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Energie & Management > Windkraft Offshore - Analyst: Man nimmt der Industrie Chance auf günstige PPA
Quelle: Shutterstock
Windkraft Offshore

Analyst: Man nimmt der Industrie Chance auf günstige PPA

Das Wirtschaftsministerium hat sein Ziel konterkariert, der Industrie günstigen Strom zu liefern, indem es offshore einen ungebremsten Preiskampf zuließ. Das sagte ein Experte beim BWO.
Das Design der beiden deutschen Offshore-Windausschreibungen von 2023 hat das Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) konterkariert, der Industrie günstigen Strom zur Verfügung zu stellen, und hat die Eintrittsrechte von Altprojektierern entwertet. Das sagten jeweils die Offshore-Experten Dominik Hübler und Christine Bader am 24. August bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Windparkbetreiber Offshore (BWO).

Bei der größeren der Ausschreibungen, deren Ergebnisse am 12. Juli bekannt wurden, gingen 7.000 MW an BP und Total in jeweils zwei Flächen (wir berichteten). Dafür versprachen die Öl- und Gaskonzerne, 12,6 Milliarden Euro zu zahlen. Das ist weit mehr pro MW als in Ausschreibungen anderer Länder aufgerufen wurde.

Dominik Hübler von Nera Economic Consulting hat diese Kosten auf die MWh während der Laufzeit der künftigen Windparks umgelegt. Er kommt zum Schluss, dass BP und Total je nach erworbener Fläche eine Belastung von 23,74 bis 31,50 Euro/MWh haben, wenn die Kosten auf 20 Jahre verteilt werden, und 16,16 bis 21,44 Euro/MWh, wenn man 30 Jahre ansetzt.

Diese Kosten kommen laut BWO zu den Investitionskosten von 7 Milliarden Euro für jeden der drei 2.000-MW-Nordsee-Windparks und 3,5 Milliarden Euro für die 1.000-MW-Ostseefläche hinzu.

Neuland für die Stromvermarktung

Laut Hübler engten die Gebotspreise den Spielraum der Sieger ein, welche Strompreise sie der Industrie in Power Purchase Agreements (PPA) anbieten könnten, und zwar um diese 16,16 bis 31,50 Euro/MWh. PPA-Preise für Projekte mit hohen Gebotskomponenten wie diese seien aber "Neuland", so Hübler. Vernünftigerweise müssten sie irgendwo zwischen dem Großmarktpreis und den umgelegten Erzeuger-Gesamtkosten landen. Niemand könne Preise diktieren, da auch außerdeutsch hohe Gebote auf Flächen einzupreisen seien. Die Analysten von Pexapark und Bloomberg New Energy Finance wiederum schätzten die Preisrange für 10 bis 15 Jahre laufende grüne PPA bei schätzungsweise 55 bis 63 Euro/MWh - mit starken Abschlägen vom "fairen Marktwert".

Hüblers Fazit: "Man nimmt der Industrie die Chance auf günstige PPA. Das führt zu höheren Industriestrompreisen." Das Gegenteil sei aber das erklärte Ziel des BMWK, das gleichzeitig Milliarden ausgeben will, um den Industriestrompreis zu senken.

Hübler riet dazu, dass der Gesetzgeber die Gebotserlöse für die Ausschreibungen von 2024 in die Zusammenarbeit innerhalb der Offshore-Wertschöpfungskette leitet statt wie 2023 in Netzentgelte, Fischerei und Artenschutz. Stefan Thimm vom BWO forderte wiederholt einen Gebotsdeckel. Anwältin Christine Bader von der Kanzlei Watson Farley Williams empfahl, regte an, Gigawatt-Flächen der Ausschreibung 2024 zugunsten kleinerer Bieter zu teilen.
 
Die Offshore-Experten Christine Bader und Dominik Hübler im Gespräch mit Stefan Thimm vom BWO (unten)
Quelle: BWO

"Eintrittsrechte entwertet"

Bei der August-Ausschreibung um weitere 1.800 MW wiederum hatten zwei Projektierer Eintrittsrechte auf drei der vier Flächen: Sie dürfen einem Sieger die jeweilige Fläche nach dem Zuschlag abnehmen, müssen dann aber auch dessen Gebotspreis übernehmen. 

Daran entzündet sich Baders Kritik: Das Bundesverfassungsgericht hatte beim Wechsel zu Ausschreibungen 2017/2018 die Schaffung der Eintrittsrechte grundsätzlich gebilligt - auf Klage weit fortgeschrittener Altprojektierer, die bereits Millionen Euro in die Untersuchung ihrer Flächen gesteckt hatten, welche nun aber neu ausgeschrieben wurden. Karlsruhe befasste sich damals allerdings noch mit der alten Rechtslage, bei der nur um den Verzicht auf Subventionen gerungen werden sollte, aber noch nicht wie 2023 um die Zahlungsbereitschaft.

RWE und Vattenfall hatten die Projektrechte an drei ausgeschriebenen Flächen gekauft. RWE bekam auf alle den Zuschlag. Auf zwei davon hat RWE ohnehin Eintrittsrechte, auf die dritte, N-6.6 in der Nordsee, aber Vattenfall. Der schwedische Konzern hat sich am 24. August noch nicht entschieden, ob er sein Eintrittsrecht wahrnimmt, so ein Sprecher auf Anfrage. Zeit hat Vattenfall dazu bis 14. September.

Bei dieser Fläche hat RWE möglicherweise mit einer hohen Zahlungsbereitschaft gewonnen. Vattenfall müsste den Gebotspreis von RWE zahlen, wenn es die Fläche RWE abnehmen will. Wie viel das bei N-6.6 ist, hat die Bundesnetzagentur verschwiegen. Der Regulierer hatte nur die kumulierten Gebote auf alle vier Flächen bekannt gegeben: 784 Millionen Euro. Bader mutmaßte über den Grund: um Geschäftsgeheimnisse zu schützen.

Vattenfall muss also vielleicht auf eine Fläche nochmal zahlen, die der Konzern schon hatte. Christine Bader sprach daher von einer "Entwertung des Eintrittsrechts, die man allerdings nicht quantifizieren kann". Die Position der Altrechte-Inhaber habe sich jedenfalls durch die Pflicht, das Gebot des vorläufigen Siegers zu übernehmen, gegenüber der Bewertung des Verfassungsgerichts "verschlechtert". Das sei "problematisch".

Donnerstag, 24.08.2023, 16:32 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Windkraft Offshore - Analyst: Man nimmt der Industrie Chance auf günstige PPA
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Windkraft Offshore
Analyst: Man nimmt der Industrie Chance auf günstige PPA
Das Wirtschaftsministerium hat sein Ziel konterkariert, der Industrie günstigen Strom zu liefern, indem es offshore einen ungebremsten Preiskampf zuließ. Das sagte ein Experte beim BWO.
Das Design der beiden deutschen Offshore-Windausschreibungen von 2023 hat das Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) konterkariert, der Industrie günstigen Strom zur Verfügung zu stellen, und hat die Eintrittsrechte von Altprojektierern entwertet. Das sagten jeweils die Offshore-Experten Dominik Hübler und Christine Bader am 24. August bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Windparkbetreiber Offshore (BWO).

Bei der größeren der Ausschreibungen, deren Ergebnisse am 12. Juli bekannt wurden, gingen 7.000 MW an BP und Total in jeweils zwei Flächen (wir berichteten). Dafür versprachen die Öl- und Gaskonzerne, 12,6 Milliarden Euro zu zahlen. Das ist weit mehr pro MW als in Ausschreibungen anderer Länder aufgerufen wurde.

Dominik Hübler von Nera Economic Consulting hat diese Kosten auf die MWh während der Laufzeit der künftigen Windparks umgelegt. Er kommt zum Schluss, dass BP und Total je nach erworbener Fläche eine Belastung von 23,74 bis 31,50 Euro/MWh haben, wenn die Kosten auf 20 Jahre verteilt werden, und 16,16 bis 21,44 Euro/MWh, wenn man 30 Jahre ansetzt.

Diese Kosten kommen laut BWO zu den Investitionskosten von 7 Milliarden Euro für jeden der drei 2.000-MW-Nordsee-Windparks und 3,5 Milliarden Euro für die 1.000-MW-Ostseefläche hinzu.

Neuland für die Stromvermarktung

Laut Hübler engten die Gebotspreise den Spielraum der Sieger ein, welche Strompreise sie der Industrie in Power Purchase Agreements (PPA) anbieten könnten, und zwar um diese 16,16 bis 31,50 Euro/MWh. PPA-Preise für Projekte mit hohen Gebotskomponenten wie diese seien aber "Neuland", so Hübler. Vernünftigerweise müssten sie irgendwo zwischen dem Großmarktpreis und den umgelegten Erzeuger-Gesamtkosten landen. Niemand könne Preise diktieren, da auch außerdeutsch hohe Gebote auf Flächen einzupreisen seien. Die Analysten von Pexapark und Bloomberg New Energy Finance wiederum schätzten die Preisrange für 10 bis 15 Jahre laufende grüne PPA bei schätzungsweise 55 bis 63 Euro/MWh - mit starken Abschlägen vom "fairen Marktwert".

Hüblers Fazit: "Man nimmt der Industrie die Chance auf günstige PPA. Das führt zu höheren Industriestrompreisen." Das Gegenteil sei aber das erklärte Ziel des BMWK, das gleichzeitig Milliarden ausgeben will, um den Industriestrompreis zu senken.

Hübler riet dazu, dass der Gesetzgeber die Gebotserlöse für die Ausschreibungen von 2024 in die Zusammenarbeit innerhalb der Offshore-Wertschöpfungskette leitet statt wie 2023 in Netzentgelte, Fischerei und Artenschutz. Stefan Thimm vom BWO forderte wiederholt einen Gebotsdeckel. Anwältin Christine Bader von der Kanzlei Watson Farley Williams empfahl, regte an, Gigawatt-Flächen der Ausschreibung 2024 zugunsten kleinerer Bieter zu teilen.
 
Die Offshore-Experten Christine Bader und Dominik Hübler im Gespräch mit Stefan Thimm vom BWO (unten)
Quelle: BWO

"Eintrittsrechte entwertet"

Bei der August-Ausschreibung um weitere 1.800 MW wiederum hatten zwei Projektierer Eintrittsrechte auf drei der vier Flächen: Sie dürfen einem Sieger die jeweilige Fläche nach dem Zuschlag abnehmen, müssen dann aber auch dessen Gebotspreis übernehmen. 

Daran entzündet sich Baders Kritik: Das Bundesverfassungsgericht hatte beim Wechsel zu Ausschreibungen 2017/2018 die Schaffung der Eintrittsrechte grundsätzlich gebilligt - auf Klage weit fortgeschrittener Altprojektierer, die bereits Millionen Euro in die Untersuchung ihrer Flächen gesteckt hatten, welche nun aber neu ausgeschrieben wurden. Karlsruhe befasste sich damals allerdings noch mit der alten Rechtslage, bei der nur um den Verzicht auf Subventionen gerungen werden sollte, aber noch nicht wie 2023 um die Zahlungsbereitschaft.

RWE und Vattenfall hatten die Projektrechte an drei ausgeschriebenen Flächen gekauft. RWE bekam auf alle den Zuschlag. Auf zwei davon hat RWE ohnehin Eintrittsrechte, auf die dritte, N-6.6 in der Nordsee, aber Vattenfall. Der schwedische Konzern hat sich am 24. August noch nicht entschieden, ob er sein Eintrittsrecht wahrnimmt, so ein Sprecher auf Anfrage. Zeit hat Vattenfall dazu bis 14. September.

Bei dieser Fläche hat RWE möglicherweise mit einer hohen Zahlungsbereitschaft gewonnen. Vattenfall müsste den Gebotspreis von RWE zahlen, wenn es die Fläche RWE abnehmen will. Wie viel das bei N-6.6 ist, hat die Bundesnetzagentur verschwiegen. Der Regulierer hatte nur die kumulierten Gebote auf alle vier Flächen bekannt gegeben: 784 Millionen Euro. Bader mutmaßte über den Grund: um Geschäftsgeheimnisse zu schützen.

Vattenfall muss also vielleicht auf eine Fläche nochmal zahlen, die der Konzern schon hatte. Christine Bader sprach daher von einer "Entwertung des Eintrittsrechts, die man allerdings nicht quantifizieren kann". Die Position der Altrechte-Inhaber habe sich jedenfalls durch die Pflicht, das Gebot des vorläufigen Siegers zu übernehmen, gegenüber der Bewertung des Verfassungsgerichts "verschlechtert". Das sei "problematisch".

Donnerstag, 24.08.2023, 16:32 Uhr
Georg Eble

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