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Energie & Management > Recht - Abschaltauflagen für Windkraftanlagen auch nachträglich möglich
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Abschaltauflagen für Windkraftanlagen auch nachträglich möglich

Ein Urteil mit weitreichenden Folgen hat das Bundesverwaltungsgericht gesprochen. Es erlaubt Behörden, für bestehende Windkraftanlagen auch nachträglich Abschaltauflagen zu verfügen.
Der zuletzt in Rechtsverfahren geschwächte Artenschutz feiert einen frischen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte eine Entscheidung, nach der zum Schutz von Fledermäusen Windkraftanlagen auch lange nach deren Inbetriebnahme noch im Betrieb beschränkt werden können. Das Leipziger Urteil vom 19. Dezember weist einen Turbinenbetreiber aus Niedersachsen endgültig in die Schranken.

Das Unternehmen hatte zuvor vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg erfolglos darauf verwiesen, für seine sechs Windkraftanlagen im Jahr 2006 eine Betriebsgenehmigung ohne Abschaltzeiten erhalten zu haben. Zur Vorgeschichte: Ab Herbst 2012 sondierte der Naturschutzbund (Nabu) sechs Jahre lang das Gebiet um die Anlagen. 2019 wandte der Nabu sich mit seinen Ergebnissen an die zuständige Genehmigungsbehörde und berichtete von etlichen getöteten Fledermäusen, die den Windkraftanlagen zum Opfer gefallen sein sollten.

Die Naturschutzbehörde kam nach der Prüfung zu dem Ergebnis, dass von den Turbinen eine Gefahr für verschiedene Fledermausarten ausgehe. Um das Tötungsrisiko zu minimieren, änderte die Behörde daher die mehr als zehn Jahre alte Genehmigung. Mit Bescheid vom Februar 2021 müssen die Anlagen seither nachts im Zeitraum vom 15. April bis 31. August eines jeden Jahres abgeschaltet bleiben. Der Betreiber wollte dies nicht hinnehmen und klagte gegen die Auflagen, die das OVG Lüneburg mit seinem Urteil im Juli 2022 jedoch bestätigte.

Windenergie-Verband spricht von „schwerem Schlag für die Branche“

Leipzig zog nun einen Schlussstrich unter den Fall und erklärte, dass einer erteilten Genehmigung durchaus nachträgliche artenschutzrechtliche Anordnungen folgen könnten. Das in Paragraf 44 (Absatz 1, Satz 1) des Bundesnaturschutzgesetzes formulierte Verbot der Tötung oder Verletzung von Arten sei unmittelbar und dauerhaft zu berücksichtigen. Dies nicht nur zum Zeitpunkt der Genehmigung, sondern auch während des Betriebs, also nachträglich. Aufzuheben sei die Genehmigung gleichwohl nicht – was für das klagende Unternehmen allerdings nur ein schwacher Trost sein dürfte.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) beklagt in einer Stellungnahme „ein fatales Urteil mit potenziell stark nachteiligen Folgen für die Windenergie“. Die Chefin des Interessenverbands, Bärbel Heidebroek, erkennt darin „einen schweren Schlag für die Branche“, der „an den Grundfesten und der Sinnhaftigkeit der Genehmigungsverfahren“ rüttele.

Denn Genehmigungen, die im immissionsschutzrechtlichen Teil teils zwei Jahre in Anspruch nehmen, würden aus Sicht des Verbands „entwertet“. Dies für den Fall, dass sie im Bereich des Natur- und Artenschutzes eben nur noch für den Zeitpunkt gelten würden, zu dem die Behörde grünes Licht gebe. Der Verband erkennt nach dem Leipziger Urteil eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit von Projekten. Schließlich könne sich der Naturraum binnen kurzer Zeit nach der Genehmigung bereits so verändern, dass sodann nachträglich zusätzliche Abschaltzeiten erlaubt wären.

Der BWE sieht die Windkraft im Nachteil gegenüber anderen Bau- und Infrastrukturprojekten. Für Autobahnen zum Beispiel gelte Bestandsschutz. Diesen forderte der Verband auch für die Windenergie ein, um nicht mit „zweierlei Maß zu messen“. Nötig sei nun eine Änderung der Gesetze, die die Eingriffsmöglichkeit der Naturschutzbehörden konkretisiere. Dazu seien auch Regelungen zu entwickeln, die nachträgliche Auflagen für Windkraftanlagen „interessensgerecht“ umsetzen. Wenn Anlagen gegen die ursprüngliche Genehmigung zeitweise stillstehen müssen, kann der BWE sich auch Entschädigungszahlungen an den Betreiber vorstellen.

BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek hält einen neuen regulatorischen Rahmen für dringend geboten. Andernfalls „drohen durch das Urteil die mühsam erkämpften Fortschritte beim Ausbau nachträglich torpediert zu werden“.

Donnerstag, 21.12.2023, 16:59 Uhr
Volker Stephan
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Abschaltauflagen für Windkraftanlagen auch nachträglich möglich
Ein Urteil mit weitreichenden Folgen hat das Bundesverwaltungsgericht gesprochen. Es erlaubt Behörden, für bestehende Windkraftanlagen auch nachträglich Abschaltauflagen zu verfügen.
Der zuletzt in Rechtsverfahren geschwächte Artenschutz feiert einen frischen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte eine Entscheidung, nach der zum Schutz von Fledermäusen Windkraftanlagen auch lange nach deren Inbetriebnahme noch im Betrieb beschränkt werden können. Das Leipziger Urteil vom 19. Dezember weist einen Turbinenbetreiber aus Niedersachsen endgültig in die Schranken.

Das Unternehmen hatte zuvor vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg erfolglos darauf verwiesen, für seine sechs Windkraftanlagen im Jahr 2006 eine Betriebsgenehmigung ohne Abschaltzeiten erhalten zu haben. Zur Vorgeschichte: Ab Herbst 2012 sondierte der Naturschutzbund (Nabu) sechs Jahre lang das Gebiet um die Anlagen. 2019 wandte der Nabu sich mit seinen Ergebnissen an die zuständige Genehmigungsbehörde und berichtete von etlichen getöteten Fledermäusen, die den Windkraftanlagen zum Opfer gefallen sein sollten.

Die Naturschutzbehörde kam nach der Prüfung zu dem Ergebnis, dass von den Turbinen eine Gefahr für verschiedene Fledermausarten ausgehe. Um das Tötungsrisiko zu minimieren, änderte die Behörde daher die mehr als zehn Jahre alte Genehmigung. Mit Bescheid vom Februar 2021 müssen die Anlagen seither nachts im Zeitraum vom 15. April bis 31. August eines jeden Jahres abgeschaltet bleiben. Der Betreiber wollte dies nicht hinnehmen und klagte gegen die Auflagen, die das OVG Lüneburg mit seinem Urteil im Juli 2022 jedoch bestätigte.

Windenergie-Verband spricht von „schwerem Schlag für die Branche“

Leipzig zog nun einen Schlussstrich unter den Fall und erklärte, dass einer erteilten Genehmigung durchaus nachträgliche artenschutzrechtliche Anordnungen folgen könnten. Das in Paragraf 44 (Absatz 1, Satz 1) des Bundesnaturschutzgesetzes formulierte Verbot der Tötung oder Verletzung von Arten sei unmittelbar und dauerhaft zu berücksichtigen. Dies nicht nur zum Zeitpunkt der Genehmigung, sondern auch während des Betriebs, also nachträglich. Aufzuheben sei die Genehmigung gleichwohl nicht – was für das klagende Unternehmen allerdings nur ein schwacher Trost sein dürfte.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) beklagt in einer Stellungnahme „ein fatales Urteil mit potenziell stark nachteiligen Folgen für die Windenergie“. Die Chefin des Interessenverbands, Bärbel Heidebroek, erkennt darin „einen schweren Schlag für die Branche“, der „an den Grundfesten und der Sinnhaftigkeit der Genehmigungsverfahren“ rüttele.

Denn Genehmigungen, die im immissionsschutzrechtlichen Teil teils zwei Jahre in Anspruch nehmen, würden aus Sicht des Verbands „entwertet“. Dies für den Fall, dass sie im Bereich des Natur- und Artenschutzes eben nur noch für den Zeitpunkt gelten würden, zu dem die Behörde grünes Licht gebe. Der Verband erkennt nach dem Leipziger Urteil eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit von Projekten. Schließlich könne sich der Naturraum binnen kurzer Zeit nach der Genehmigung bereits so verändern, dass sodann nachträglich zusätzliche Abschaltzeiten erlaubt wären.

Der BWE sieht die Windkraft im Nachteil gegenüber anderen Bau- und Infrastrukturprojekten. Für Autobahnen zum Beispiel gelte Bestandsschutz. Diesen forderte der Verband auch für die Windenergie ein, um nicht mit „zweierlei Maß zu messen“. Nötig sei nun eine Änderung der Gesetze, die die Eingriffsmöglichkeit der Naturschutzbehörden konkretisiere. Dazu seien auch Regelungen zu entwickeln, die nachträgliche Auflagen für Windkraftanlagen „interessensgerecht“ umsetzen. Wenn Anlagen gegen die ursprüngliche Genehmigung zeitweise stillstehen müssen, kann der BWE sich auch Entschädigungszahlungen an den Betreiber vorstellen.

BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek hält einen neuen regulatorischen Rahmen für dringend geboten. Andernfalls „drohen durch das Urteil die mühsam erkämpften Fortschritte beim Ausbau nachträglich torpediert zu werden“.

Donnerstag, 21.12.2023, 16:59 Uhr
Volker Stephan

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