Quelle: E&M
Die Energiebranche wartet seit Monaten vergeblich auf eine Verlängerung der KWK-Förderung. Obwohl KWK-Anlagen dringend benötigt werden − auch um die Kraftwerksstrategie abzusichern.
Die Energiebranche hatte sicherlich gehofft, dass vor der Sommerpause mehr passiert im politischen Berlin, als letztendlich geschehen ist. Aber zumindest stehen mit dem Kraftwerkssicherheitsgesetz erste Teile der Kraftwerksstrategie. Über das Kraftwerkssicherheitsgesetz will die Bundesregierung Maßnahmen für neue gas- und wasserstoffbasierte Kraftwerke sowie Langzeitspeicher bündeln. Es sollen insgesamt 12.500 MW an Kraftwerkskapazität und 500 MW an Langzeitspeichern ausgeschrieben werden. Zudem soll 2028 ein Kapazitätsmechanismus eingeführt werden, über den künftig der Strommarkt abgesichert wird.
Allerdings fordern sowohl Energieversorger als auch Verbandsvertreter, dass nun zügig weitere wesentliche Novellierungen und Förderanpassungen folgen. Sonst drohe ein Investitionsstau. Insbesondere die seit Monaten offene Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) sehen Branchenvertreter kritisch. Konkrete Aussagen zum 2026 auslaufenden KWKG lassen seitens des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) derweil nach wie vor auf sich warten, monierte im Juli etwa der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung. Das BMWK prüft nach eigener Aussage derzeit die Möglichkeiten einer Verlängerung.
Das KWKG sei elementar für den Fernwärmenetzausbau und die Transformation der Wärmeinfrastruktur, argumentieren die Verbände. Auch könne die Verlängerung der KWK-Förderung die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung sinnvoll flankieren.
Immerhin könnten dezentrale KWK-Anlagen die sich abzeichnende Lücke bei der gesicherten Kraftwerksleistung schließen helfen. Die ersten Ausschreibungen infolge der Kraftwerksstrategie sollen im nächsten Jahr in Tranchen starten. Die Bundesregierung erwartet die ersten Inbetriebnahmen 2029.
Dieser Zeitplan erscheint jedoch unrealistisch. Der BDEW schätzt die Grundbauzeit einer komplexen Gas-KWK-Anlage auf rund 4,5 Jahre. Daher wäre ein zügiger Zubau von dezentralen KWK-Anlagen als „dezentrale Back-up-Kapazitäten im Strom- und auch im Wärmesektor“, wie der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) schreibt, durchaus nötig. Das Gesetz zu verlängern, würde Investitionen absichern, ohne die Staatskasse zu belasten, denn es sei umlagenfinanziert.
Viele KWK-Projekte liegen auf Eis
Die Bundesnetzagentur geht nach den Zahlen in ihrem Versorgungssicherheitsbericht von 17.000 bis 21.000 MW Leistungszuwachs durch Kraftwerksneubauten und Modernisierungen bis 2031 aus, um die Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten. Nach einer Erhebung des B.KWK ist ein Zubau von jährlich 6.000 MW an KWK-Erzeugungsleistung ohne Weiteres möglich − realisiert wird derzeit ein Bruchteil. Das Auslaufen des KWKG Ende 2026 stoppe schon jetzt konkrete Investitionen, warnt der BDEW. In vielen Städten und Gemeinden sei daher die Erreichung der Klimaschutzziele stark gefährdet.
„Mit ihrer tragenden Rolle in der Nah- und Fernwärmeversorgung ist die KWK neben Wärmepumpen ein Schlüsselelement einer erfolgreichen Wärmewende“, erläutert Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Dafür brauche es kurzfristig eine schnelle Verlängerung des KWKG in dieser Legislaturperiode.
Der BDEW betont, dass ein Scheitern der Verlängerung einen „Rückschlag für die Energie- und Wärmewende“ darstelle. Aus seiner Sicht muss neben einer KWKG-Verlängerung die Rolle der KWK im Rahmen des Kraftwerkssicherheitsgesetzes beachtet werden. KWK leiste einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit bei Strom ebenso wie zur Absicherung der Wärmewende: aber nur, wenn KWK-Anlagen konsequent in die Energieinfrastruktur mit einbezogen werden, um ihre Fähigkeit zu nutzen, sowohl positive als auch negative Residuallasten im Stromverteilnetz auszugleichen.
Fernwärmeausbau stockt
Aufgrund der auslaufenden KWK-Förderung liegen allerdings fast alle Projekte derzeit „on hold“ oder werden Planungen nicht weiter verfolgt, kritisiert auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). „Die Ungewissheit über eine Förderung der KWK über 2026 hinaus bedeutet für viele Fernwärmenetzbetreiber faktisch einen Investitionsstopp bei ihren Netzausbauplänen“, stellte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing im Juni klar. „Größere Anlagen könnten schon jetzt nicht mehr realisiert werden, weil das KWKG beihilferechtlich nur bis Ende 2026 genehmigt ist.“
Vertreter der Branche wie BDEW, B.KWK und VKU drängen deshalb seit Monaten auf eine schnelle Entscheidung der Bundesregierung. Sie fordern eine Verlängerung des KWKG mindestens bis 2035, um eine Investitionsplanung und die Finanzierung neuer Projekte zu ermöglichen. Der Stadtwerkeverbund Thüga hatte im Frühjahr sogar eine Entfristung vorgeschlagen.
Konkret schlägt die Thüga unter anderem vor, das KWKG über 2026 hinaus zu „entfristen“. Außerdem solle das Gesetz zügig novelliert werden, damit es Anreize für den Einsatz von klimaschonenden Brennstoffen und für eine systemkompatible Fahrweise von KWK-Anlagen bis mindestens 2035 setzt. Dieser Schritt ist laut Thüga unmittelbar umsetzbar, denn die Befristung auf das Jahr 2026 resultiert aus beihilferechtlichen Auflagen. Diese seien jedoch mittlerweile obsolet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) das KWKG Anfang des Jahres aus dem Beihilferecht entlassen hat.
„Da KWK-Anlagen meist in der Nähe der urbanen Verbrauchsschwerpunkte stehen, fällt der Aufwand für den Stromnetzausbau im Vergleich zum Bau von Residualkraftwerken auf der grünen Wiese geringer aus. Zumal schon heute KWK-Systeme in Kombination mit Wärmespeichern und Power-to-Heat-Anlagen hochflexibel und ein idealer Komplementär für die Stromerzeugung aus Wind und Sonne sind“, argumentiert die Thüga.
BEW braucht mehr finanzielle Mittel
Neben Anlagen fördert das KWKG auch den Netzausbau und den Bau von Wärmespeichern. „Da es der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) leider an Verlässlichkeit und Mittelausstattung fehlt, ist die Verlängerung des KWKG dringend geboten, um die ambitionierten politischen 2030-Ziele für den Aus- und Umbau der Wärmenetze erreichen zu können“, so Liebing. Insbesondere für Fernwärmenetzbetreiber ist die fehlende Planungssicherheit ein großes Problem. Daneben sei eine Aufstockung der BEW auf jährlich 3 Milliarden Euro dringend notwendig, um die Investitionslasten der Kommunen zu stemmen.
Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze sei inhaltlich zwar gut, aber nicht auskömmlich finanziert, meint auch der VKU. Zumal die bisherige BEW bis Ende 2028 befristet und insgesamt nur mit 3,5 Milliarden Euro ausgestattet ist. Das reicht laut VKU bei Weitem nicht aus, damit die Wärmenetze ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten. Bis 2030 müssen insgesamt 43,5 Milliarden Euro allein in den Aus- und Umbau der Fernwärme investiert werden. Das geht aus einem Gutachten von Prognos hervor.
Daher hat die Energiebranche eine klare Botschaft an die Bundesregierung nach der Sommerpause: Die BEW muss mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz zügig verlängert oder ganz entfristet werden.
Mittwoch, 4.09.2024, 10:33 Uhr
Heidi Roider
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