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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Aus-Gekoppelt: KWK in der Schweiz auf der Kippe
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

Aus-Gekoppelt: KWK in der Schweiz auf der Kippe

In Zeiten der Energiemangellage ist der Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung hochwillkommen, aber ohne Bundeshilfe steht sie in der Schweiz vor dem Aus.  
„Für die große Wärme-Kraft-Kopplung werden politische Lösungen dringend gesucht“, sagt Eric Nussbaumer, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP) und selbst WKK-Anlagenbetreiber. Dass wird nicht ohne eine grüne Dimension fürs Gas gehen. Sonst kauft uns niemand mehr die Technik ab.“ Handlungsbedarf ist überreichlich geboten.

Die Kraft-Wärme-Kopplung, die in der Schweiz anders als in Deutschland als Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) bezeichnet wird, steht auf dem Spiel: Jahrzehntelange Stromüberschüsse, tiefe volkswirtschaftliche Kosten für Elektrizität, hohe Gaspreise und ein strikter Emissionsschutz verhindern seit den 1990ern ihren Ausbau. Nun geht ihr zusätzlich der Brennstoff aus: Unter dem Vorzeichen der Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und dem daraus folgenden Ausstieg aus dem Erdgas werden kurzerhand revisionsbedürftige Anlagen durch Biomassefeuerungen oder Wärmepumpen ersetzt.

Durch den Abbau der
WKK wird die in der Schweiz politisch heiß diskutierte Winterstromlücke“ gleich doppelt befeuert, was bisher in der öffentlichen Wahrnehmung kaum aufgefallen ist: Die eigene Winterstromerzeugung entfällt und neue Wärmepumpen heizen den Absatz von knappem Strom weiter an, was die Betreiber aber nicht von ihrem Tun abhält. Nun haben Bundespolitiker die Notbremse gezogen und fordern die Landesregierung zum Handeln auf.

In einem Ende Februar eingebrachten Antrag des Parlamentsausschusses für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-NR) zur „Sicherung der Winterstromversorgung durch WKK-Anlagen soll die Landesregierung beauftragt werden, WKK neu zu bestimmen und sie als Teil der Energiereserve einzustufen. Und dies mit einem Betriebshorizont bis etwa 2035. Damit soll einem Stromengpass im Winter vorgebeugt werden. Gefordert wird eine glasklare“ Analyse, um die sich die Landesregierung bisher gedrückt hat. Wahrscheinlich wird das Parlament den Antrag noch in diesem Frühjahr behandeln.

Schweizer Nationalrat will Rolle der WKK stärken

Damit geht die Umwelt- und Energiekommission des Nationalrats deutlich analytischer voran als die Landesregierung, die am 2. Dezember 2022 in Bern ihre „Zukunftsstrategie für die Wärme-Kraft-Kopplung“ vorstellte. Darin wird vorgeschlagen, von 2025 bis 2035 pro Jahr den Zubau von 50 MW elektrischer Leistung wärmegeführter WKK mit 60 Prozent Subventionen anzureizen.

Insgesamt sollten auf diesem Weg, so das Papier des zuständigen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), bis in zehn Jahren rund 500 MW zusätzliche elektrische Leistung zur Verfügung stehen. Erwartung für die Stromerzeugung: 500 Millionen bis 1 Milliarde kWh für den Winter. Dies zu geschätzten Kosten von 500 Millionen bis zu 1 Milliarde Schweizer Franken für den gesamten Förderrahmen. Förderberechtigt seien demnach „klimaneutral
betriebene Anlagen (Biogas, grüner Wasserstoff) und in Wärmeverbunde eingekoppelte Zentralen. Auch dürfe „keine Konkurrenzierungetwaiger Wasserkraft oder Solarenergie stattfinden, so das Uvek. Offen bleibt, wer zu solchen Bedingungen überhaupt bauen würde. Zudem, so die Kritiker, laden Subventionen an den Investitionskosten zur Errichtung von volkswirtschaftlich wenig effizient betriebenen Anlagen ein.

Ein Blick in die aktuelle WKK-Statistik „Thermische Stromproduktion inklusive WKK in der Schweiz von 1990 bis 2021vom Bundesamt für Energie zeigt trotz der widrigen Umstände Beachtliches: Die Stromproduktion der thermischen Kraftwerke wurde von 1.524 GWh im Jahr 1990 auf 3.796 GWh 2021 gesteigert, was 5,9 Prozent der Landeserzeugung entspricht. Zu dem Ergebnis beigetragen haben in den 1990er-Jahren vor allem die WKK-Anlagen. Diese lieferten 2.177 GWh Strom ans Netz, davon die „kleinenallein 551 GWh. Das Wachstum der vergangenen 20 Jahre wurde dagegen vorab in Müllverbrennungs- und Fernheizwerken erzielt, wo deutlich größere Leistungen erbracht werden.

Die Statistik bezeichnet als thermische Stromerzeuger Zentralen, die aus fossilen oder biogenen Energieträgern Strom produzieren. Eine WKK-Anlage muss mindestens 5 Prozent der eingesetzten Energie in Elektrizität umwandeln und einen Gesamtnutzungsgrad (Wärme und Elektrizität) von mindestens 60 Prozent
ausweisen. Die Grenze zwischen Klein- und Groß-WKK-Anlagen wird bei 1 MW installierter elektrischer Leistung gezogen.

Weißbuch Kraft-Wärme-Kopplung für die Schweiz wird derzeit erarbeitet

Im Jahr 2021 haben rund 981 Anlagen zur thermischen Stromproduktion beigetragen, 876 davon Klein-WKK. 63 Anlagen gehören der Kategorie Groß-WKK an. Seit Anfang der 1990-Jahre wurden netto insgesamt 545 Klein-WKK-Anlagen realisiert. In den vergangenen Jahren hat der Ersatz von älteren kleinen durch größere neue Aggregate zugenommen. Es waren auch ersatzlose Stilllegungen zu verzeichnen. Der Anlagenbestand stagnierte und ist am Sinken. Alle WKK-Anlagen steuern 596 MW elektrischer Leistung bei, davon sind 75 Prozent aus Groß-WKK. Hier sind es die Dampfturbinen, die den größten Anteil ausmachen (259 MWel).

In einem Onlineseminar der Stadtwerketochter Swisspower vom vergangenen November machte Markus Flatt vom Beratungsbüro EVU Partners mit Sitz in Aarau auf überraschende Vorteile eines ganzheitlichen WKK-Pfades“ aufmerksam: Der Zubau wärmegeführter WKK in Fernwärmenetzen werde, bei nur wenig verbesserten Rahmenbedingungen, mit Heizöl befeuerte Spitzenlastkessel substituieren, die in der Schweiz oft nicht nur die Spitzen-, sondern auch die Mittellast bestreiten. Flatt rechnete zwei ganz wesentliche Vorteile vor: zum einen die CO2-Minderung, zum anderen aber die Schonung wertvollen Winterstroms aus der Wasserkrafterzeugung, die durch neue Reservevorschriften des Landes weiter verknappt und zum Ärger der Betreiber dem lukrativen Wintermarkt entzogen wurde. Zusätzlich sei es denkbar, so Flatt, WKK stromgeführt beziehungsweise als Notreserve zu betreiben. Den Kostenvergleich mit einem reinen Reservekraftwerk, wie es derzeit für 400 bis 500 Millionen Franken in Birr für drei Jahre eingerichtet wird, brauche die WKK volkswirtschaftlich nicht zu scheuen.

Gerade was Birr angeht, hat Ronny Kaufmann, Geschäftsführer der Swisspower, eine dezidierte Meinung. Im Interview mit der Aargauer Zeitung sagt er: Das ist Wahnsinn! Stellen wir uns vor, was wir alles hätten bauen können für so viel Geld.“ Er fordert für die Stadtwerke eine Planung für die Zeit nach 2026 − sonst ist es dann wieder zu spät“ − und spricht sich insbesondere für einen Einbezug von Biogas- und Wasserstoffstrategien aus, um der Klimadimension gerecht zu werden. So wie es Energiepolitiker wie Eric Nussbaumer für einen demokratischen Konsens für WKK“ als unerlässlich erachten. Swisspower und EVU Partners, wie Markus Flatt in Aussicht stellte, erarbeiten derzeit ein Weissbuch WKK“, mit dem sie in Kürze die Debatte um die Zukunftsrolle der WKK im Land weiter anheizen wollen − es wäre wohl die letzte Chance.

Donnerstag, 6.04.2023, 09:00 Uhr
Marc Gusewski
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - Aus-Gekoppelt: KWK in der Schweiz auf der Kippe
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
Aus-Gekoppelt: KWK in der Schweiz auf der Kippe
In Zeiten der Energiemangellage ist der Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung hochwillkommen, aber ohne Bundeshilfe steht sie in der Schweiz vor dem Aus.  
„Für die große Wärme-Kraft-Kopplung werden politische Lösungen dringend gesucht“, sagt Eric Nussbaumer, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP) und selbst WKK-Anlagenbetreiber. Dass wird nicht ohne eine grüne Dimension fürs Gas gehen. Sonst kauft uns niemand mehr die Technik ab.“ Handlungsbedarf ist überreichlich geboten.

Die Kraft-Wärme-Kopplung, die in der Schweiz anders als in Deutschland als Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) bezeichnet wird, steht auf dem Spiel: Jahrzehntelange Stromüberschüsse, tiefe volkswirtschaftliche Kosten für Elektrizität, hohe Gaspreise und ein strikter Emissionsschutz verhindern seit den 1990ern ihren Ausbau. Nun geht ihr zusätzlich der Brennstoff aus: Unter dem Vorzeichen der Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und dem daraus folgenden Ausstieg aus dem Erdgas werden kurzerhand revisionsbedürftige Anlagen durch Biomassefeuerungen oder Wärmepumpen ersetzt.

Durch den Abbau der
WKK wird die in der Schweiz politisch heiß diskutierte Winterstromlücke“ gleich doppelt befeuert, was bisher in der öffentlichen Wahrnehmung kaum aufgefallen ist: Die eigene Winterstromerzeugung entfällt und neue Wärmepumpen heizen den Absatz von knappem Strom weiter an, was die Betreiber aber nicht von ihrem Tun abhält. Nun haben Bundespolitiker die Notbremse gezogen und fordern die Landesregierung zum Handeln auf.

In einem Ende Februar eingebrachten Antrag des Parlamentsausschusses für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-NR) zur „Sicherung der Winterstromversorgung durch WKK-Anlagen soll die Landesregierung beauftragt werden, WKK neu zu bestimmen und sie als Teil der Energiereserve einzustufen. Und dies mit einem Betriebshorizont bis etwa 2035. Damit soll einem Stromengpass im Winter vorgebeugt werden. Gefordert wird eine glasklare“ Analyse, um die sich die Landesregierung bisher gedrückt hat. Wahrscheinlich wird das Parlament den Antrag noch in diesem Frühjahr behandeln.

Schweizer Nationalrat will Rolle der WKK stärken

Damit geht die Umwelt- und Energiekommission des Nationalrats deutlich analytischer voran als die Landesregierung, die am 2. Dezember 2022 in Bern ihre „Zukunftsstrategie für die Wärme-Kraft-Kopplung“ vorstellte. Darin wird vorgeschlagen, von 2025 bis 2035 pro Jahr den Zubau von 50 MW elektrischer Leistung wärmegeführter WKK mit 60 Prozent Subventionen anzureizen.

Insgesamt sollten auf diesem Weg, so das Papier des zuständigen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), bis in zehn Jahren rund 500 MW zusätzliche elektrische Leistung zur Verfügung stehen. Erwartung für die Stromerzeugung: 500 Millionen bis 1 Milliarde kWh für den Winter. Dies zu geschätzten Kosten von 500 Millionen bis zu 1 Milliarde Schweizer Franken für den gesamten Förderrahmen. Förderberechtigt seien demnach „klimaneutral
betriebene Anlagen (Biogas, grüner Wasserstoff) und in Wärmeverbunde eingekoppelte Zentralen. Auch dürfe „keine Konkurrenzierungetwaiger Wasserkraft oder Solarenergie stattfinden, so das Uvek. Offen bleibt, wer zu solchen Bedingungen überhaupt bauen würde. Zudem, so die Kritiker, laden Subventionen an den Investitionskosten zur Errichtung von volkswirtschaftlich wenig effizient betriebenen Anlagen ein.

Ein Blick in die aktuelle WKK-Statistik „Thermische Stromproduktion inklusive WKK in der Schweiz von 1990 bis 2021vom Bundesamt für Energie zeigt trotz der widrigen Umstände Beachtliches: Die Stromproduktion der thermischen Kraftwerke wurde von 1.524 GWh im Jahr 1990 auf 3.796 GWh 2021 gesteigert, was 5,9 Prozent der Landeserzeugung entspricht. Zu dem Ergebnis beigetragen haben in den 1990er-Jahren vor allem die WKK-Anlagen. Diese lieferten 2.177 GWh Strom ans Netz, davon die „kleinenallein 551 GWh. Das Wachstum der vergangenen 20 Jahre wurde dagegen vorab in Müllverbrennungs- und Fernheizwerken erzielt, wo deutlich größere Leistungen erbracht werden.

Die Statistik bezeichnet als thermische Stromerzeuger Zentralen, die aus fossilen oder biogenen Energieträgern Strom produzieren. Eine WKK-Anlage muss mindestens 5 Prozent der eingesetzten Energie in Elektrizität umwandeln und einen Gesamtnutzungsgrad (Wärme und Elektrizität) von mindestens 60 Prozent
ausweisen. Die Grenze zwischen Klein- und Groß-WKK-Anlagen wird bei 1 MW installierter elektrischer Leistung gezogen.

Weißbuch Kraft-Wärme-Kopplung für die Schweiz wird derzeit erarbeitet

Im Jahr 2021 haben rund 981 Anlagen zur thermischen Stromproduktion beigetragen, 876 davon Klein-WKK. 63 Anlagen gehören der Kategorie Groß-WKK an. Seit Anfang der 1990-Jahre wurden netto insgesamt 545 Klein-WKK-Anlagen realisiert. In den vergangenen Jahren hat der Ersatz von älteren kleinen durch größere neue Aggregate zugenommen. Es waren auch ersatzlose Stilllegungen zu verzeichnen. Der Anlagenbestand stagnierte und ist am Sinken. Alle WKK-Anlagen steuern 596 MW elektrischer Leistung bei, davon sind 75 Prozent aus Groß-WKK. Hier sind es die Dampfturbinen, die den größten Anteil ausmachen (259 MWel).

In einem Onlineseminar der Stadtwerketochter Swisspower vom vergangenen November machte Markus Flatt vom Beratungsbüro EVU Partners mit Sitz in Aarau auf überraschende Vorteile eines ganzheitlichen WKK-Pfades“ aufmerksam: Der Zubau wärmegeführter WKK in Fernwärmenetzen werde, bei nur wenig verbesserten Rahmenbedingungen, mit Heizöl befeuerte Spitzenlastkessel substituieren, die in der Schweiz oft nicht nur die Spitzen-, sondern auch die Mittellast bestreiten. Flatt rechnete zwei ganz wesentliche Vorteile vor: zum einen die CO2-Minderung, zum anderen aber die Schonung wertvollen Winterstroms aus der Wasserkrafterzeugung, die durch neue Reservevorschriften des Landes weiter verknappt und zum Ärger der Betreiber dem lukrativen Wintermarkt entzogen wurde. Zusätzlich sei es denkbar, so Flatt, WKK stromgeführt beziehungsweise als Notreserve zu betreiben. Den Kostenvergleich mit einem reinen Reservekraftwerk, wie es derzeit für 400 bis 500 Millionen Franken in Birr für drei Jahre eingerichtet wird, brauche die WKK volkswirtschaftlich nicht zu scheuen.

Gerade was Birr angeht, hat Ronny Kaufmann, Geschäftsführer der Swisspower, eine dezidierte Meinung. Im Interview mit der Aargauer Zeitung sagt er: Das ist Wahnsinn! Stellen wir uns vor, was wir alles hätten bauen können für so viel Geld.“ Er fordert für die Stadtwerke eine Planung für die Zeit nach 2026 − sonst ist es dann wieder zu spät“ − und spricht sich insbesondere für einen Einbezug von Biogas- und Wasserstoffstrategien aus, um der Klimadimension gerecht zu werden. So wie es Energiepolitiker wie Eric Nussbaumer für einen demokratischen Konsens für WKK“ als unerlässlich erachten. Swisspower und EVU Partners, wie Markus Flatt in Aussicht stellte, erarbeiten derzeit ein Weissbuch WKK“, mit dem sie in Kürze die Debatte um die Zukunftsrolle der WKK im Land weiter anheizen wollen − es wäre wohl die letzte Chance.

Donnerstag, 6.04.2023, 09:00 Uhr
Marc Gusewski

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