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Die Offshore-Windbranche nutzt die aktuell stattfindende Windforce-Konferenz in Bremerhaven, um das geplante Wind-auf-See-Gesetz zu kritisieren.
Die Stimmung zum Auftakt der diesjährigen Windforce-Konferenz war gedämpft. Die lag nicht allein an der abgedunkelten Stadthalle in Bremerhaven, dem diesjährigen Tagungsort. „Es ist wirklich schön, dass die Bundesregierung Ausbauziel für die Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2030 auf 20.000 MW angehoben hat und für 2040 eine installierte Leistung von 40.000 MW angestrebt“, betonte Irina Lucke, Vorsitzende der Industrievereinigung WAB e.V., in ihrer Öffnungsrede, „aber mit dem Entwurf für die Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes sind diese Ziele nicht zu schaffen.“
Ihr und weiten Teilen der heimischen Offshore-Windbranche bereitet die sogenannte „zweite Gebotskomponente“ bei den künftigen Ausschreibungen für neue Meereskraftwerke große Bauchschmerzen. Sollten bei künftigen Auktionen mehrere Null-Cent-Gebote vorliegen, erhält – vereinfacht ausgedrückt – der Bieter den Zuschlag, der bereit ist, ein „Eintrittsgeld“ zu zahlen.
Zukunftswette auf den Strompreis
„Mit dieser zweiten Gebotskomponente sinken die Chancen auf den Bau weiterer Offshore-Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee, da sich die Finanzierungskosten für die Investoren deutlich erhöhen“, monierte die WAB-Vorsitzende. Und nicht nur das: „Das Modell der Bundesregierung ist nichts anderes als eine Zukunftswette auf den Strompreis. Ob und wann sich die Milliarden-Investitionen in einen Offshore-Windpark rechnen, hängt allein von der Entwicklung der Börsenstrompreise ab“, so Lucke. Wie volatil sich aber die Strompreise entwickeln können, habe die Corona-Krise gezeigt. Luckes Fazit: „Die künftigen Rahmenbedingungen für die Offshore-Windenergie sind wenig überzeugend. Für die Investoren gibt es weltweit attraktive Standorte auf See, in die sie ihr Geld investieren können.“ Das Gros der heimischen Offshore-Windenergieverbände plädiert seit Wochen dafür, künftige Offshore-Windparks nach dem britischen Contract-of-Difference-Modell (hierzulande besser bekannt als Differenzverträge) zu vergüten.
Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies (SPD) teilt Luckes Bedenken für die anstehende Novelle des Wind-auf-See-Gesetzes: „So wie das Gesetz gestrickt ist, halte ich selbst das Erreichen der Ausbauziele für 2030 für schwierig, von 2040 will ich gar nicht reden.“ Dass die Bundesregierung mit der Gesetzänderung plant, das Ausbauziel bis 2030 auf 20.000 MW anzuheben, sei alles andere als ein „Durchbruch“, so Lies auf der WAB-Veranstaltung: „Das kommt alles viel zu spät.“ Richtung Berlin appellierte Lies „endlich mit dem Schlingerkurs“ auf See aufzuhören: „Wir brauchen endlich einen Gesamtplan, sonst vertun wir unsere große Chance, die Offshore-Windenergie im großen Maßstab für die Herstellung von Wasserstoff zu nutzen.“
Mit Blick auf die zweite Gebotskomponente äußerte sich Lies in Bremerhaven zynisch: „Ich weiß nicht, ob die Welt versteht, was das ist.“ In Kürze steht im Wirtschaftsausschuss des Bundestages eine Anhörung zum geplanten Wind-auf-Gesetz auf der Tagesordnung. Die Offshore-Windbranche rechnet damit, dass der Bundestag spätestens Anfang Oktober das neue Gesetz beschließt.
Donnerstag, 3.09.2020, 16:50 Uhr
Ralf Köpke
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