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Der ehemalige Chef der Stadtwerke Bad Belzig hat nach eigenem Bekunden den Aufsichtsrat über seine Termingeschäfte mit Strom informiert. Mit seiner Berufungsklage scheiterte er.
Niederlage auch in zweiter Instanz: Der ehemalige Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Belzig muss für seine Stromgeschäfte, die das Unternehmen Ende 2021 in die Insolvenz gestürzt hatten (wir berichteten), finanziell gerade stehen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat am 9. April (Az. 4 U 144/23) die Berufung des Ex-Chefs gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16. November 2023 (Az. 6 O 103/22) zurückgewiesen. Die Revision zum Bundesgerichtshof ließ das Oberlandesgericht (OLG) nicht zu.
Der frühere Stadtwerke-Chef muss 3,5 Millionen Euro nebst Zinsen Schadenersatz zahlen. Der Beklagte habe seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt, „indem er nach bereits im März 2021 vorausgegangenen Stromleerverkäufen und trotz gestiegener Marktpreise im Juni 2021 erneut Stromleerverkäufe im Umfang eines Mehrfachen des Gesamtjahresenergiebedarfs der Stadtwerke tätigte“, unterstrich das OLG. „Bei diesen Geschäften handelte es sich um vollkommen ungesicherte Warentermingeschäfte aufgrund einer hochspekulativen Wette auf sinkende Marktpreise, die von dem einem Geschäftsführer einer GmbH zuzubilligenden Beurteilungsspielraum bei unternehmerischen Geschäften nicht mehr gedeckt waren“, erklärt eine Sprecherin des Gerichts gegenüber dieser Redaktion.
35 Millionen Euro Schaden
Der Sichtweise des Beklagten, er habe annehmen dürfen, die Strompreise würden in der Folgezeit sinken, sodass er mit den weiteren Stromleerverkäufen die Verluste aus den im März getätigten Geschäften würde ausgleichen können, sei der Senat nicht gefolgt. Das gilt auch für seinen Fingerzeig, „den Aufsichtsrat der Stadtwerke Bad Belzig GmbH oder den von ihm zeitnah nach den Verkäufen informierten Bürgermeister der Stadt Bad Belzig, Gesellschafterin der GmbH, treffe ein Mitverschulden“.
Ob der Geschäftsführer die Millionenforderung begleicht, bleibt abzuwarten. Der Sachwalter in dem Fall, der Berliner Rechtsanwalt Jürgen Spliedt, hat ihn nach eigener Aussage nach dem Urteil angeschrieben, jedoch noch keine Antwort erhalten. Juristisch wehren könnte sich der Ex-Chef gegen das Urteil noch mit einer Verfassungsbeschwerde.
In Bad Belzig würde man sich über eine Zahlung „freuen“, wie Bürgermeister Robert Pulz (parteilos) durchblicken lässt. Den finanziellen Schaden, der durch die Spekulationen entstand, beziffert das Gemeindeoberhaupt auf rund 35 Millionen Euro.
Staatsanwaltschaft: Kein Anfangsverdacht gegen Aufsichtsrat
Offen ist unterdessen, ob es auch zu einem strafrechtlichen Verfahren gegen den früheren Geschäftsführer kommt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Potsdam dauern an und sind allein auf ihn gerichtet: „Ein Anfangsverdacht gegen weitere Verantwortliche wurde nicht bejaht“, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Nicht nur der Geschäftsführer hatte auf den Aufsichtsrat hingewiesen. Der ehemalige Leiter der Abteilung Energiewirtschaft der Stadtwerke sagte 2022 der Lokalpresse, der Aufsichtsrat des zahlungsunfähigen Versorgers habe seit 2019 von der Geschäftspraxis gewusst. Der Aufsichtsratsvorsitzende und auch der Bürgermeister, Mitglied des Aufsichtsrats, hatten damals nach eigener Darstellung von Spekulationen erst im Jahr 2021 Kenntnis erlangt.
Die riskanten Geschäfte wickelte der Ex-Stadtwerke-Chef offenbar nicht selber über die Leipziger Strombörse ab. „Die Stadtwerke Bad Belzig sind beziehungsweise waren kein Börsenteilnehmer an der EEX“, teilt eine Börsensprecherin mit.
Mittwoch, 16.04.2025, 16:18 Uhr
Manfred Fischer
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