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Energie & Management > Studien - Studie: Auch moderne Wasserkraft bedroht Ökosysteme
Eine Wehranlage, vom Unterwasser aus gesehen. Quelle: TUM / Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie
Studien

Studie: Auch moderne Wasserkraft bedroht Ökosysteme

Nicht nur auf die Lebensbedingungen von Fischen, sondern auch auf Larven, Kleinstlebewesen und Algen haben Wasserkraftwerke Auswirkungen. Und zwar keine guten, zeigt eine Untersuchung.
Rund 4 Prozent des in Deutschland erzeugten Bruttostroms wurden 2023 aus Wasserkraft gewonnen, das entspricht 18,7 Milliarden kWh. Wasserkraft gilt als grundlastfähig und erneuerbar. Und ist dennoch so umstritten, dass die Förderung der kleinen Wasserkraft – der Anlagen mit bis zu 0,5 MW Leistung – im ursprünglichen Entwurf der EEG-Novelle im sogenannten Osterpaket des vergangenen Jahres sogar gestrichen werden sollte.

So weit kam es dann doch nicht, doch jetzt bekommen die Gegner der Wasserkraft neue, stichhaltige Argumente an die Hand: Auch moderne und vermeintlich schonendere Wasserkraftwerke schädigen die Ökosysteme von Flüssen erheblich. Das zeigt eine Studie von Professor Jürgen Geist vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie an der TUM School of Life Sciences, die in der Zeitschrift Journal of Applied Ecology veröffentlicht wurde.

Bayern ist mit weitem Abstand das deutsche Land mit den meisten Wasserkraftwerken; von bundesweit 7.300 Anlagen stehen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) 3.493 im Freistaat. An fünf weiß-blauen Standorten hat das Forscherteam um Jürgen Geist die Veränderungen des Ökosystems vor und nach dem Bau von Wasserkraftwerken untersucht. Neben den Fischen standen auch Kleinstlebewesen, Wasserpflanzen und Algenbewuchs im Fokus der Wissenschaftler.

Dabei seien an allen Standorten sowohl oberhalb als auch unterhalb der Kraftwerke „signifikante Unterschiede in den Lebensbedingungen“ festzustellen gewesen, wie es in einer Mitteilung der TUM heißt. „Anders als erhofft und von den Betreibern auch prognostiziert, haben die neuen Kraftwerkstypen die Habitatbedingungen für strömungsliebende Arten nicht verbessert“, fasst der Biologe zusammen. Besonders die Nachrüstung bestehender Wehre in Verbindung mit weiteren Aufstauungen habe negative Auswirkungen.
 
 
Deutlich weniger Fliegenlarven

An allen Standorten, die sich an fünf verschiedenen Flüssen befanden, seien vor Beginn der Untersuchungen bereits verschiedene Typen von Querbauwerken vorhanden gewesen, die nichts mit Wasserkraft zu tun hatten. Von 2014 bis 2020 wurden dann dort sogenannte innovative Wasserkraftanlagen eingebaut. An den Untersuchungsstandorten Au und Großweil (Iller und Loisach) wurden dabei die bestehenden Wehre durch neue Wehre ersetzt. Demgegenüber wurde an den Wehren in Heckerwehr, Eixendorf und Baierbrunn (Roth, Schwarzach, Isar) nichts geändert, und der Oberwasserspiegel blieb gleich.

Besonders an den Standorten Großweil und Au habe die Anhebung des Stauziels die Zahl der Larven von Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen im wehrnahen Oberwasserbereich „signifikant reduziert“, so ein Ergebnis der Studie. „Die Erhöhung der Wassertiefe und die Reduzierung der Fließgeschwindigkeit in flussaufwärts gelegenen Bereichen verringert den Austausch von sauerstoffreichem Wasser mit dem sogenannten Kieslückensystem am Gewässerboden, einem wichtigen Lebensraum für viele Organismen, was insbesondere bei anspruchsvollen Kleinlebewesen zu einem geringeren Vorkommen führt“, so Geist.

Bereits bei der Planung künftiger Anlagen müsse man zusätzlich zur Frage der zum Teil erheblichen Schädigung von Fischen bei der Passage von Wasserkraftanlagen auch die Auswirkungen auf den Lebensraum und das Nahrungsnetz berücksichtigen, schlussfolgert Geist. Der TUM-Professor hatte bereits in früheren Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dass die Mortalitätsraten von Fischen an technisch neueren Anlagen nicht immer geringer sei als an konventionellen Anlagen: „Es geht dabei um die ökologische Durchgängigkeit und Verbindung von verschiedenen Flussabschnitten als wichtiges Kriterium für gesunde Flusssysteme.“

Dienstag, 27.02.2024, 15:25 Uhr
Katia Meyer-Tien
Energie & Management > Studien - Studie: Auch moderne Wasserkraft bedroht Ökosysteme
Eine Wehranlage, vom Unterwasser aus gesehen. Quelle: TUM / Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie
Studien
Studie: Auch moderne Wasserkraft bedroht Ökosysteme
Nicht nur auf die Lebensbedingungen von Fischen, sondern auch auf Larven, Kleinstlebewesen und Algen haben Wasserkraftwerke Auswirkungen. Und zwar keine guten, zeigt eine Untersuchung.
Rund 4 Prozent des in Deutschland erzeugten Bruttostroms wurden 2023 aus Wasserkraft gewonnen, das entspricht 18,7 Milliarden kWh. Wasserkraft gilt als grundlastfähig und erneuerbar. Und ist dennoch so umstritten, dass die Förderung der kleinen Wasserkraft – der Anlagen mit bis zu 0,5 MW Leistung – im ursprünglichen Entwurf der EEG-Novelle im sogenannten Osterpaket des vergangenen Jahres sogar gestrichen werden sollte.

So weit kam es dann doch nicht, doch jetzt bekommen die Gegner der Wasserkraft neue, stichhaltige Argumente an die Hand: Auch moderne und vermeintlich schonendere Wasserkraftwerke schädigen die Ökosysteme von Flüssen erheblich. Das zeigt eine Studie von Professor Jürgen Geist vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie an der TUM School of Life Sciences, die in der Zeitschrift Journal of Applied Ecology veröffentlicht wurde.

Bayern ist mit weitem Abstand das deutsche Land mit den meisten Wasserkraftwerken; von bundesweit 7.300 Anlagen stehen nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) 3.493 im Freistaat. An fünf weiß-blauen Standorten hat das Forscherteam um Jürgen Geist die Veränderungen des Ökosystems vor und nach dem Bau von Wasserkraftwerken untersucht. Neben den Fischen standen auch Kleinstlebewesen, Wasserpflanzen und Algenbewuchs im Fokus der Wissenschaftler.

Dabei seien an allen Standorten sowohl oberhalb als auch unterhalb der Kraftwerke „signifikante Unterschiede in den Lebensbedingungen“ festzustellen gewesen, wie es in einer Mitteilung der TUM heißt. „Anders als erhofft und von den Betreibern auch prognostiziert, haben die neuen Kraftwerkstypen die Habitatbedingungen für strömungsliebende Arten nicht verbessert“, fasst der Biologe zusammen. Besonders die Nachrüstung bestehender Wehre in Verbindung mit weiteren Aufstauungen habe negative Auswirkungen.
 
 
Deutlich weniger Fliegenlarven

An allen Standorten, die sich an fünf verschiedenen Flüssen befanden, seien vor Beginn der Untersuchungen bereits verschiedene Typen von Querbauwerken vorhanden gewesen, die nichts mit Wasserkraft zu tun hatten. Von 2014 bis 2020 wurden dann dort sogenannte innovative Wasserkraftanlagen eingebaut. An den Untersuchungsstandorten Au und Großweil (Iller und Loisach) wurden dabei die bestehenden Wehre durch neue Wehre ersetzt. Demgegenüber wurde an den Wehren in Heckerwehr, Eixendorf und Baierbrunn (Roth, Schwarzach, Isar) nichts geändert, und der Oberwasserspiegel blieb gleich.

Besonders an den Standorten Großweil und Au habe die Anhebung des Stauziels die Zahl der Larven von Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen im wehrnahen Oberwasserbereich „signifikant reduziert“, so ein Ergebnis der Studie. „Die Erhöhung der Wassertiefe und die Reduzierung der Fließgeschwindigkeit in flussaufwärts gelegenen Bereichen verringert den Austausch von sauerstoffreichem Wasser mit dem sogenannten Kieslückensystem am Gewässerboden, einem wichtigen Lebensraum für viele Organismen, was insbesondere bei anspruchsvollen Kleinlebewesen zu einem geringeren Vorkommen führt“, so Geist.

Bereits bei der Planung künftiger Anlagen müsse man zusätzlich zur Frage der zum Teil erheblichen Schädigung von Fischen bei der Passage von Wasserkraftanlagen auch die Auswirkungen auf den Lebensraum und das Nahrungsnetz berücksichtigen, schlussfolgert Geist. Der TUM-Professor hatte bereits in früheren Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dass die Mortalitätsraten von Fischen an technisch neueren Anlagen nicht immer geringer sei als an konventionellen Anlagen: „Es geht dabei um die ökologische Durchgängigkeit und Verbindung von verschiedenen Flussabschnitten als wichtiges Kriterium für gesunde Flusssysteme.“

Dienstag, 27.02.2024, 15:25 Uhr
Katia Meyer-Tien

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