Quelle: E&M
Der treibhausgasneutrale Umbau kann zu Konflikten zwischen Klima- und Denkmalschutz führen. Ines Zenke und Carsten Telschow werfen einen Blick auf die rechtlichen Leitplanken*.
Dass auch Vorhaben, die auf dem Weg in die klimaneutrale Wirtschaft erforderlich sind, gegen andere rechtliche Belange abgewogen werden müssen, ist keine neue Erkenntnis. Ein prominentes Beispiel ist das energiepolitische Zieldreieck, das der Umweltverträglichkeit die Preisgünstigkeit und die Versorgungssicherheit als Gegengewicht zur Seite stellt.
Mit Blick auf die ehrgeizigen Klimaziele Deutschlands wurde nun explizit den erneuerbaren Energien herausragende Bedeutung eingeräumt. Das gilt auch gegenüber dem Denkmalschutz. Denn stellen Sie sich mal vor, Sie legen − sagen wir − emissionsfreundlich ein Kohlekraftwerk still und wollen die Flächen mit erneuerbaren Energien bebauen, dürften das aber nicht, weil Ihr Kraftwerk „als Zeichen für das Ende der Ära Kohleverstromung“ ein Denkmal werden soll?
Alt, älter, Denkmal?
Zunächst einmal: Nein, nicht jedes ältere Bauwerk ist gleich auch ein Denkmal. Ein bundesweit einheitliches Denkmalverständnis gibt es aber nicht. Denkmalschutzrecht ist Landesrecht und Denkmalschutzbehörden sind Landesbehörden. Denkmäler werden in der Regel als Gegenstände definiert, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht.
In den konkreten Schutzgründen unterscheiden sich die Landesgesetze untereinander, meist werden aber künstlerische, wissenschaftliche, technische, geschichtliche oder städtebauliche Gründe benannt. Um den Erhaltungswert von Objekten näher einzugrenzen, werden − auch von der Rechtsprechung − Kriterien wie der Seltenheits- und Dokumentationswert, Alter, Originalität, Integrität und konkretes Gewicht des Schutzgrundes herangezogen.
Auch diese Kriterien bleiben aber naturgemäß zum Teil subjektiv, und werden von Denkmalbehörden und Eigentümern nicht selten unterschiedlich gesehen.
Um über die Einordnung von Objekten als Kulturdenkmäler eine gewisse Transparenz zu schaffen, führen Bundesländer Denkmallisten.
Leider verschafft ein Blick in diese oft nicht die gewünschte Klarheit. Denn im Denkmalrecht vieler Bundesländer kommt den Listen nur eine deklaratorische Wirkung zu. Mit anderen Worten: Auch ein nicht gelistetes Objekt kann ein Denkmal sein, wenn es die im einschlägigen Denkmalschutzgesetz hierfür benannten Voraussetzungen erfüllt.
Anders ist es in Ländern wie etwa Nordrhein-Westfalen, die dem konstitutiven System folgen. Dort hat ein Objekt so lange keine denkmalschutzrechtlichen Beschränkungen, wie es nicht positiv als Denkmal eingestuft ist.
Der Konflikt
Dass der Denkmalschutz mit den Interessen der Eigentümer der geschützten Objekte kollidieren kann, ist nicht neu. Weitere Konfliktlagen ergeben sich mit der voranschreitenden Energiewende. Etwa beim Ausbau von Windenergieanlagen in der Nähe von Denkmälern oder von Photovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Oder beim Umbau konventioneller Kraftwerks- und Industriestandorte.
Hier ist auf der einen Seite sehr sinnvoll, die transformativen Modernisierungsvorhaben an den bestehenden Standorten zu realisieren, schon um einen zusätzlichen Flächenverbrauch und die damit verbundenen Umweltbelastungen zu vermeiden. Auf der anderen Seite erkennen Denkmalbehörden immer mal wieder in den alten Anlagen bedeutsame Dokumente der Bau- und Industriegeschichte. Wie ist dieser Konflikt nun zu lösen?
Alles überragender Klimaschutz?
Es kommt darauf an − die klassische Juristen-Antwort. Sowohl der Klima- als auch der Denkmalschutz sind völker-, unions- und verfassungsrechtlich geschützte öffentliche Belange. Bislang gab es hier keinen generellen Vorrang eines der beiden Schutzgüter, sondern das Gebot der Einzelfallabwägung.
Mit dem sich verschärfenden Klimawandel steigt nach dem Bundesverfassungsgericht jedoch die Bedeutung des Klimaschutzes. Zudem wirkt sich der durch das Osterpaket 2022 eingeführte und inzwischen auch unionsrechtlich untermauerte § 2 EEG zugunsten des Ausbaus der erneuerbaren Energien aus. Der Ausbau der erneuerbaren Energien stellt demnach ein überragendes öffentliches Interesse dar und soll als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung eingebracht werden.
Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers kann der Denkmalschutz den Ausbau der erneuerbaren Energien nur noch in Ausnahmefällen überwinden. In der Rechtsprechung zum Bau von zum Beispiel Windenergieanlagen in der Umgebung von Denkmälern schlägt sich dies bereits nieder. Beim (Teil-)Abriss oder Umbau konventioneller Industrie- und Energieinfrastruktur zugunsten des klimaneutralen Umbaus der Wirtschaft wird dagegen teilweise noch rechtliches Neuland betreten.
Soweit die Vorhaben konkret der Bereitstellung erneuerbarer Energien dienen, nehmen diese natürlich an dem hierfür eingeräumten Vorrang teil. Aus der vom Bundesverfassungsgericht mit seinem viel beachteten Klimaschutzbeschluss vom 24. März 2021 gestärkten staatlichen Auftrag aus Art. 20a des Grundgesetzes zu wirksamem Klimaschutz lässt sich aber auch ein Vorrang von Vorhaben ableiten, die der klimaneutralen Transformation mit der Entwicklung grundlegend neuer Technologien dienen.
Ausblick: Denkmalschutz mit verminderter Bremswirkung
So wie heute die Zeche Zollverein als UNESCO-Weltkulturerbe stellvertretend an den Kohle-bergbau in Deutschland erinnert, ohne dass dieser hierfür insgesamt konserviert werden musste, muss auch nicht jedes einzelne zum Beispiel Kohlekraftwerk − schon gar nicht in Bundesländergrenzen gedacht − erhalten werden, um für künftige Generationen die Energieversorgung im Zeitalter der fossilen Energieträger anschaulich zu machen. Dieses Verständnis müssen die Denkmalbehörden abbilden und die Vorhabenträgerinnen und -träger kennen. Dass etwas einfacher beziehungsweise weniger komplex ist und werden könnte, das hört man doch gern.
*Prof. Dr. Ines Zenke, Partnerin, Carsten Telschow, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin
Mittwoch, 6.11.2024, 09:52 Uhr
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