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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - RechtEck: Kleine Entscheidung, große Wirkung
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Aus Der Aktuellen Ausgabe

RechtEck: Kleine Entscheidung, große Wirkung

Axel Kafka und Julien Wilmes-Horvat* erklären, warum die Festlegung von Bitstrom-Zugangsentgelten in öffentlich geförderten Glasfasernetzen die TK-Branche auf den Kopf stellt.
Telekommunikationsnetzbetreiber haben es in den vergangenen Jahren nicht leicht gehabt: War man gerade über die TKG-Novelle 2021 hinweggekommen und hatte die Preissteigerungen in der (Tief-)Baubranche sowie den Förderstopp im Jahr 2022 verdaut, so drohte ihnen auch im Jahr 2023 mit einer deutschlandweiten Diskussion um den strategischen Glasfaserüberbau durch große Player weiteres Ungemach. Wirtschaftlich interessante Gebiete wurden nun nicht nur wegen der gestiegenen Finanzierungskosten, sondern auch eben durch (Dopplungs-)Ausbauzusagen von Wettbewerbern plötzlich unwirtschaftlich („cherry picking“).

Die Bundesnetzagentur reagierte mit einer Monitoring-Stelle, die aber bislang nur beobachtet und nicht einschreitet. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) bietet für solche Fälle nur wenig Hilfe, obwohl der Begriff des Überbaus schon seit 2016 im Gesetz legal definiert ist und schon seither (gerade beim Gesetzgeber) als „volkswirtschaftlich ineffizient“ bekannt ist. Mit dem Entwurf des TK-Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (TK-NaBeG), welches das TKG punktuell novellieren soll, oder der Gigabit-Infrastrukturverordnung auf EU-Ebene (GIA, Gigabit Infrastructure Act) hat aber auch die Politik bislang keinen Anlass dafür gesehen, den strategischen Überbau gesetzlich zu beschränken. So bleibt den Betroffenen meist nur ein kartellrechtlicher Anspruch nach dem GWB, der aber nur schwer durchsetzbar sein dürfte. Und so trabt der Glasfaserausbau in Deutschland weiter vor sich hin.

Nun aber hat die BNetzA zum Ende des vergangenen Jahres mit einer Entgeltfestlegung in geförderten Glasfasernetzen (Beschluss vom 31.10.2023, Az. BK11-23-003) für weiteren Tumult in der Branche gesorgt, der auch der allgemeinen Investitionslage nicht zugutekommt.

Zum Fall: Die Vodafone GmbH hatte im Landkreis Main-Kinzig den Zuschlag für den Betrieb und die Pacht eines durch eine kreiseigene Tochter mit Fördermitteln errichteten FTTH-Netzes nach dem sogenannten Betreibermodell erhalten. Die Förderbestimmungen sehen dabei einen (verpflichtenden) diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang (Open Access) für die mit Fördermitteln errichteten Netze vor.

Die M-net Telekommunikations GmbH war im Ausschreibungsverfahren unterlegen und begehrte nun Zugang zum geförderten und von der Vodafone betriebenen Netz.
Trotz Verhandlungen konnten die Beteiligten sich nicht einigen und landeten vor der BNetzA in einem sogenannten Streitbeilegungsverfahren. Die Behörde gab dem Antrag der M-net teilweise statt und verpflichtete Vodafone, unter anderem einen offenen Netzzugang in Form eines Layer-2-Bitstromprodukts zu folgenden Konditionen zu gewähren:
 
BandbreiteEntgelt (netto)
100/50 Mbit/s 16,07 Euro
250/125 Mbit/s24,08 Euro
500/250 Mbit/s 28,43 Euro
1.000/500 Mbit/s41,04 Euro

Aufgrund der festgesetzten Entgelte hat die Entscheidung Strahlwirkung auf alle Marktakteure, denn sie wird auch über den Landkreis Main-Kinzig hinaus und auch in nicht geförderten Netzen nun als Benchmark-Elefant für künftige Zugangsnachfragen im Raume stehen. Erscheinen die festgelegten Entgelte für Zugangsnachfrage zunächst attraktiv, so stellt sich auf den zweiten Blick die Frage, ob eine andere Entscheidung etwa zugunsten einer prozentualen Preis-Kosten-Schere nicht doch vorteilhafter für die Branche wäre.

Die Entscheidung wird daneben durchaus kritisch betrachtet, weil die Entgeltermittlung sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch die breite Öffentlichkeit intransparent erfolgte. Laut BNetzA sollen die in diesem Streitbeilegungsverfahren herangezogenen Referenzpreise auch zukünftig als belastbare Vergleichspreise für anstehende Streitbeilegungsverfahren dienen, weshalb voraussichtlich eine Welle von gleich gelagerten Entscheidungen bevorsteht, sollte der Beschluss Bestand haben.

Für alle Marktakteure stellen sich nun zahlreiche Fragen: Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf mein konkretes Ausbauprojekt? Droht eine Fördermittelrückzahlung im Falle gleich gelagerter Entscheidungen für ein gefördertes Netz? Was bedeutet die Entscheidung für Pachtentgelte auf der vorgelagerten Ebene? Sind Pachtentgelte anzupassen? Wie können Entgelte für Open-Access-Anfragen in eigenwirtschaftlichen Netzen noch an den von der BNetzA festgelegten Entgelten vorbeiargumentiert werden und welche Spielräume bestehen noch?

Damit steht jedenfalls auch für die TK-Branche im Jahr 2024 fest, dass es sicherlich wieder nicht langweilig wird und strategische Überlegungen nicht nur wegen der absehbaren Konsolidierung im Markt nach wie vor wichtiger denn je sind. Das betrifft nicht nur künftige Ausbauprojekte, sondern auch Bestandsnetze. Möglicherweise wird das ein oder andere Glasfasernetz im Jahr 2024 nur mithilfe neuer Partner tragfähig sein oder den Eigentümer wechseln. Der Markt bleibt eben, wie er ist: dynamisch.

* Axel Kafka, Rechtsanwalt, Becker Büttner Held (BBH), Berlin; Julien Wilmes-Horvath, Fachanwalt für IT-Recht, Becker Büttner Held (BBH), Köln.

Donnerstag, 18.01.2024, 09:45 Uhr
Redaktion
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Axel Kafka und Julien Wilmes-Horvat* erklären, warum die Festlegung von Bitstrom-Zugangsentgelten in öffentlich geförderten Glasfasernetzen die TK-Branche auf den Kopf stellt.
Telekommunikationsnetzbetreiber haben es in den vergangenen Jahren nicht leicht gehabt: War man gerade über die TKG-Novelle 2021 hinweggekommen und hatte die Preissteigerungen in der (Tief-)Baubranche sowie den Förderstopp im Jahr 2022 verdaut, so drohte ihnen auch im Jahr 2023 mit einer deutschlandweiten Diskussion um den strategischen Glasfaserüberbau durch große Player weiteres Ungemach. Wirtschaftlich interessante Gebiete wurden nun nicht nur wegen der gestiegenen Finanzierungskosten, sondern auch eben durch (Dopplungs-)Ausbauzusagen von Wettbewerbern plötzlich unwirtschaftlich („cherry picking“).

Die Bundesnetzagentur reagierte mit einer Monitoring-Stelle, die aber bislang nur beobachtet und nicht einschreitet. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) bietet für solche Fälle nur wenig Hilfe, obwohl der Begriff des Überbaus schon seit 2016 im Gesetz legal definiert ist und schon seither (gerade beim Gesetzgeber) als „volkswirtschaftlich ineffizient“ bekannt ist. Mit dem Entwurf des TK-Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (TK-NaBeG), welches das TKG punktuell novellieren soll, oder der Gigabit-Infrastrukturverordnung auf EU-Ebene (GIA, Gigabit Infrastructure Act) hat aber auch die Politik bislang keinen Anlass dafür gesehen, den strategischen Überbau gesetzlich zu beschränken. So bleibt den Betroffenen meist nur ein kartellrechtlicher Anspruch nach dem GWB, der aber nur schwer durchsetzbar sein dürfte. Und so trabt der Glasfaserausbau in Deutschland weiter vor sich hin.

Nun aber hat die BNetzA zum Ende des vergangenen Jahres mit einer Entgeltfestlegung in geförderten Glasfasernetzen (Beschluss vom 31.10.2023, Az. BK11-23-003) für weiteren Tumult in der Branche gesorgt, der auch der allgemeinen Investitionslage nicht zugutekommt.

Zum Fall: Die Vodafone GmbH hatte im Landkreis Main-Kinzig den Zuschlag für den Betrieb und die Pacht eines durch eine kreiseigene Tochter mit Fördermitteln errichteten FTTH-Netzes nach dem sogenannten Betreibermodell erhalten. Die Förderbestimmungen sehen dabei einen (verpflichtenden) diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang (Open Access) für die mit Fördermitteln errichteten Netze vor.

Die M-net Telekommunikations GmbH war im Ausschreibungsverfahren unterlegen und begehrte nun Zugang zum geförderten und von der Vodafone betriebenen Netz.
Trotz Verhandlungen konnten die Beteiligten sich nicht einigen und landeten vor der BNetzA in einem sogenannten Streitbeilegungsverfahren. Die Behörde gab dem Antrag der M-net teilweise statt und verpflichtete Vodafone, unter anderem einen offenen Netzzugang in Form eines Layer-2-Bitstromprodukts zu folgenden Konditionen zu gewähren:
 
BandbreiteEntgelt (netto)
100/50 Mbit/s 16,07 Euro
250/125 Mbit/s24,08 Euro
500/250 Mbit/s 28,43 Euro
1.000/500 Mbit/s41,04 Euro

Aufgrund der festgesetzten Entgelte hat die Entscheidung Strahlwirkung auf alle Marktakteure, denn sie wird auch über den Landkreis Main-Kinzig hinaus und auch in nicht geförderten Netzen nun als Benchmark-Elefant für künftige Zugangsnachfragen im Raume stehen. Erscheinen die festgelegten Entgelte für Zugangsnachfrage zunächst attraktiv, so stellt sich auf den zweiten Blick die Frage, ob eine andere Entscheidung etwa zugunsten einer prozentualen Preis-Kosten-Schere nicht doch vorteilhafter für die Branche wäre.

Die Entscheidung wird daneben durchaus kritisch betrachtet, weil die Entgeltermittlung sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch die breite Öffentlichkeit intransparent erfolgte. Laut BNetzA sollen die in diesem Streitbeilegungsverfahren herangezogenen Referenzpreise auch zukünftig als belastbare Vergleichspreise für anstehende Streitbeilegungsverfahren dienen, weshalb voraussichtlich eine Welle von gleich gelagerten Entscheidungen bevorsteht, sollte der Beschluss Bestand haben.

Für alle Marktakteure stellen sich nun zahlreiche Fragen: Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf mein konkretes Ausbauprojekt? Droht eine Fördermittelrückzahlung im Falle gleich gelagerter Entscheidungen für ein gefördertes Netz? Was bedeutet die Entscheidung für Pachtentgelte auf der vorgelagerten Ebene? Sind Pachtentgelte anzupassen? Wie können Entgelte für Open-Access-Anfragen in eigenwirtschaftlichen Netzen noch an den von der BNetzA festgelegten Entgelten vorbeiargumentiert werden und welche Spielräume bestehen noch?

Damit steht jedenfalls auch für die TK-Branche im Jahr 2024 fest, dass es sicherlich wieder nicht langweilig wird und strategische Überlegungen nicht nur wegen der absehbaren Konsolidierung im Markt nach wie vor wichtiger denn je sind. Das betrifft nicht nur künftige Ausbauprojekte, sondern auch Bestandsnetze. Möglicherweise wird das ein oder andere Glasfasernetz im Jahr 2024 nur mithilfe neuer Partner tragfähig sein oder den Eigentümer wechseln. Der Markt bleibt eben, wie er ist: dynamisch.

* Axel Kafka, Rechtsanwalt, Becker Büttner Held (BBH), Berlin; Julien Wilmes-Horvath, Fachanwalt für IT-Recht, Becker Büttner Held (BBH), Köln.

Donnerstag, 18.01.2024, 09:45 Uhr
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