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Die Fernwärmepreise der Stadtwerke Neubrandenburg sind nun ein Fall fürs Gericht. Der Bundesverband der Verbraucherschützer klagt gegen den Versorger und ein weiteres Unternehmen.
Streitpunkt Preisbildungsformel: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) geht juristisch gegen die Fernwärme-Tarife der Stadtwerke Neubrandenburg und des privaten Anbieters Avacon Natur aus Helmstedt vor. Unterlassungsklagen sind inzwischen bei den zuständigen Oberlandesgerichten in Rostock und Celle eingereicht.
Der VZBV hält Preiserhöhungen der vergangenen Jahre für rechtswidrig, weil sie auf unzulässigen Preisänderungsklauseln erfolgt seien. Die Verbraucherschützer argumentieren, die Kopplung der Preise an die (gestiegenen) Börsenpreise für Gas sei unhaltbar. Vielmehr müssten auch andere für den Wärmemarkt relevante Preisbestandteile Berücksichtigung finden.
Dann hätte sich, so der VZBV, die Teuerung dämpfen lassen. Im Gegenteil habe sich bei einem Einfamilienhaus, das etwa 16.000 kWh Fernwärme von den Stadtwerken Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern bezieht, eine Preissteigerung von mehr als 3.000 Euro ergeben. Gegenüber 2021 sei der Preis je kWh von 8,03 Cent auf 27,64 Cent geklettert. Im Jahr 2023 sei es noch kostspieliger gewesen.
Versorger glaubt an recht zulässige PreisformelAuf Anfrage dieser Redaktion teilen die Stadtwerke mit, die Haltung des VZBV nicht nachvollziehen zu können. Am Mittag des 15. August sei die Klageschrift des Verbands eingegangen, mit der der Versorger sich nun auseinandersetzen werde. Das Rechenbeispiel des VZBV kontern die Neubrandenburger mit einem „typischen Fernwärmehaushalt“, der 8.000 kWh verbrauche und dafür 2024 etwa 1.200 Euro mehr im Vergleich mit 2021 zu zahlen habe.
Die Stadtwerke Neubrandenburg reklamieren für sich, ihre Preisformel für Fernwärme in den Jahren 2022 und 2023 einer externen Prüfung unterzogen zu haben. Ergebnis: rechtlich zulässig. Die Formel gelte bereits seit 2015 und entspreche den gesetzlichen Vorgaben (der AVBFernwärmeV). Sie beziehe außerdem verschiedene Elemente ein, wie das Marktpreiselement nach Wärmepreisindex’ und das Kostenelement gemäß der Gaspreise an der EEX-Börse.
Die Stadtwerke gehen davon aus, dass der VZBV eine Musterklage forciere, „um Rechtssicherheit für die Gestaltung von Fernwärmeformeln zu bekommen – insbesondere zum angemessenen Verhältnis zwischen Marktpreis- und Kostenelement“. Das Angebot der Stadtwerke, auf die geforderte Unterlassungserklärung vom Juni hin klärende Gespräche zu führen, habe der Verband abgelehnt.
Avacon Natur soll fünfmal so viel verlangt haben wie 2021Im Falle des niedersächsischen Unternehmens Avacon Natur kritisiert der VZBV, dass es in einem Versorgungsgebiet von 2021 auf 2022 eine Verfünffachung des Fernwärmepreises gegeben habe. Hier seien für die kWh statt 5,6 Cent nunmehr 27,74 Cent fällig gewesen. 2023 habe der Preis zeitweise sogar bei 45 Cent gelegen. Dass die Energiepreisbremse der Bundesregierung im vergangenen Jahr gegriffen habe, hätte „erhebliche Belastungen“ für die Haushalte dennoch nicht vermeiden können, so Ronny Jahn, Teamleiter für Sammelklagen beim VZBV.
Ein Sprecher von Avacon erklärte auf Anfrage, die am Oberlandesgericht Celle eingereichte Klageschrift am 1. August erhalten zu haben. Das Unternehmen prüfe nun die Vorwürfe. Avacon nehme allerdings für sich in Anspruch, Fernwärme gemäß der gesetzlichen Vorgaben und entsprechend den Kosten- und Marktentwicklungen zu berechnen. Die Preisänderungen erfolgten auf einer „objektiven, unabhängigen und nachvollziehbaren Basis“.
Der Verbraucherschützer-Verband hofft hingegen, über die Klagen Rückzahlungen für die Betroffenen zu erreichen. Diese könnten sich auf bis zu drei zurückliegende Jahre erstrecken. Der VZBV prüfe parallel die Möglichkeit von Sammelklagen. Im Erfolgsfall, also der Nichtigkeit der Preisanpassungsklauseln, müssten die Versorger dann nachträglich zu den Preisen von 2021 abrechnen.
Auseinandersetzungen um die Fernwärmepreise sind nicht neu. So hat der VZBV bereits eine Sammelklage gegen den Energiekonzern Eon und dessen Fernwärmetochter Eon Energy Solutions gestartet (wir berichteten). In Weimar klagt ein Unternehmen gegen die dortigen Stadtwerke, die eine Nachzahlung verlangt und nicht vollständig erhalten hatten. Auch hier steht die Preisformel zur Berechnung des Arbeitspreises auf dem Prüfstand. Zudem soll der Versorger die Wirkungsgrade bei der Fernwärme für die ganze Stadt transparent machen (wir berichteten).
Donnerstag, 15.08.2024, 15:03 Uhr
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