E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Klimaschutz - Agora fordert Fortschreibung des Klimapaktes
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Klimaschutz

Agora fordert Fortschreibung des Klimapaktes

Konservative und rechtspopulistische Parteien könnten im nächsten Europaparlament mehr Einfluss bekommen. Klimaschützer fürchten eine Wende in der europäischen Klimapolitik.
 
Das politische Umfeld für die Fortsetzung des Klimapaktes („Green Deal“) habe sich in den letzten Jahren stark verändert, sagte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Denkfabrik Agora, Jos Delbeke, in Brüssel. Angesichts der neuen geopolitischen Lage erhielten sicherheitspolitische Ãœberlegungen einen höheren Stellenwert und die EU müsse in den nächsten Jahren, wenn die Corona-Kredite aufgebraucht seien, mit weniger Geld auskommen.

Die Klimapolitik, in der bislang Pragmatismus vorgeherrscht habe, werde von den erstarkten rechten Parteien grundsätzlich und ideologisch in Frage gestellt. Eine Analyse der Denkfabrik Agora kommt zu dem Ergebnis, dass das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Klimakrise zwar gestiegen sei, die Bereitschaft etwas dagegen zu unternehmen jedoch zurückzugehen scheine. Die Bürger bekämen die Folgen der Klimapolitik immer deutlicher zu spüren. Das gelte vor allem für die Bevölkerungsgruppen, die nicht investieren könnten, um sich vor den steigenden Kosten fossiler Energien zu schützen. Um die Folgen des Klimawandels auszugleichen, müsse mehr in die Anpassung investiert werden, heißt es in dem Bericht. Hinzu komme, dass die von der EU angestrebte Führungsrolle bei den „grünen“ Technologien immer erfolgreicher von China und den USA in Frage gestellt werde.

Nach Ansicht der Agora bleibt noch viel zu tun, um den Klimapakt zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Für die nächsten fünf Jahre hat die Denkfabrik eine Liste von Herausforderungen zusammengestellt, die man in Brüssel angehen müsse. Neben der Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen müsse sich die EU um die Fortsetzung der Klimapolitik nach 2030 kümmern.

Langfristige Strategien notwendig

Dazu gehöre als erstes ein anspruchsvolles Klimaziel für 2040. Für „realistisch“ hält man bei der Agora eine Reduzierung der Treibhausgase um 90 Prozent gegenüber 1990. Eine rechtzeitige Entscheidung sei wichtig für Investoren und die Planung der Infrastruktur aber auch für die Finanzplanung der EU.

Die nächste Kommission müsse sich außerdem mit einer Reihe von Problemen befassen, die sich aus den bisherigen Beschlüssen ergeben. Dazu gehört, was man in Brüssel das „Endspiel“ im Emissionshandel (Emissions Trading System, kurz ETS) nennt. Damit ist gemeint, dass die Emissionen im ETS1 (Industrie und Energie) 2039 und im ETS2 (Verkehr und Gebäude) 2044 auf Null sinken sollen. Die Frage ist, ob und wie der Emisionshandel danach weitergehen soll. Denkbar wären zum Beispiel Zertifikate für „negative“ Emissionen.

Weiterentwickelt werden müsse auch der Schutz gegen die Abwanderung der Industrie und die Verlagerung von Emssionen in Drittstaaten („carbon leakage“), die in den nächsten Jahren noch durch Gratiszertifikate und den Klimazoll „CBAM“ verhindert werden soll. Dass es bislang keinen „international akzeptierten Ansatz“ in diesem Bereich gebe, könne eine effektive Klimapolitik unterminieren.

Unklar sei auch, wie es mit der Senkung der CO2-Emissionen nach 2040 weitergehe. Hier gehe es um Sektoren wie die Landwirtschaft, den internationalen Luft- und Seeverkehr oder die Zementindustrie, wo die Emissionen besonders schwer reduziert werden könnten. Ihre Dekarbonisierung sei besonders kostspielig und mache den Einsatz von Technologien wie der direkten Entnahme und Einlagerung von CO2 notwendig.

Ihrem Ende nähere sich auch die sogenannte Lastenteilung zwischen den Mitgliedsstaaten der EU. Bislang mussten Länder mit einem geringen Pro-Kopf-Einkommen ihre Treibhausgase weniger reduzieren als die wohlhabenderen. Nach 2030 müssten diese Länder ihre CO2-Emissionen deswegen besonders deutlich zurückführen.

Finanzielle Folgen mitdenken

Eine erfolgreiche Klimapolitik habe Folgen für die Staatseinnahmen. 2021 nahmen die EU-Staaten nach Angaben der Agora 260 Milliarden Euro Energiesteuern ein, das waren 4,3 Prozent ihrer Einnahmen. Der Löwenanteil davon entfiel auf die Besteuerung von Öl(produkten) und Gas. Diese Einnahmen sinken, wenn weniger Öl und Gas verbraucht wird.

Während die Senkung der Treibhausgase bislang vor allem in der Industrie erfolgte, müssten in Zukunft besonders die privaten Haushalte ihren CO2-Ausstoß reduzieren. Die Investitionen für neue Autos, Heizungen oder die Modernisierung der Wohnungen könnten wahrscheinlich nicht von allen Verbrauchern finanziert werden, so dass sozial schwache Haushalte finanziell unterstützt werden müssten.

Die Landwirtschaft ist nach Ansicht der Agora gegenwärtig der Sektor mit den höchsten Emissionen. Sie benötige deswegen stärkere Anreize, weniger Treibhausgase zu erzeugen, zum Beispiel durch eine Bepreisung dieser Emissionen im Rahmen des ETS. Die zusätzlichen Einnahmen würden für die Transformation der Branche zur Verfügung stehen.

Der Rückgang der fossilen Technologien werde in den 2030ger Jahren zu einem Rückbau der dafür notwendigen Infrastruktur führen. Dadurch könne es zu Preissteigerungen und Lieferengpässen kommen. Eine rechtzeitige Planung könne das verhindern.

Schließlich müssten sich die Europäer auf ein völlig neues, geopolitisches Umfeld einstellen. Der Einsatz neuer Technologien wie der erneuerbaren Energien oder von Elektrofahrzeugen werde die Kapital- und Warenströme umlenken: von Öl und Gas zu sauberen Technologien und den dafür notwendigen Rohstoffen. Das könne zu Spannungen führen, auf die die EU vorbereitet sein sollte.

Donnerstag, 25.01.2024, 18:11 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Klimaschutz - Agora fordert Fortschreibung des Klimapaktes
Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Klimaschutz
Agora fordert Fortschreibung des Klimapaktes
Konservative und rechtspopulistische Parteien könnten im nächsten Europaparlament mehr Einfluss bekommen. Klimaschützer fürchten eine Wende in der europäischen Klimapolitik.
 
Das politische Umfeld für die Fortsetzung des Klimapaktes („Green Deal“) habe sich in den letzten Jahren stark verändert, sagte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Denkfabrik Agora, Jos Delbeke, in Brüssel. Angesichts der neuen geopolitischen Lage erhielten sicherheitspolitische Ãœberlegungen einen höheren Stellenwert und die EU müsse in den nächsten Jahren, wenn die Corona-Kredite aufgebraucht seien, mit weniger Geld auskommen.

Die Klimapolitik, in der bislang Pragmatismus vorgeherrscht habe, werde von den erstarkten rechten Parteien grundsätzlich und ideologisch in Frage gestellt. Eine Analyse der Denkfabrik Agora kommt zu dem Ergebnis, dass das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Klimakrise zwar gestiegen sei, die Bereitschaft etwas dagegen zu unternehmen jedoch zurückzugehen scheine. Die Bürger bekämen die Folgen der Klimapolitik immer deutlicher zu spüren. Das gelte vor allem für die Bevölkerungsgruppen, die nicht investieren könnten, um sich vor den steigenden Kosten fossiler Energien zu schützen. Um die Folgen des Klimawandels auszugleichen, müsse mehr in die Anpassung investiert werden, heißt es in dem Bericht. Hinzu komme, dass die von der EU angestrebte Führungsrolle bei den „grünen“ Technologien immer erfolgreicher von China und den USA in Frage gestellt werde.

Nach Ansicht der Agora bleibt noch viel zu tun, um den Klimapakt zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Für die nächsten fünf Jahre hat die Denkfabrik eine Liste von Herausforderungen zusammengestellt, die man in Brüssel angehen müsse. Neben der Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen müsse sich die EU um die Fortsetzung der Klimapolitik nach 2030 kümmern.

Langfristige Strategien notwendig

Dazu gehöre als erstes ein anspruchsvolles Klimaziel für 2040. Für „realistisch“ hält man bei der Agora eine Reduzierung der Treibhausgase um 90 Prozent gegenüber 1990. Eine rechtzeitige Entscheidung sei wichtig für Investoren und die Planung der Infrastruktur aber auch für die Finanzplanung der EU.

Die nächste Kommission müsse sich außerdem mit einer Reihe von Problemen befassen, die sich aus den bisherigen Beschlüssen ergeben. Dazu gehört, was man in Brüssel das „Endspiel“ im Emissionshandel (Emissions Trading System, kurz ETS) nennt. Damit ist gemeint, dass die Emissionen im ETS1 (Industrie und Energie) 2039 und im ETS2 (Verkehr und Gebäude) 2044 auf Null sinken sollen. Die Frage ist, ob und wie der Emisionshandel danach weitergehen soll. Denkbar wären zum Beispiel Zertifikate für „negative“ Emissionen.

Weiterentwickelt werden müsse auch der Schutz gegen die Abwanderung der Industrie und die Verlagerung von Emssionen in Drittstaaten („carbon leakage“), die in den nächsten Jahren noch durch Gratiszertifikate und den Klimazoll „CBAM“ verhindert werden soll. Dass es bislang keinen „international akzeptierten Ansatz“ in diesem Bereich gebe, könne eine effektive Klimapolitik unterminieren.

Unklar sei auch, wie es mit der Senkung der CO2-Emissionen nach 2040 weitergehe. Hier gehe es um Sektoren wie die Landwirtschaft, den internationalen Luft- und Seeverkehr oder die Zementindustrie, wo die Emissionen besonders schwer reduziert werden könnten. Ihre Dekarbonisierung sei besonders kostspielig und mache den Einsatz von Technologien wie der direkten Entnahme und Einlagerung von CO2 notwendig.

Ihrem Ende nähere sich auch die sogenannte Lastenteilung zwischen den Mitgliedsstaaten der EU. Bislang mussten Länder mit einem geringen Pro-Kopf-Einkommen ihre Treibhausgase weniger reduzieren als die wohlhabenderen. Nach 2030 müssten diese Länder ihre CO2-Emissionen deswegen besonders deutlich zurückführen.

Finanzielle Folgen mitdenken

Eine erfolgreiche Klimapolitik habe Folgen für die Staatseinnahmen. 2021 nahmen die EU-Staaten nach Angaben der Agora 260 Milliarden Euro Energiesteuern ein, das waren 4,3 Prozent ihrer Einnahmen. Der Löwenanteil davon entfiel auf die Besteuerung von Öl(produkten) und Gas. Diese Einnahmen sinken, wenn weniger Öl und Gas verbraucht wird.

Während die Senkung der Treibhausgase bislang vor allem in der Industrie erfolgte, müssten in Zukunft besonders die privaten Haushalte ihren CO2-Ausstoß reduzieren. Die Investitionen für neue Autos, Heizungen oder die Modernisierung der Wohnungen könnten wahrscheinlich nicht von allen Verbrauchern finanziert werden, so dass sozial schwache Haushalte finanziell unterstützt werden müssten.

Die Landwirtschaft ist nach Ansicht der Agora gegenwärtig der Sektor mit den höchsten Emissionen. Sie benötige deswegen stärkere Anreize, weniger Treibhausgase zu erzeugen, zum Beispiel durch eine Bepreisung dieser Emissionen im Rahmen des ETS. Die zusätzlichen Einnahmen würden für die Transformation der Branche zur Verfügung stehen.

Der Rückgang der fossilen Technologien werde in den 2030ger Jahren zu einem Rückbau der dafür notwendigen Infrastruktur führen. Dadurch könne es zu Preissteigerungen und Lieferengpässen kommen. Eine rechtzeitige Planung könne das verhindern.

Schließlich müssten sich die Europäer auf ein völlig neues, geopolitisches Umfeld einstellen. Der Einsatz neuer Technologien wie der erneuerbaren Energien oder von Elektrofahrzeugen werde die Kapital- und Warenströme umlenken: von Öl und Gas zu sauberen Technologien und den dafür notwendigen Rohstoffen. Das könne zu Spannungen führen, auf die die EU vorbereitet sein sollte.

Donnerstag, 25.01.2024, 18:11 Uhr
Tom Weingärtner

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.