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Das Klimaschutzurteil gegen die Bundesregierung vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom Mai 2024 ist rechtskräftig. Das Bundesumweltministerium hatte keine Revision eingelegt.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatte im Frühjahr die Bundesregierung verurteilt, wirksamere Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung zu ergreifen. Da das federführende Bundesumweltministerium (BMU) dagegen keine Revision eingelegt hat, ist das Urteil nunmehr rechtsgültig. Dies teilte als Vertreter der Kläger die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am 13. September mit.
Sofortige Maßnahmen im Landnutzungssektor müssten demzufolge mehr als 40 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Dies könne zum Beispiel durch weniger Abholzung in Wäldern und Wiederherstellung von Mooren erreicht werden. Die DUH fordert jetzt einen Regierungsentwurf für konkrete Maßnahmen bis zum 31. Oktober. Andernfalls will sie ein Vollstreckungsverfahren einleiten, kündigte der Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner an.
Land- und Forstwirtschaft reformieren
Im Jahr 2045 soll der Landnutzungssektor laut Klimaschutzgesetz eigentlich 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente speichern, bereits jetzt und mit den jahresgebundenen Zielen für 2030, 2040 und 2045 soll der Sektor als Senke für unvermeidbare Restemissionen aus anderen Bereichen wie der Zementindustrie dienen. Laut Berechnungen wird er aber sogar 2045 noch CO2 ausstoßen.
Müller-Kraenner sagte: „Die positive Wirkung dieses Urteils für den Naturschutz und die Landnutzung ist gar nicht zu überschätzen.“ Die Regierung Scholz werde damit gezwungen, auch in Land- und Forstwirtschaft mehr für Klimaschutz und Natur zu tun. Überfällig sei ein ambitioniertes neues Waldgesetz, das sich am Ökosystem Wald und nicht einseitig an den Interessen der Forstindustrie orientiert. „Hier muss die FDP ihren Widerstand in der Ressortabstimmung aufgeben“, forderte er. In den laufenden Haushaltsverhandlungen müssten die Mittel für die Wiederherstellung von Mooren, Feuchtgebieten und Wäldern aufgestockt statt gekürzt werden.
Zweite Klage steckt in Revision
Eine zweite erfolgreiche Klage der DUH geht in Revision zum Bundesverwaltungsgericht. Hier hatte sich Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) geweigert, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu akzeptieren. Der Richterspruch besagt, dass die Ampel ihr Klimaschutzprogramm auch für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Abfallwirtschaft und Sonstiges nachschärfen muss. Nun werde das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren entscheiden.
Wirksame Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland zum Beispiel im Verkehrsbereich wären laut DUH ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt. Die Organisation rechnet mit einer Zurückweisung der Revision und damit Rechtswirksamkeit der Gerichtsentscheidung noch vor der Bundestagswahl im September 2025.
Auch beim Klimaschutz im Gebäudesektor müsse nachgebessert werden, so die DUH. Im Haushaltsjahr 2025 sind trotz einer historisch niedrigen Sanierungsrate 2,4 Milliarden Euro weniger innerhalb der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) eingeplant als in diesem Jahr. Die Auszahlung der Heizungsförderung verschiebt sich ein weiteres Mal nach hinten. „Wir lassen die Ampel damit nicht durchkommen und werden sie nun vor dem Bundesverwaltungsgericht zu effektivem Klimaschutz in allen Sektoren zwingen“, kündigte die Umwelthilfe an.
Neue Klage von BUND und SFV
Das von der Ampelkoalition abgeschwächte Klimaschutzgesetz (KSG) verstößt gegen das Grundgesetz. Mit dieser Begründung reichten die Umweltorganisation BUND und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) zeitgleich eine erneute Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Sie vertreten zugleich vier klagende Einzelpersonen.
Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender, begründete: „Anstatt mehr für das Klima zu tun, hat die Bundesregierung die Klimagesetzgebung sogar abgeschwächt.“ Das Klimaschutzgesetz wurde wesentlicher Elemente beraubt. Klimaschutz sei Menschenrecht, so Bandt. Die Wetterextreme dieses Jahres hätten eindrücklich die Gefahren bewiesen. Extreme Hitze, Waldbrände, Starkregen und Überschwemmungen haben auch dieses Jahr Menschenleben gekostet und Verwüstungen verursacht.
Die deutsche Gesetzgebung verstößt nach Auffassung der Beschwerdeführer daher mit ihrer unzureichenden Klimapolitik gegen das Grundgesetz. Das Ziel- und Ambitionsniveau der deutschen Klimapolitik sei zu niedrig. Maßstab des Handelns muss die klimawissenschaftlich fundierte, rechtlich verankerte Grenze von global 1,5 Grad maximaler Erderhitzung sein, um die Folgen der Klimakrise noch beherrschbar zu halten. Das „Treibhausgas-Budget“, welches Deutschland bei fairer Verteilung 2020 noch zustand, ist inzwischen aufgebraucht und sogar überzogen, wie die Klageschrift unter Hinweis auf IPCC-Berechnungen aufzeigt.
Freitag, 13.09.2024, 13:27 Uhr
Susanne Harmsen
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