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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Die Wärmewende ist auch in Großstädten machbar“
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

„Die Wärmewende ist auch in Großstädten machbar“

Im Projekt „WäNEff“ untersucht das Fraunhofer IFAM mit Partnern, wie Fernwärme effizient gestaltet werden kann. E&M sprach darüber mit Projektleiterin Lena Vorspel. 
Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM untersucht im Projekt „WäNEff“ gemeinsam mit Partnern, wie Effizienz von Fernwärme definiert werden muss, um die Dekarbonisierung bis 2045 zu ermöglichen und zu fördern. Lena Vorspel, Projektleiterin in der Abteilung Energiesystemanalyse am Fraunhofer IFAM, erklärt, wie das praktisch umgesetzt werden kann.

E&M: Frau Vorspel, welche Effizienzkriterien leiten Sie konkret aus Ihrem Projekt ‚WäNEff‘ ab, um Fernwärmenetze effizienter zu machen?

Vorspel: Das Projekt läuft noch, Ergebnisse können wir erst im Frühjahr 2026 beim Abschlussworkshop in Berlin vorstellen. Klar ist aber: Wir müssen mit teils konkurrierenden Effekten umgehen. Niedrige Vorlauftemperaturen sind für erneuerbare Wärmequellen vorteilhaft, gleichzeitig erfordert die bestehende Netzinfrastruktur in großen Bestandsnetzen Kompromisse zwischen Leistung und Temperaturniveau. Ein zentraler Hebel ist das Absenken der Rücklauftemperatur. So entsteht Potenzial für mehr Leistung und Nachverdichtung − mit sinkenden Verlusten pro Anschluss − oder für eine Absenkung der Vorlauftemperatur. Letzteres erhöht bei Großwärmepumpen den COP (Coefficient of Performance; d. Red.) und senkt die Verteilverluste. Sind lokal Wärmequellen mit hohem Temperaturniveau verfügbar, sollte jedoch die Ausnutzung im Vordergrund stehen, nicht zwingend die Absenkung der Temperaturen.

E&M: Sind aktuelle Technologien wie Großwärmepumpen, Power-to-Heat oder saisonale Speicher bereits skalierbar genug, um Netze bei reduzierten Temperaturen sicher und wirtschaftlich zu betreiben?

Vorspel: Technisch gesehen, ja. Dänemark zeigt seit Jahren, dass diese Technologien im zweistelligen Megawattbereich einsatzbereit sind. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Beispiele mit Großwärmepumpen ab 20 MW. Wirtschaftlich sieht es anders aus: Ohne Förderung sind solche Projekte derzeit nicht darstellbar, fossile Wärme ist schlicht zu günstig. Neben Förderungen braucht es ein angepasstes Strommarktdesign. Denn Wärmenetze sind selbst Speicher − in Kombination mit Großwärmepumpen könnten sie Regellast für den Strommarkt darstellen. Dafür müssten jedoch passende Geschäftsmodelle geschaffen werden.

E&M: In Ihrem Effizienzkriteriensystem legen Sie Wert auf einen hohen Anteil erneuerbarer Energien und minimale Verluste. Lassen sich beide Anforderungen in Niedrigtemperaturnetzen gut vereinen?

Vorspel: Ja, Niedrigtemperaturnetze erfüllen den Anspruch geringer Verluste fast automatisch. Auch die Einbindung erneuerbarer Wärme gelingt dort sehr gut. Herausfordernder sind Bestandsnetze: Dort lassen sich die Temperaturen nicht beliebig absenken, weil nicht alle Gebäude schnell genug angepasst werden können. Für die steigenden Fernwärmequoten braucht es zudem Nachverdichtung und Netzausbau. Trotzdem sind relevante Temperaturabsenkungen möglich, etwa durch Sanierungen, angepasste Heiztechnik und dezentrale Nacherhitzung bei Gewerbekunden. Voraussetzung sind Messsysteme, die die nötigen Parameter erfassen.

E&M: Wäre ein Drittzugang hilfreich, um externe Anbieter wie Wärmepumpenanlagen oder Abwärmenutzer besser einzubinden?

Vorspel: Sicher, Drittzugang kann ein Hebel sein. Zwar haben Wärmeversorger wie Abwärmeanbieter durch Gesetzgebung und das Abwärmekataster schon den Druck zusammenzufinden. Doch in der Praxis ziehen sich Prozesse oft in die Länge. Ein verbindliches Drittzugangskonzept könnte Transparenz schaffen, klare Regeln für die frühe Einbindung und den Informationsaustausch setzen sowie eine regulatorische Schlichtungsinstanz etablieren. Das zentrale Problem liegt weniger im fehlenden Willen, sondern in den Investitionsrisiken − sowohl beim Netzausbau als auch bei den Wärmequellen. Hier könnte ein kollektives Versicherungsmodell helfen, die Risiken über viele Netze hinweg abzusichern.

E&M: Welche Förder- und Ordnungsrahmen sind nötig, um hocheffiziente Wärmenetze hochzufahren?

Vorspel: Bis 2045 soll der Fernwärmeanteil am Endenergieverbrauch deutlich steigen. Dafür müssen Netze ausgebaut, nachverdichtet und Abwärme besser eingebunden werden. Ordnungsrechtlich bräuchte es einheitliche Regeln für die Abwärmeeinspeisung, damit Fragen wie das Adressrisiko nicht jedes Mal neu verhandelt werden. Wirtschaftlich entscheidend sind ein realistischer CO2-Preis und der Abbau fossiler Subventionen − flankiert durch das Klimageld, um Energiearmut vorzubeugen. Der Markthochlauf wird aber nicht allein durch Marktkräfte gelingen. Nötig sind ein stabiler Regel- und Förderrahmen sowie klare politische Signale für die Fortsetzung der Klimapolitik.

E&M: Welche Rolle spielen kommunale Wärmeplanung und quartiersbezogene Analysen für die Umsetzung?

Vorspel: Sie sind eine wichtige Informationsgrundlage − für Eigentümer, welche Heiztechnik zu erwarten ist, und für Kommunen und EVU als Planungsbasis. Sie legen jedoch nicht die Detailplanung von Technik oder Netzzonen fest. Das bleibt eine Aufgabe der nächsten Stufe.

E&M: München oder Berlin setzen bereits auf Geothermie und Abwärme. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?

Vorspel: Diese Städte stellen ihre großen Bestandsnetze nicht auf Niedrigtemperatur um, sie dekarbonisieren aber mit lokal verfügbaren Quellen. Die zentrale Erkenntnis: Die Wärmewende in Großstädten ist machbar. Studien wie die ‚Wärmestudie NRW‘ zeigen zudem, dass fast alle Kommunen ausreichend Potenzial haben. Entscheidend ist, diese Quellen auch tatsächlich zu erschließen. Großwärmepumpen können als Regellast netzdienlich wirken, Windstromüberschüsse im Winter können den Wärmepreis senken. Ergänzend braucht es an einzelnen Standorten CCS oder CCU. Gut ausgearbeitete kommunale Wärmepläne liefern die Basis, um daraus lokale Wärmewendestrategien abzuleiten.
 
Lena Vorspel
Quelle: Fraunhofer IFAM

Freitag, 7.11.2025, 09:05 Uhr
Frank Urbansky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Die Wärmewende ist auch in Großstädten machbar“
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
„Die Wärmewende ist auch in Großstädten machbar“
Im Projekt „WäNEff“ untersucht das Fraunhofer IFAM mit Partnern, wie Fernwärme effizient gestaltet werden kann. E&M sprach darüber mit Projektleiterin Lena Vorspel. 
Das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM untersucht im Projekt „WäNEff“ gemeinsam mit Partnern, wie Effizienz von Fernwärme definiert werden muss, um die Dekarbonisierung bis 2045 zu ermöglichen und zu fördern. Lena Vorspel, Projektleiterin in der Abteilung Energiesystemanalyse am Fraunhofer IFAM, erklärt, wie das praktisch umgesetzt werden kann.

E&M: Frau Vorspel, welche Effizienzkriterien leiten Sie konkret aus Ihrem Projekt ‚WäNEff‘ ab, um Fernwärmenetze effizienter zu machen?

Vorspel: Das Projekt läuft noch, Ergebnisse können wir erst im Frühjahr 2026 beim Abschlussworkshop in Berlin vorstellen. Klar ist aber: Wir müssen mit teils konkurrierenden Effekten umgehen. Niedrige Vorlauftemperaturen sind für erneuerbare Wärmequellen vorteilhaft, gleichzeitig erfordert die bestehende Netzinfrastruktur in großen Bestandsnetzen Kompromisse zwischen Leistung und Temperaturniveau. Ein zentraler Hebel ist das Absenken der Rücklauftemperatur. So entsteht Potenzial für mehr Leistung und Nachverdichtung − mit sinkenden Verlusten pro Anschluss − oder für eine Absenkung der Vorlauftemperatur. Letzteres erhöht bei Großwärmepumpen den COP (Coefficient of Performance; d. Red.) und senkt die Verteilverluste. Sind lokal Wärmequellen mit hohem Temperaturniveau verfügbar, sollte jedoch die Ausnutzung im Vordergrund stehen, nicht zwingend die Absenkung der Temperaturen.

E&M: Sind aktuelle Technologien wie Großwärmepumpen, Power-to-Heat oder saisonale Speicher bereits skalierbar genug, um Netze bei reduzierten Temperaturen sicher und wirtschaftlich zu betreiben?

Vorspel: Technisch gesehen, ja. Dänemark zeigt seit Jahren, dass diese Technologien im zweistelligen Megawattbereich einsatzbereit sind. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Beispiele mit Großwärmepumpen ab 20 MW. Wirtschaftlich sieht es anders aus: Ohne Förderung sind solche Projekte derzeit nicht darstellbar, fossile Wärme ist schlicht zu günstig. Neben Förderungen braucht es ein angepasstes Strommarktdesign. Denn Wärmenetze sind selbst Speicher − in Kombination mit Großwärmepumpen könnten sie Regellast für den Strommarkt darstellen. Dafür müssten jedoch passende Geschäftsmodelle geschaffen werden.

E&M: In Ihrem Effizienzkriteriensystem legen Sie Wert auf einen hohen Anteil erneuerbarer Energien und minimale Verluste. Lassen sich beide Anforderungen in Niedrigtemperaturnetzen gut vereinen?

Vorspel: Ja, Niedrigtemperaturnetze erfüllen den Anspruch geringer Verluste fast automatisch. Auch die Einbindung erneuerbarer Wärme gelingt dort sehr gut. Herausfordernder sind Bestandsnetze: Dort lassen sich die Temperaturen nicht beliebig absenken, weil nicht alle Gebäude schnell genug angepasst werden können. Für die steigenden Fernwärmequoten braucht es zudem Nachverdichtung und Netzausbau. Trotzdem sind relevante Temperaturabsenkungen möglich, etwa durch Sanierungen, angepasste Heiztechnik und dezentrale Nacherhitzung bei Gewerbekunden. Voraussetzung sind Messsysteme, die die nötigen Parameter erfassen.

E&M: Wäre ein Drittzugang hilfreich, um externe Anbieter wie Wärmepumpenanlagen oder Abwärmenutzer besser einzubinden?

Vorspel: Sicher, Drittzugang kann ein Hebel sein. Zwar haben Wärmeversorger wie Abwärmeanbieter durch Gesetzgebung und das Abwärmekataster schon den Druck zusammenzufinden. Doch in der Praxis ziehen sich Prozesse oft in die Länge. Ein verbindliches Drittzugangskonzept könnte Transparenz schaffen, klare Regeln für die frühe Einbindung und den Informationsaustausch setzen sowie eine regulatorische Schlichtungsinstanz etablieren. Das zentrale Problem liegt weniger im fehlenden Willen, sondern in den Investitionsrisiken − sowohl beim Netzausbau als auch bei den Wärmequellen. Hier könnte ein kollektives Versicherungsmodell helfen, die Risiken über viele Netze hinweg abzusichern.

E&M: Welche Förder- und Ordnungsrahmen sind nötig, um hocheffiziente Wärmenetze hochzufahren?

Vorspel: Bis 2045 soll der Fernwärmeanteil am Endenergieverbrauch deutlich steigen. Dafür müssen Netze ausgebaut, nachverdichtet und Abwärme besser eingebunden werden. Ordnungsrechtlich bräuchte es einheitliche Regeln für die Abwärmeeinspeisung, damit Fragen wie das Adressrisiko nicht jedes Mal neu verhandelt werden. Wirtschaftlich entscheidend sind ein realistischer CO2-Preis und der Abbau fossiler Subventionen − flankiert durch das Klimageld, um Energiearmut vorzubeugen. Der Markthochlauf wird aber nicht allein durch Marktkräfte gelingen. Nötig sind ein stabiler Regel- und Förderrahmen sowie klare politische Signale für die Fortsetzung der Klimapolitik.

E&M: Welche Rolle spielen kommunale Wärmeplanung und quartiersbezogene Analysen für die Umsetzung?

Vorspel: Sie sind eine wichtige Informationsgrundlage − für Eigentümer, welche Heiztechnik zu erwarten ist, und für Kommunen und EVU als Planungsbasis. Sie legen jedoch nicht die Detailplanung von Technik oder Netzzonen fest. Das bleibt eine Aufgabe der nächsten Stufe.

E&M: München oder Berlin setzen bereits auf Geothermie und Abwärme. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?

Vorspel: Diese Städte stellen ihre großen Bestandsnetze nicht auf Niedrigtemperatur um, sie dekarbonisieren aber mit lokal verfügbaren Quellen. Die zentrale Erkenntnis: Die Wärmewende in Großstädten ist machbar. Studien wie die ‚Wärmestudie NRW‘ zeigen zudem, dass fast alle Kommunen ausreichend Potenzial haben. Entscheidend ist, diese Quellen auch tatsächlich zu erschließen. Großwärmepumpen können als Regellast netzdienlich wirken, Windstromüberschüsse im Winter können den Wärmepreis senken. Ergänzend braucht es an einzelnen Standorten CCS oder CCU. Gut ausgearbeitete kommunale Wärmepläne liefern die Basis, um daraus lokale Wärmewendestrategien abzuleiten.
 
Lena Vorspel
Quelle: Fraunhofer IFAM

Freitag, 7.11.2025, 09:05 Uhr
Frank Urbansky

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