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Energie & Management > Recht - RechtEck: Zählen Sie manchmal Schäfchen zum Einschlafen?
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Recht

RechtEck: Zählen Sie manchmal Schäfchen zum Einschlafen?

Ein Paragraf, zwei Paragrafen, drei Paragrafen: Wie Sie mit Energierecht zu einem erholsamen Schlaf gelangen. Tipps von Ines Zenke*.
Zählen Sie manchmal Schäfchen zum Einschlafen und selbst nach dem 112. Schaf will sich der Schlummer nicht einstellen? Kein Problem. Ich habe eine Lösung für Sie. Zählen Sie doch mal Paragrafen! Zum Beispiel diejenigen, die Sie kennen sollten, wenn Sie als vollintegriertes Energieunternehmen unterwegs sind. Ich verspreche Ihnen: Das schaffen Sie nie ohne akute Müdigkeitsattacken. 15.500 Normen haben Sie aktuell zur Auswahl. So viele Schafe muss man erst mal auf der Weide haben.

Ganz ohne Nebenwirkungen ist das Normen-Zählen natürlich nicht. Das möchte ich Ihnen als praktizierende Rechtsanwältin mit einem ausgeprägten Kümmer-Syndrom unbedingt mit auf den Weg geben. Versuchen Sie NIE, aber bitte wirklich NIE zu verstehen, warum das System der Energierechtsnormen so komplex geworden ist. Nehmen Sie es einfach hin. Das Gras ist grün, der Ball ist rund. Und das Energierecht eben einfach mal komplex.

Alles begann mit einem schlanken, übersichtlichen Energiewirtschaftsgesetz von 1935. Die Liberalisierung 1998 brachte dann erste Bewegungen in das Energierecht. Und nur elf Jahre später stellte ich bei dem Versuch, in einem französischen Magazin den Energiemarkt zu erklären, fest, dass die Etappen Liberalisierung, Regulierung und Re-Regulierung bereits zu rund 2.000 Rechtsnormen geführt hatten. „Unübersichtlich und mächtig komplex“, war damals meine Einschätzung, was rückblickend betrachtet herrlich naiv war. Denn der große Run auf das Energierecht sollte ja erst noch kommen. Darf es ein bisschen mehr sein? Aber bitte!

Der Atomausstieg − so abrupt und (wie ich meine) richtig er war − machte vielen erst so richtig klar: Es geht nicht nur um ein bisschen Atomausstieg nebst Finanzierung, Brennstoffelementesteuer und Schwerpunktsetzung auf andere Brennstoffe. Das wäre ja einfach. Stattdessen reden wir über die ganze Energiewende. Die Energiewende − gekommen als zartes Pflänzchen − ist heute ein wilder Dschungel, der insgesamt diverse Tausend Rechtsnormen im Schlepptau hat. Nicht alle neu. Aber alle breit gestreut, mit enormer Detailtiefe und (teils exotischer) Ausdifferenzierung.

Schauen Sie doch nur mal auf das seit 1974 existierende Bundesimmissionsschutzgesetz. Vor Gericht in allen Facetten debattiert und daher irgendwie schon fast ein bisschen laaaaangweilig. Heute werden dem BImSchG der stockende Netzausbau und der viel zu langsame EE-Ausbau angehängt. Überarbeitung anstehend, notwendig und im Wahlkampf bereits angekündigt. Da geht noch was!

Oder schauen Sie sich die Energienetzregulierung und die aktuelle Debatte um den EK-Zins für den Betrieb der Strom- und Gasnetze an. Können Sie verstehen, wieso der Zins so niedrig festgesetzt wird, aber andererseits die rechtlich gesetzten tatsächlichen Anforderungen an die Netzbetreiber steigen? Und lenken Sie jetzt bitte nicht mit dem Hinweis auf das aktuelle EuGH-Urteil zur Selbstständigkeit der Bundesnetzagentur ab.

Bedenken Sie außerdem bitte, dass ein Energieunternehmen ja nicht nur das Energierecht im eigentlichen Sinne beachten muss. Siehe das Kreditwesengesetz KWG. Nie gehört? Nicht schlimm. Manche Pflanzen sind ja eher selten. Allerdings kann diese Sie ganz schön in die Bredouille bringen, wenn Sie etwa eine Pacht als steuerlich schickes Finanzierungsleasing ausgestalten wollen oder Swaps vermakeln. Auch das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) klingt dornig. Ist aber zum Beispiel notwendig mitzudenken, wenn Sie Kundenkarten mit Kreditkartenfunktionalität herausgeben.

Neuen Stoff zum Nachdenken − und viele Regelungsideen − bringt auch der Wasserstoff mit sich. Oder die Biomasse. Oder insgesamt das ganze Paket „Fit for 55“. Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr Beispiele fallen mir ein, weswegen ich diesen Beitrag dringend beenden muss, um meinen naturgemäß herrlichen Nachtschlaf nicht doch noch zu gefährden. Nicht dass ich die ganzen 15.500 Normen noch verstehen will …

PS. Sie möchten die beschriebene Einschlafhilfe? Wir haben da ein tolles Poster für Sie. Im Vorabdruck exklusiv nur hier.

* Ines Zenke, Rechtsanwältin, Becker Büttner Held, Berlin
 
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Quelle: BBH

 

Mittwoch, 6.10.2021, 12:32 Uhr
Redaktion
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RechtEck: Zählen Sie manchmal Schäfchen zum Einschlafen?
Ein Paragraf, zwei Paragrafen, drei Paragrafen: Wie Sie mit Energierecht zu einem erholsamen Schlaf gelangen. Tipps von Ines Zenke*.
Zählen Sie manchmal Schäfchen zum Einschlafen und selbst nach dem 112. Schaf will sich der Schlummer nicht einstellen? Kein Problem. Ich habe eine Lösung für Sie. Zählen Sie doch mal Paragrafen! Zum Beispiel diejenigen, die Sie kennen sollten, wenn Sie als vollintegriertes Energieunternehmen unterwegs sind. Ich verspreche Ihnen: Das schaffen Sie nie ohne akute Müdigkeitsattacken. 15.500 Normen haben Sie aktuell zur Auswahl. So viele Schafe muss man erst mal auf der Weide haben.

Ganz ohne Nebenwirkungen ist das Normen-Zählen natürlich nicht. Das möchte ich Ihnen als praktizierende Rechtsanwältin mit einem ausgeprägten Kümmer-Syndrom unbedingt mit auf den Weg geben. Versuchen Sie NIE, aber bitte wirklich NIE zu verstehen, warum das System der Energierechtsnormen so komplex geworden ist. Nehmen Sie es einfach hin. Das Gras ist grün, der Ball ist rund. Und das Energierecht eben einfach mal komplex.

Alles begann mit einem schlanken, übersichtlichen Energiewirtschaftsgesetz von 1935. Die Liberalisierung 1998 brachte dann erste Bewegungen in das Energierecht. Und nur elf Jahre später stellte ich bei dem Versuch, in einem französischen Magazin den Energiemarkt zu erklären, fest, dass die Etappen Liberalisierung, Regulierung und Re-Regulierung bereits zu rund 2.000 Rechtsnormen geführt hatten. „Unübersichtlich und mächtig komplex“, war damals meine Einschätzung, was rückblickend betrachtet herrlich naiv war. Denn der große Run auf das Energierecht sollte ja erst noch kommen. Darf es ein bisschen mehr sein? Aber bitte!

Der Atomausstieg − so abrupt und (wie ich meine) richtig er war − machte vielen erst so richtig klar: Es geht nicht nur um ein bisschen Atomausstieg nebst Finanzierung, Brennstoffelementesteuer und Schwerpunktsetzung auf andere Brennstoffe. Das wäre ja einfach. Stattdessen reden wir über die ganze Energiewende. Die Energiewende − gekommen als zartes Pflänzchen − ist heute ein wilder Dschungel, der insgesamt diverse Tausend Rechtsnormen im Schlepptau hat. Nicht alle neu. Aber alle breit gestreut, mit enormer Detailtiefe und (teils exotischer) Ausdifferenzierung.

Schauen Sie doch nur mal auf das seit 1974 existierende Bundesimmissionsschutzgesetz. Vor Gericht in allen Facetten debattiert und daher irgendwie schon fast ein bisschen laaaaangweilig. Heute werden dem BImSchG der stockende Netzausbau und der viel zu langsame EE-Ausbau angehängt. Überarbeitung anstehend, notwendig und im Wahlkampf bereits angekündigt. Da geht noch was!

Oder schauen Sie sich die Energienetzregulierung und die aktuelle Debatte um den EK-Zins für den Betrieb der Strom- und Gasnetze an. Können Sie verstehen, wieso der Zins so niedrig festgesetzt wird, aber andererseits die rechtlich gesetzten tatsächlichen Anforderungen an die Netzbetreiber steigen? Und lenken Sie jetzt bitte nicht mit dem Hinweis auf das aktuelle EuGH-Urteil zur Selbstständigkeit der Bundesnetzagentur ab.

Bedenken Sie außerdem bitte, dass ein Energieunternehmen ja nicht nur das Energierecht im eigentlichen Sinne beachten muss. Siehe das Kreditwesengesetz KWG. Nie gehört? Nicht schlimm. Manche Pflanzen sind ja eher selten. Allerdings kann diese Sie ganz schön in die Bredouille bringen, wenn Sie etwa eine Pacht als steuerlich schickes Finanzierungsleasing ausgestalten wollen oder Swaps vermakeln. Auch das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) klingt dornig. Ist aber zum Beispiel notwendig mitzudenken, wenn Sie Kundenkarten mit Kreditkartenfunktionalität herausgeben.

Neuen Stoff zum Nachdenken − und viele Regelungsideen − bringt auch der Wasserstoff mit sich. Oder die Biomasse. Oder insgesamt das ganze Paket „Fit for 55“. Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr Beispiele fallen mir ein, weswegen ich diesen Beitrag dringend beenden muss, um meinen naturgemäß herrlichen Nachtschlaf nicht doch noch zu gefährden. Nicht dass ich die ganzen 15.500 Normen noch verstehen will …

PS. Sie möchten die beschriebene Einschlafhilfe? Wir haben da ein tolles Poster für Sie. Im Vorabdruck exklusiv nur hier.

* Ines Zenke, Rechtsanwältin, Becker Büttner Held, Berlin
 
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Mittwoch, 6.10.2021, 12:32 Uhr
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