Gaskraftwerk Leipheim. Quelle: Katia Meyer-Tien
20.000 MW neue Gaskraftwerkskapazitäten? Oder doch nur 12.500 MW? Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung bleibt umstritten. Ein Energieunternehmen hat jetzt Beschwerde eingelegt.
In der Diskussion um die von der Bundesregierung geplante Ausschreibung von neuen Gaskraftwerken hat sich jetzt auch der Energieversorger Einskommafünfgrad positioniert. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen bei der Europäischen Kommission offiziell Beschwerde gegen die geplante Kraftwerksstrategie eingelegt. Die Pläne seien wettbewerbsverzerrend und trieben die Kosten für die Energiewende unnötig in die Höhe, heißt es in der Begründung.
Die Pläne von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sehen vor, bis 2030 Gaskraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 20.000 MW auszuschreiben und finanziell zu fördern, um so in Zeiten von geringer Erneuerbaren-Erzeugung die Stromversorgung zu sichern.
Eine derartige Subventionierung ist nach EU-Recht allerdings nur zulässig, wenn dadurch keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen und der Bau der Kraftwerke notwendig, angemessen und technologieoffen wäre. Im Hinblick auf diese Anforderungen waren bereits die entsprechenden Pläne der rot-grün-gelben Vorgängerregierung umstritten.
Damals hatte man sich im Hinblick auf derartige beihilferechtlichen Bedenken auf die Planung von 12.500 MW (statt ursprünglich 23.800 MW) auszuschreibender Kraftwerkskapazität verständigt, die mittel- bis langfristig nicht mit Erdgas, sondern mit Wasserstoff betrieben werden sollte. Der Spiegel berichtete am 21. Oktober unter Berufung auf Quellen im Wirtschaftsministerium, dass in Brüssel auch derzeit nur noch über 12.000 bis 12.500 MW verhandelt werde, nicht mehr über die von Reiche geplanten 20.000 MW.
Virtuelle Kraftwerke statt Gaskraftwerken
Einskommafünfgrad-CEO Philipp Schröder hat grundsätzliche Einwände gegen die Plane: „Die geplanten Gaskraftwerke sollen dann anspringen, wenn Sonne und Wind nicht ausreichen. Genau das bilden auch gebündelte dezentrale Systeme in Form virtueller Kraftwerke ab. Bei Engpässen reduzieren sie den Stromverbrauch durch das gezielte und koordinierte Verschieben von Verbrauch und können gleichermaßen Strom aus privaten Batterien und E-Autos bereitstellen, wenn dieser wiederum gebraucht wird.“
Die Förderung von Gaskraftwerken verzerrten den Wettbewerb, sagt Schröder, und fordert: „Es muss einen technologisch offenen Wettbewerb zwischen zentralen und dezentralen Kraftwerken geben, bei denen Erzeuger und Flexibilität grundsätzlich gleichbehandelt beziehungsweise gefördert werden. Das Ziel muss sein, durch mehr Wettbewerb die besten Lösungen für den günstigsten Strom und das sicherste Stromsystem zu gewährleisten.”
Auch gegen den diskutierten Kapazitätsmarkt hat das Energieunternehmen Einwände: Ein solcher Kapazitätsmarkt würde kostengünstigere Alternativen „systematisch benachteiligen und unverhältnismäßig diskriminieren“. Wenn Erzeuger künftig nicht nach tatsächlich produziertem Strom, sondern nach angeschlossener, bereitgestellter Kapazität vergütet werden, würden dezentrale Erzeuger, die eine volatile Kapazität bereithalten, aus dem Markt gedrängt. Einskommafünfgrad zählt sich mit 600 MW an Flexibilitätskapazitäten selbst zu Europas größten virtuellen Kraftwerken für Privathaushalte.
Dienstag, 21.10.2025, 16:00 Uhr
Katia Meyer-Tien
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