Ohne stabile Netze gibt es keine Energiewende, so der Konsens des Netzforums des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im Oktober. Laut Andrees Gentzsch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDEW, wurden allein 2024 rund 1,1
Millionen neue Netzanschlüsse für Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung, für Batteriespeicher und Ladepunkte geschaffen.
„Wer stabile Netze will, muss auch bereit sein, in sie zu investieren“, forderte Gentzsch mit Blick auf den sogenannten NEST-Prozess, in dem die Bundesnetzagentur derzeit die Refinanzierungsregeln für Netzbetreiber überarbeitet. Das Akronym NEST geht zurück auf ein Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur zur Weiterentwicklung der Anreizregulierung mit dem Titel „Netze. Effizient. Sicher. Transformiert“. Die Behörde solle die angedachten Methoden zur Neugestaltung der Anreizregulierung für die Energienetze mit einer vollständigen Folgenabschätzung überprüfen, so Gentzsch.
„Angesichts der großen Herausforderungen durch die Transformation hin zu einer klimaneutralen Energiewirtschaft kommt der Neuregelung der Anreizregulierung für die Energienetze durch die Bundesnetzagentur eine zentrale Bedeutung zu“, sagte er. Die Leistungs- und Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber sei Voraussetzung für einen weiterhin attraktiven und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort.
Erlösrückgänge von insgesamt 5 Milliarden Euro befürchtetIm September hatten der BDEW und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) neue Berechnungen zu den Folgen der von der Bundesnetzagentur geplanten Neugestaltung der Anreizregulierung vorgestellt. Nach Einschätzung der Verbände drohen den Netzbetreibern durch die geplanten Änderungen Erlösrückgänge von insgesamt rund 5 Milliarden Euro.
Sie haben damit auf eine Aussage der Bundesnetzagentur reagiert, die Methodenänderungen im Regulierungsrahmen würden keine Senkung der Erlöse zur Folge haben. Bereits damals im vergangenen Mai war der BDEW jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass für eine Regulierungsperiode ein Rückgang von 2,3 Milliarden Euro zu erwarten sei. Die nun aktualisierten Hochrechnungen der Branche zeichnen ein noch deutlicheres Bild: 3,5 Milliarden Euro Erlösrückgänge bei den Stromnetzen und 1,5 Milliarden Euro bei den Gasnetzen. „Wir appellieren deshalb an die Bundesnetzagentur, gemeinsam mit der Branche eine tragfähige und kosteneffiziente Lösung zu erarbeiten“, sagte Gentzsch unter großem Beifall.
In den neuen Berechnungen berücksichtigt ist auch ein Opex-Aufschlag für Stromverteilnetzbetreiber von 2,4 Prozent der Erlösobergrenze, den die Bundesnetzagentur veranschlagt hat. Laut BDEW und VKU ist dieser Wert für die Branche nicht nachvollziehbar. Sollte er sich ändern, würde sich auch die Erlössituation entsprechend verschieben. Zudem kritisieren BDEW und VKU die von der Behörde neu vorgeschlagene Methodik bei der Ermittlung des Fremdkapitalzinses. Diese sieht die Umstellung auf einen starren Siebenjahresdurchschnitt vor. Nach Einschätzung der Verbände führt das allein zu einer zusätzlichen Erlösminderung von rund 2 Milliarden Euro.
Sie gaben zu bedenken, dass Investoren Netzbetreiber vor allem anhand des kalkulatorischen Anlagevermögens und des regulatorisch zugestandenen Eigenkapitalzinses bewerten. Die handelsrechtliche Rendite spiele dabei keine Rolle. Eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen sende folglich ein falsches Signal.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, versicherte, bereit zum Zuhören zu sein. Seine Behörde sei beim NEST-Prozess an gesetzliche Vorgaben von Bund und EU gebunden. Er wolle tragfähige Netzentgelte für die Branche, die zugleich nicht die Kosten für die Verbraucher übermäßig erhöhen.
„Wir sehen den hohen Investitionsbedarf der Branche in der kommenden Regulierungsperiode“, sagte Müller. Er dankte auch für die Vorschläge aus der Praxis, deshalb habe man sich noch einmal auf eine fünfjährige Periode eingelassen. Gute Sachargumente könnten den Regulierer überzeugen. „Jetzt müssen wir in Ruhe die Vorschläge auswerten, die Eigenkapitalverzinsung wird erhöht, mehr kann ich noch nicht sagen“, vertröstete der Präsident.
Ein Ziel der Ausgestaltung der Netzentgeltregulierung sei es, verlässliche Investitionsbedingungen zu schaffen, zugleich solle die Regulierung schneller, einfacher und unbürokratischer werden. Daher gebe es mehr Pauschalierungen und andere Maßnahmen in der Entgeltfestlegung. Dann könne auch auf eine flexiblere, dreijährige Regulierungsperiode gewechselt werden.
Methodik des NEST-Prozesses wird in diesem Jahr abgeschlossenZudem solle die Regulierung die Energiewende mit Standardisierung und Digitalisierung vorantreiben. „Wir wollen nicht, dass Sie Untererlöse haben, aber Ihnen auch keine Übererlöse verschaffen“, sagte er zu den versammelten Branchenvertretern. In jedem Fall werde die Methodik des NEST-Prozesses in diesem Jahr abgeschlossen, versicherte Müller. Die neue Höhe des EKZ werde erst im kommenden Jahr verkündet. Müller dankte allen Netzbetreibern für die bislang erreichten Fortschritte beim Ausbau und bei der Digitalisierung.
Ohne neue Kraftwerke und die Stärkung von Flexibilität sei eine sichere Energieversorgung nicht möglich, das habe der Versorgungssicherheitsbericht ergeben, richtete Müller an die Adresse des Gesetzgebers. Seine Mitarbeiter würden „möglichst noch in diesem Jahr“ mit dem Entwurf der Ausschreibungen für die neuen Gaskraftwerke loslegen, wenn der Gesetzgeber den Rahmen gesetzt habe. Die Zustimmung der EU-Kommission als Voraussetzung könne „jeden Tag“ kommen. Auch die Grundsätze der Netzkostenverteilung (AgNes) seien in Arbeit, in enger Abstimmung mit Politik und Wirtschaft.
Christoph Müller, Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, dankte für das Verständnis des Präsidenten. Er unterstrich, dass in einer Phase steigender Zinsen niemand in den deutschen Netzausbau investieren werde, wenn er keine attraktive Rendite bekomme. Er sieht eine große Einigkeit für AgNes, in die Netzanschlusskosten auch die Erzeuger von erneuerbarem Strom und Speicher oder Ladeparks einzubeziehen.
In seiner Keynote betonte Christian Schmidt, Leiter der Abteilung Strom im BMWE, dass die Energiewende bisher der leichtere Teil gewesen sei. „Nun wird es schwieriger und teurer“, sagte er. Stromnetzausbau und erneuerbare Erzeugung müssten besser aufeinander abgestimmt werden. Unstrittige Projekte sollten schnell umgesetzt, andere im Bundesbedarfsplan neu bewertet werden. Zudem müsse die Digitalisierung vorankommen. „Drei Prozent Smart Meter Rollout sind kein Ruhmesblatt“, sagte Schmidt.
Er kündigte an, dass die Ausschreibungen für neue Gaskraftwerke im Frühjahr 2026 starten sollen. Diese sollen als flexible Backup-Kapazitäten dienen. Schmidt sprach sich für eine effizientere Nutzung bestehender Infrastrukturen aus und nannte das bisherige „Windhundprinzip“ bei Netzanschlüssen überholt. „Zombie“-Projekte ohne realistische Umsetzungsabsicht müssten ausgeschlossen werden. Insgesamt veranschlagt die Bundesregierung rund 700
Milliarden Euro Investitionen für den Netzausbau. Um das Kapital dafür einzuwerben, „müssen wir Lösungen finden“, griff Schmidt die Forderung der Branche auf. Allerdings machte er keine konkreten Zusagen.
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Klaus Müller Quelle: BDEW / Thomas Ecke |
Mittwoch, 5.11.2025, 08:55 Uhr
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