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Den alterungsbedingten Sicherheitszustand von PV-Speichern zu analysieren, erfordert komplexe Algorithmen, so Batterieforscher. Dafür braucht es detaillierte Betriebsdatenanalysen.
Der PV-Markt boomt, und kaum noch eine Heimanlage wird ohne Batteriespeicher verkauft. Allein im ersten Halbjahr 2023 wurden nach Angaben des ISEA (Institute for Power Electronics and Electrical Drives) der RWTH Aachen 250.000 Speicher in Haushalten installiert – mehr als im ganzen vergangenen Jahr. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Unfälle mit PV-Speichern. In der Öffentlichkeit wachsen Zweifel an der Sicherheit der Technologie, vor allem Lithium-Ionen-Speicher mit NCA-Kathoden (Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxide) oder NMC-Kathoden (Nickel-Mangan-Cobalt-Oxide) werden hinterfragt. E&M sprach mit Jan Figgener und Mark Junker vom Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH.
E&M: Sind Batteriespeicher sicher?
Jan Figgener: Batteriespeicher sind generell eine sichere Technologie, wenn alle Komponenten eine hohe Fertigungsqualität aufweisen, das Batteriemanagementsystem ordnungsgemäß funktioniert, und die Betriebsdaten regelmäßig für tiefergehende Sicherheitsanalysen ausgewertet werden. Batteriespeicher tragen analog zu allen anderen Elektronikgeräten ein gewisses Brandrisiko, was durch zahlreiche Medienberichterstattungen aber sicher als größer wahrgenommen wird als es ist. Untersuchungen zu Elektrofahrzeugen in Ländern mit einem relativ hohen Anteil an Elektrofahrzeugen wie Norwegen und Schweden zeigen beispielsweise, dass Elektrofahrzeuge ein deutlich geringeres spezifisches Brandrisiko als Verbrenner haben. Zusätzlich gilt es zu beachten, dass die Risiken – wie in anderen Bereichen auch – erheblich von Qualität des Produkts abhängen.
E&M: Was sind die Hauptursachen für einen Brand bei PV-Speichern?
Figgener: Generell und unabhängig von der verwendeten Zelltechnologie ist es wichtig, über das gesamte Speichersystem zu sprechen und die Ursachen nicht nur in bestimmten Lithium-Ionen-Technologien zu suchen. Für einen Brand können verschiedene Gründe verantwortlich sein, weshalb keine pauschalen Antworten gegeben werden können. Die größten Rückrufaktionen in der Elektromobilität konnten bisher auf Produktionsfehler bei den Batteriezellen zurückgeführt werden, die zu einem Kurzschluss innerhalb der Zellen geführt haben. In den Medien gab es aber auch Berichte über Fehler bei der Verschaltung vieler Zellen zu einem Modul oder eine fehlerhafte Überwachung der zulässigen Betriebsbereiche durch das Batteriemanagementsystem.
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Jan Figgener Quelle: RWTH Aachen |
E&M: Gerade NCA-Speicher können sogenannte Heater-Zellen enthalten – Zellen, die sehr heiß werden und im äußersten Fall in Brand geraten. Wie kommt es zu solchen Zellen?
Mark Junker: Wenn es zu einer deutlichen und schlagartigen Erwärmung von Batteriezellen kommt, ist dafür zunächst einmal Energie notwendig. Es gibt verschiedene Prozesse, aus welchen diese Energie prinzipiell stammen kann: Hat eine Zelle zum Beispiel durch einen Defekt einen deutlich erhöhten Widerstand, kann es zu hohen Verlustleistungen und damit zu einer starken Erwärmung der Zelle kommen. Eine weitere mögliche Ursache kann ein Kurzschluss innerhalb einer Batteriezelle sein, bei welchem ein Teil der in der Batterie gespeicherten Energie in Wärme umgesetzt wird. Ursachen dafür können etwa Fremdkörper in der Batterie, starke mechanische Belastung oder sogenanntes Lithium-Plating sein, bei dem das in Lithium-Ionen-Batterien enthaltene Lithium nicht in den Batteriematerialien gespeichert werden kann und stattdessen eine leitfähige Metallschicht in der Zelle bildet. Zudem kann auch durch die chemische Zersetzung des Kathodenmaterials durch Überladung Wärme freigesetzt werden.
E&M: Wie sollte das Batteriemanagementsystem, BMS, aussehen – muss jede Batteriezelle einzeln überwacht werden?
Junker: Bei Lithium-Ionen-Batterien überwacht das BMS die Spannung, Strom und Temperatur. Während die Spannung an jeder Zelle bestimmt werden kann, wird der Strom meist für alle parallel verschalteten Zellen eines Moduls gesammelt gemessen. Die Temperatur sollte an so vielen Orten aufgezeichnet werden, dass sich daraus die Temperaturverteilung im Speichermodul rekonstruieren lässt und dass auffällige Temperaturen in einzelnen Bereichen des Moduls registriert werden können. Alle überwachten Parameter müssen dabei in den spezifizierten Betriebsbedingungen liegen.
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Mark Junker Quelle: RWTH |
E&M: Können kritische Zellen so rechtzeitig erkannt werden?
Figgener: Kritische Zustände wie eine zu hohe Spannung oder eine zu hohe Temperatur können durch die gemessenen Momentanwerte des BMS erkannt werden, sollten bei einer funktionierenden Regelung aber erst gar nicht auftreten. Das BMS ist aber meistens nicht in der Lage, tiefgehende Analysen über die Alterung und den alterungsbedingten Sicherheitszustand der Batterien durchzuführen. Für solche Analysen werden komplexe Algorithmen benötigt, die die historischen Werte der gesamten Lebenszeit mittels intelligenter Algorithmen auswerten.
E&M: Wie groß sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Lithium-Ionen-Speichertypen im Hinblick auf das Brandrisiko?
Junker: Hierzu können keine pauschalen Aussagen getroffen werden, da auch immer das Gesamtsystem inklusive Leistungselektronik und Verkabelung betrachtet werden muss. Oftmals werden Lithium-Eisenphosphat-Batterien in der Industrie als die ideale Lösung präsentiert. Prinzipiell bietet Lithium-Eisenphosphat durchaus Vorteile bezüglich der Sicherheit, da es bei Überladung oder Überhitzung der Batterie nicht zu einer Zersetzung des Kathodenmaterials unter Freisetzung von Sauerstoff kommt und damit im Brandfall insgesamt weniger Energie freigesetzt wird. Dennoch beinhalten auch Lithium-Eisenphosphat-Batterien brennbare Bestandteile und durch die gespeicherte Energie einer geladenen Batterie kann es im Fall eines Kurzschlusses zu einer schlagartigen Wärmefreisetzung kommen.
Montag, 13.11.2023, 17:01 Uhr
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