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Energie & Management > Recht - RechtEck: Was darf mit den Versorgungsnetzen verdient werden?
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Recht

RechtEck: Was darf mit den Versorgungsnetzen verdient werden?

Die BNetzA hat das Verfahren zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode eröffnet. Was dies bedeutet, erläutern Stefan Missling und Heiko Lange*.
Investoren in Unternehmen erwarten eine wettbewerbsfähige und dem jeweiligen Branchenrisiko entsprechende Verzinsung des von ihnen eingesetzten Kapitals. Üblicherweise regelt sich die zu erzielende Verzinsung nach dem Risiko der jeweiligen Branche und dem allgemeinem Zinsniveau über den Markt. Für Netzbetreiber besteht nun die Besonderheit, dass sie als Infrastrukturunternehmen in einem „natürlichen Monopol“ agieren. Die ansonsten die Rendite bestimmenden Marktmechanismen greifen folglich nicht. Sie werden im regulatorischen Rechtsrahmen dadurch ersetzt, indem die Höhe der Verzinsung des Eigenkapitals jeweils vor Beginn einer fünfjährigen Regulierungsperiode durch die Bundesnetzagentur festgelegt wird.

Dabei hat die Behörde unter anderem die Verhältnisse auf den Kapitalmärkten sowie die Bewertung von Netzbetreibern auf diesen Märkten zu berücksichtigen, um daraus einen wettbewerbsfähigen und angemessenen Zinssatz abzuleiten. Ob der Bundesnetzagentur diese durchaus anspruchsvolle Aufgabe am Ende gelingen wird, erscheint derzeit mehr als fraglich. So hat die Behörde am 14. Juli 2021 den Entwurf eines Beschlusses zur Festlegung der in der vierten Regulierungsperiode zur Anwendung kommenden Eigenkapitalzinssätze auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Dieser zur Konsultation gestellte Entwurf enthält dabei zumindest zwei bedeutende Überraschungen:

Zum einen hat die Bundesnetzagentur für die Ermittlung der Markrisikoprämie als einem zentralen Element der Eigenkapitalzinssätze erneut ausschließlich auf historische Daten aus den letzten 120 Jahren abgestellt. Und dies, obwohl bereits für die Eigenkapitalzinssätze der dritten Regulierungsperiode sowohl die Gutachter der Bundesnetzagentur als auch diejenigen Sachverständigen, die vor dem OLG Düsseldorf zu den Tatsachengrundlagen der Verhältnisse auf den Kapitalmärkten und den Grundlagen der Unternehmensbewertung befragt wurden, festgestellt hatten, dass aufgrund der Sondersituation auf den Kapitalmärkten seit Beginn der Euro-Staatsschuldenkrise allein aus historischen Datenreihen keine zutreffenden Ableitungen für aktuelle Zeiträume zu ziehen seien. Nach dem von den Gerichtsgutachtern seinerzeit als „Schema F“ kritisierten Vorgehen käme es aktuell zu Eigenkapitalzinssätzen (einheitlich für Strom und Gas) für Neuanlagen in Höhe von 4,59 % und für Altanlagen in Höhe von nur noch 3,03 %. Verglichen mit den Zinssätzen der zweiten Regulierungsperiode (9,05 % für Neuanlagen und 7,14 % für Altanlagen würde die angekündigte Entscheidung zu einer drastischen (weiteren) Reduzierung der Eigenkapitalverzinsung führen.

Zum anderen gibt die Bundesbehörde aber auch zu erkennen, dass sie – gestützt auf die von ihr beauftragten Gutachter – offenbar selbst nicht mehr auf das von ihr bisher gewählte Vorgehen vertraut und die nach dem „Schema F“ ermittelten Zinssätze ausdrücklich als Mindestgröße bezeichnet. Die ihr hoheitlich übertragene Aufgabe, die Eigenkapitalzinssätze festzulegen und dabei alle relevanten Umstände angemessen zu berücksichtigen, hat sie demnach bislang noch nicht erfüllt. Vielmehr gibt sie zu erkennen, dass sie gewillt ist, sich noch den Erkenntnissen zu stellen, die sich aus dem Konsultationsverfahren ergeben. Erst dann wird sie entscheiden, ob und in welchem Umfang sie die konsultierten Eigenkapitalzinssätze korrigieren wird. Ein Vorgehen, welches zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden darf.

Am „ob“ einer Korrektur der konsultierten Zinssätze kann kein Zweifel bestehen: Schließlich weisen die Gutachter der Bundesnetzagentur selbst darauf hin, dass es zu Verzerrungen kommt, wenn Unterschiede zwischen den „Charakteristika“ der jeweils verwendeten risikolosen Zinsreihen bestehen. Damit greifen sie eine bereits von der Branche geäußerte, fundamentale Kritik auch aus den zahlreichen Beschwerdeverfahren der dritten Regulierungsperiode auf. Diesen Umstand kann die Behörde nun – trotz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu diesen Verfahren – nicht mehr ignorieren.

Hinsichtlich der Höhe der Korrektur beschränken sich die Gutachter der Bundesnetzagentur auf lediglich zwei Punkte und gelangen so zu einem (maximalen) Aufschlag von 0,25 Prozentpunkten. Die Ursachen für die Verzerrung der Marktrisikoprämie bei einer rein historischen Betrachtung greifen jedoch viel weiter als die beiden Aspekte, die von den behördlich beauftragten Gutachtern nun „offen gelegt“ wurden; der tatsächlich bestehende Korrekturbedarf wird also um ein Vielfaches höher liegen. Die Widersprüche des Vorgehens der Bundesnetzagentur liegen folglich nunmehr offen auf dem Tisch – die Behörde dürfte es kaum mehr schaffen, diese von ihr selbst angefachte Diskussion wieder einzufangen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Berücksichtigung der Umstände, die sich aus der Energiewende für die Netzwirtschaft ergeben. Es darf wohl als historisch einzigartig bezeichnet werden, wenn der Beirat der Bundesnetzagentur in einem offiziellen Beschluss darauf verweist, dieser Aspekt müsse von der Beschlusskammer in ihrer Entscheidungsfindung stärker berücksichtigt werden.

Viele der betroffenen Netzbetreiber haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Bundesnetzagentur auf den aus Sicht der Branche bestehenden Korrekturbedarf hinzuweisen. Mit einer endgültigen Entscheidung der Behörde über die Eigenkapitalzinssätze ist ab Anfang Oktober dieses Jahres zu rechnen. Die vielfältigen Einwände vollständig zu ignorieren, wird nun nicht mehr möglich sein; mit Spannung bleibt aber abzuwarten, in welcher Höhe die Behörde korrigierend eingreift.

*Stefan Missling und Heiko Lange, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin

Mittwoch, 8.09.2021, 09:00 Uhr
Redaktion
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Die BNetzA hat das Verfahren zur Festlegung der Eigenkapitalzinssätze für die vierte Regulierungsperiode eröffnet. Was dies bedeutet, erläutern Stefan Missling und Heiko Lange*.
Investoren in Unternehmen erwarten eine wettbewerbsfähige und dem jeweiligen Branchenrisiko entsprechende Verzinsung des von ihnen eingesetzten Kapitals. Üblicherweise regelt sich die zu erzielende Verzinsung nach dem Risiko der jeweiligen Branche und dem allgemeinem Zinsniveau über den Markt. Für Netzbetreiber besteht nun die Besonderheit, dass sie als Infrastrukturunternehmen in einem „natürlichen Monopol“ agieren. Die ansonsten die Rendite bestimmenden Marktmechanismen greifen folglich nicht. Sie werden im regulatorischen Rechtsrahmen dadurch ersetzt, indem die Höhe der Verzinsung des Eigenkapitals jeweils vor Beginn einer fünfjährigen Regulierungsperiode durch die Bundesnetzagentur festgelegt wird.

Dabei hat die Behörde unter anderem die Verhältnisse auf den Kapitalmärkten sowie die Bewertung von Netzbetreibern auf diesen Märkten zu berücksichtigen, um daraus einen wettbewerbsfähigen und angemessenen Zinssatz abzuleiten. Ob der Bundesnetzagentur diese durchaus anspruchsvolle Aufgabe am Ende gelingen wird, erscheint derzeit mehr als fraglich. So hat die Behörde am 14. Juli 2021 den Entwurf eines Beschlusses zur Festlegung der in der vierten Regulierungsperiode zur Anwendung kommenden Eigenkapitalzinssätze auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Dieser zur Konsultation gestellte Entwurf enthält dabei zumindest zwei bedeutende Überraschungen:

Zum einen hat die Bundesnetzagentur für die Ermittlung der Markrisikoprämie als einem zentralen Element der Eigenkapitalzinssätze erneut ausschließlich auf historische Daten aus den letzten 120 Jahren abgestellt. Und dies, obwohl bereits für die Eigenkapitalzinssätze der dritten Regulierungsperiode sowohl die Gutachter der Bundesnetzagentur als auch diejenigen Sachverständigen, die vor dem OLG Düsseldorf zu den Tatsachengrundlagen der Verhältnisse auf den Kapitalmärkten und den Grundlagen der Unternehmensbewertung befragt wurden, festgestellt hatten, dass aufgrund der Sondersituation auf den Kapitalmärkten seit Beginn der Euro-Staatsschuldenkrise allein aus historischen Datenreihen keine zutreffenden Ableitungen für aktuelle Zeiträume zu ziehen seien. Nach dem von den Gerichtsgutachtern seinerzeit als „Schema F“ kritisierten Vorgehen käme es aktuell zu Eigenkapitalzinssätzen (einheitlich für Strom und Gas) für Neuanlagen in Höhe von 4,59 % und für Altanlagen in Höhe von nur noch 3,03 %. Verglichen mit den Zinssätzen der zweiten Regulierungsperiode (9,05 % für Neuanlagen und 7,14 % für Altanlagen würde die angekündigte Entscheidung zu einer drastischen (weiteren) Reduzierung der Eigenkapitalverzinsung führen.

Zum anderen gibt die Bundesbehörde aber auch zu erkennen, dass sie – gestützt auf die von ihr beauftragten Gutachter – offenbar selbst nicht mehr auf das von ihr bisher gewählte Vorgehen vertraut und die nach dem „Schema F“ ermittelten Zinssätze ausdrücklich als Mindestgröße bezeichnet. Die ihr hoheitlich übertragene Aufgabe, die Eigenkapitalzinssätze festzulegen und dabei alle relevanten Umstände angemessen zu berücksichtigen, hat sie demnach bislang noch nicht erfüllt. Vielmehr gibt sie zu erkennen, dass sie gewillt ist, sich noch den Erkenntnissen zu stellen, die sich aus dem Konsultationsverfahren ergeben. Erst dann wird sie entscheiden, ob und in welchem Umfang sie die konsultierten Eigenkapitalzinssätze korrigieren wird. Ein Vorgehen, welches zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden darf.

Am „ob“ einer Korrektur der konsultierten Zinssätze kann kein Zweifel bestehen: Schließlich weisen die Gutachter der Bundesnetzagentur selbst darauf hin, dass es zu Verzerrungen kommt, wenn Unterschiede zwischen den „Charakteristika“ der jeweils verwendeten risikolosen Zinsreihen bestehen. Damit greifen sie eine bereits von der Branche geäußerte, fundamentale Kritik auch aus den zahlreichen Beschwerdeverfahren der dritten Regulierungsperiode auf. Diesen Umstand kann die Behörde nun – trotz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu diesen Verfahren – nicht mehr ignorieren.

Hinsichtlich der Höhe der Korrektur beschränken sich die Gutachter der Bundesnetzagentur auf lediglich zwei Punkte und gelangen so zu einem (maximalen) Aufschlag von 0,25 Prozentpunkten. Die Ursachen für die Verzerrung der Marktrisikoprämie bei einer rein historischen Betrachtung greifen jedoch viel weiter als die beiden Aspekte, die von den behördlich beauftragten Gutachtern nun „offen gelegt“ wurden; der tatsächlich bestehende Korrekturbedarf wird also um ein Vielfaches höher liegen. Die Widersprüche des Vorgehens der Bundesnetzagentur liegen folglich nunmehr offen auf dem Tisch – die Behörde dürfte es kaum mehr schaffen, diese von ihr selbst angefachte Diskussion wieder einzufangen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Berücksichtigung der Umstände, die sich aus der Energiewende für die Netzwirtschaft ergeben. Es darf wohl als historisch einzigartig bezeichnet werden, wenn der Beirat der Bundesnetzagentur in einem offiziellen Beschluss darauf verweist, dieser Aspekt müsse von der Beschlusskammer in ihrer Entscheidungsfindung stärker berücksichtigt werden.

Viele der betroffenen Netzbetreiber haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Bundesnetzagentur auf den aus Sicht der Branche bestehenden Korrekturbedarf hinzuweisen. Mit einer endgültigen Entscheidung der Behörde über die Eigenkapitalzinssätze ist ab Anfang Oktober dieses Jahres zu rechnen. Die vielfältigen Einwände vollständig zu ignorieren, wird nun nicht mehr möglich sein; mit Spannung bleibt aber abzuwarten, in welcher Höhe die Behörde korrigierend eingreift.

*Stefan Missling und Heiko Lange, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held, Berlin

Mittwoch, 8.09.2021, 09:00 Uhr
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