Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Immer öfter flammt sie auf: Die Diskussion, ob die Aufteilung der deutschen Strompreiszone eine bessere Lösung wäre. Und genauso schnell kommen die Gegenargumente auf den Tisch.
Da ist die europäische Regulierungsbehörde Acer, die die Bundesrepublik immer mal wieder mit der Frage der Aufteilung in zwei oder mehr Strompreiszonen beschäftigt. Da sind Ökonomen, die auf die hohen Kosten für Redispatch hinweisen, die entstehen, weil die Nord-Süd-Stromleitungen nicht ausreichen, um den vielen Windkraftstrom in den Süden zu schaffen.
Mit der Folge, dass Windräder an der Küste abgeschaltet werden müssen, damit die Netze nicht zusammenbrechen. Dafür müssen in Bayern und Baden-Württemberg konventionelle Kraftwerke gestartet werden, um die Südversorgung sicherzustellen. Ein teurer Spaß, der Milliarden kostet – jedes Jahr.
Da sind die Ministerpräsidenten im Norden, die nicht recht einsehen wollen, dass ihre Bundesländer so gar nicht davon profitieren, dass sie ganz vorbildlich so viel schönen grünen Strom erzeugen. Im Gegenteil: Wegen des Erneuerbaren-Ausbaus fallen zusätzlich höhere Netzentgelte an.
„Negative Auswirkungen auf die Wirtschaft“
Und dann sind da noch die Windkraft-Boykoteure in Bayern, die wissen, dass die Aufteilung vor allem dem Süden höhere Strompreise bescheren würde und die sich entsprechend wehren. Zumal schon jetzt zu beobachten wird, dass sich energieintensive Unternehmen – wie etwa die Hersteller von E-Auto-Batterien oder die Betreiber von Wasserstoff-Elektrolyseuren – bevorzugt ein Plätzchen im Norden der Republik suchen, weil es dort genug Grünstrom gibt, was der Klimabilanz und damit auch dem Firmenkonto – Stichwort CO2-Preis – guttut. Ein Pull-Effekt, der durch einen günstigeren Nord-Strompreis noch verstärkt würde.
Um die gerade wieder laufende Stromzonendiskussion einzufangen, haben die führenden Wirtschaftsverbände einen „gemeinsamen Appell zum Erhalt der deutschen Stromgebotszonen“ veröffentlicht, über den zuerst die Frankfurter Allgemeine berichtet hat. Darin zeichnen etwa der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Energiewirtschaftsverband (BDEW) oder der Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE) ein ziemlich düsteres Bild von den Folgen einer Aufteilung Deutschlands in zwei oder mehr Strompreiszonen. „Die negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft sind nicht abzusehen und überlagern etwaige theoretische Vorteile“, heißt es da schon einleitend. Wobei man schon einräumt, dass „die Transformation von einem zentralisierten fossilem zu einem dezentralen erneuerbaren Energiesystem den Strommarkt physikalisch und finanziell vor Herausforderungen stellt, die gelöst werden müssen“.
Gefahr für Ausbau der Erneuerbaren
Verwiesen wird in dem Papier auf die Kalkulierbarkeit des Strompreises über mehrere Jahre hinweg, die durch langfristige Handelsverträge erreicht werden können, die wiederum mit einer einheitlichen Strompreiszone besser umzusetzen seien. Verkleinerte Zonen hätten wesentlich stärkere Preisschwankungen zu verzeichnen. Wenn es etwa an sonnigen und windreichen Tagen zu einem Ãœberangebot an Grünstrom kommt, würden die Preise in dieser Zone „drastisch und sprunghaft fallen“, was zu einer deutlichen Senkung des Marktwerts der Erneuerbaren führen würde. Und umgekehrt zu enormen Preissteigerungen in der unterversorgten Zone, was für Verbraucher sehr negativ wäre.
Letztendlich, so heißt es seitens der Wirtschaftsverbände, würden sich deutlich stärkere Reaktionen für Erzeuger und Verbraucher ergeben, die Unsicherheit über erwartbare Erlöse oder Kosten für Investoren nähmen zu. „Die Folge: Dringend erforderliche Investitionen fallen geringer aus, der Ausbau der Erneuerbaren wird gehemmt.“
„Verunsicherung in Zeiten der Transformation“
Im Übrigen würden auch pragmatische Argumente gegen die Aufteilung sprechen: Sie könne nicht per Knopfdruck erfolgen, sondern die Umsetzung würde mehrere Jahre dauern. Für Marktteilnehmer und Energieerzeuger bedeute dies eine erhebliche Verunsicherung in Zeiten dringend benötigter Transformation. Auch führe die Aufteilung zu einem sinkenden Handelsvolumen und bei weniger Akteuren werde eine marktbeherrschende Stellung einzelner wahrscheinlicher.
Der Lösungsansatz der Branchenverbände zur Beseitigung der Stromnetzprobleme: „Es braucht mehr Speicher, mehr Elektrolyse, mehr Direktbelieferung von Gewerbe und industriellem Mittelstand sowie eine bessere Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur.“ Auch lokale Anreize außerhalb des Sportmarktes könnten einen Beitrag leisten. „Diese Lösungen sind komplexer, als einen Federstrich auf der Landkarte zu ziehen, der unkalkulierbare volkswirtschaftliche Risiken in sich birgt, aber sie lösen die Herausforderungen grundsätzlich.“
Dienstag, 23.07.2024, 16:22 Uhr
Günter Drewnitzky
© 2024 Energie & Management GmbH