuvor nicht für stichhaltig hielt. Die Richter wiesen sogar auf Verfahrensfehler im Zuge der Ministererlaubnis hin. Der Senat habe aber nicht nur aus verfahrensrechtlichen, sondern auch aus materiellrechtlichen Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis, hieß es damals in der richterlichen Begründung.

„Wir können nun gelassen dem Hauptsacheverfahren entgegenblicken, mit dem wir im Frühjahr nächsten Jahres rechnen“, kommentierte Dieter Attig, Geschäftsführer Stadtwerke Aachen AG – einer der Beschwerdeführer gegen die Übernahme – damals die Entscheidung des Gerichts.

Im neuen Jahr 2003 kommentierte auch E&M-Chefredakteur Helmut Sendner die aktuelle Situation und machte sich Gedanken über die kommenden Monate.

Ob die zuständigen Unkündbaren des Oberlandesgerichts in Düsseldorf wohl an Weihnachten mit ihren Angehörigen darüber gesprochen haben, dass sie da gerade einen schwierigen Fall behandeln mit der geplanten Übernahme der Ruhrgas AG durch die Eon AG? Was wünschen sich mit Wirtschaftsfragen befasste Richter eigentlich untereinander zum neuen Jahr? Mehr Richter, damit ihr Stress abnimmt? Mehr Gehalt, damit der Stress wenigstens besser entlohnt wird?
Wir wissen es nicht. Besser vorstellen kann man sich Gespräche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Eon und der Ruhrgas, bei Thüga und VNG, beim ganzen Rattenschwanz von Unternehmen, die direkt oder indirekt von der gestoppten Ministererlaubnis betroffen sind. Wird der Arbeitsplatz erhalten bleiben bei der Fusion, wird es einen Karriereknick geben, weil nicht Zwei den nur noch einen notwendigen Posten besetzen können. Bange Fragen, düstere Gedanken, auch wenn es nicht zur Verschmelzung kommen sollte.

Man mag zur geplanten Fusion stehen, wie man will: Dass Monate oder vielleicht sogar Jahre ins Land ziehen, bis es zu einer höchst richterlichen Entscheidung für oder wider kommt, das ist ein größerer Standortnachteil als vieles andere, was von den Kassandras in Deutschland debattiert wird. Menschen in den Unternehmen sind gelähmt, Investitionen liegen auf Eis, Strategien werden zur Makulatur. Gewiss: Richter müssen sorgfältig prüfen, aber so schwierig ist die Materie nicht, sie wurde von vielen Stellen schon transparent gemacht. Auch Richter müssen Prioritäten setzen und halbwegs unterscheiden können, in welchen Fällen welcher volkswirtschaftliche Schaden entsteht. Die Akte Eon ist eine Eilsache – so oder so.

Was sich wohl Babcock-Chef Klaus Lederer für das nächste Jahr gewünscht hat? Beim Jahresgehalt noch ein paar hundert Tausend Euro drauf auf das üppige Salär? Einen Job, bei dem er seine Saniererqualitäten endlich richtig beweisen kann? Wir wissen es nicht. Bei den wenigen verbliebenen Babcock-Mitarbeitern kann man es sich schon wieder leichter vorstellen: Einen neuen Besitzer und ein Management, das nicht von der Hand in den Mund leben will und die Qualität der Mitarbeiter langfristig gut vermarktet. Hitachi ist in Oberhausen unterwegs, Mitsubishi will auch in den Ring steigen: Hoffentlich wissen die Japaner deutsche Tradition und Qualität in Geschäft umzuwandeln. Babcock ist nicht am Markt gescheitert, sondern am Management. So ließen sich viele Unternehmen beziehungsweise die Unternehmenslenker nennen, die zu viel Zeit damit verbringen, schlechte politische Rahmenbedingungen zu beklagen, statt unternehmerisch tätig zu sein. Schlechtes Management. Und Golfplätze sind auch nur begrenzt inspirierend, um genauso klischeehaft zu argumentieren wie die Top-Jammerer dieser Republik, die vor lauter Löchern das wirkliche Ziel nicht sehen – das ist das eigentliche Handicap.

Wettbewerb verhindern statt Markt gestalten, auch das ist eine gute Übung vieler Manager, insbesondere in der Versorgungswirtschaft. Der Strom- und Gashandel ist dafür ein beredtes Beispiel.
 

Sonntag, 1.01.2023, 16:46 Uhr
Helmut Sendner und Fritz Wilhelm

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