Quelle: Fotolia / PhotographyByMK
Auf der Netze-Tagung des BDEW in Berlin nahm die Regulierung einen breiten Raum ein. Erweiterte Kompetenzen der Bundesnetzagentur könnten die Energiewende beschleunigen oder behindern.
Die Bundesnetzagentur plane, für die Energiewirtschaft einen stabilen und vorhersehbaren Rahmen zu setzen, versprach Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur. Sie sprach auf dem „Treffpunkt Netze 2023“-Kongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am 11.
Oktober in Berlin. Zugleich sehe sich die Behörde als neutraler Moderator der Marktteilnehmer und manchmal Beschützer einzelner Akteure, so Haller.
Die nächste Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) werde gemäß EU-Vorgaben die Kompetenzen der Agentur erweitern, worauf man sich gegenwärtig vorbereite, erläuterte sie. „Wir sind jetzt anders, aber noch viel stärker kontrolliert durch den Beirat und die Bundesländer“, versicherte Haller als Antwort auf Bedenken der Branche. Den Beirat der Bundesnetzagentur vertrat die stellvertretende Vorsitzende Ingrid Nestle (Grüne). Sie versicherte, die Interessen aller Beteiligten von Unternehmen bis Verbraucher abzuwägen, sowohl im Bundestag wie im Beirat.
Haller nannte als direkt anstehende Aufgaben der Behörde für 2024-25, die Zukunft der Gasnetze zu umreißen und die Digitalisierung im Netzausbau neu zu regeln sowie die Dekarbonisierung voranzutreiben. Beim Gasverteilnetz würden Teile stillgelegt, andere für Wasserstoff und grüne Gase umgewidmet. Die Behörde müsse die Einnahmen der Unternehmen im Blick behalten, aber auch die Verbraucher schützen vor sprunghaften Netzentgeltanstiegen und fehlender Versorgung, umriss Haller für die Bundesnetzagentur.
Ende 2028 laufen die Regelungen zu Anreizregulierung und Netzanschlüssen aus, darüber sei neu zu entscheiden, beschrieb Haller Themen der kommenden Jahre. Erst Mitte 2026 oder 2028 werde man einen Überblick über die Entwicklung der Wärmeversorgung haben, wegen der Fristen für die kommunale Wärmeplanung, erinnerte Haller. Sie riet zugleich Netzbetreibern, schon selbständig zu planen. Ihre Behörde arbeite jetzt an der Genehmigung der ersten Tausend Kilometer des Wasserstoffkernnetzes.
Netzbetreiber sehen sich überlastetFür die Netzbetreiber unterstrich Christoph Müller, CEO der Netze BW, die Bundesnetzagentur sei wichtig. Er mahnte seine Kolleginnen und Kollegen im Auditorium zugleich: „Nicht an allem ist die Bonner Behörde schuld.“ So sei die Marktkommunikation (Mako) von Netzbetreibern selbst entworfen und auch viele Probleme beim Redispatch seien selbst gemacht. „Die Abwicklung von Prozessen in den Unternehmen ist fast nicht mehr zu schaffen“, klagte Müller zugleich. Die Bundesnetzagentur müsse sie unterstützen, damit die Abwicklung weiter funktioniert.
Beweis seien die Probleme bei der Umsetzung der Energiepreisbremsen und der angedachten Gasumlage gewesen. Zum 1. Januar solle der Paragraf 14a des EnWG kommen, der die eigenständige Regelung von Stromflüssen durch die Verteilnetzbetreiber erlaubt. „Die Softwarehersteller arbeiten erst los, wenn das Gesetz verabschiedet worden ist, das macht es sehr knapp“, befürchtet Müller. Die Konsultation zum Paragraf 14a war neu und gut, er wurde in einer tatsächlichen Debatte entwickelt und festgelegt unter Berücksichtigung der Praxiskommentare. Die Umsetzung werde trotzdem schwierig.
Bei diesen Herausforderungen sei es wichtig, nicht noch mehr Themen aufzuhäufen. Unter großem Beifall aus dem Publikum sagte er: „Unsere Kraft der Umsetzung ist begrenzt. Wir müssen uns gut überlegen, was wir dringend angehen müssen.“ So sei es vielleicht weniger wichtig, zeitgleich für Kunden den Wechsel des Energieanbieters „in einem Tag“ umzusetzen, schlug Müller vor.
|
Diskussion zur Regulierung: (v.li.) Christoph Müller (CEO Netze BW), Ingrid Nestle (Grüne), Hans-Jürgen Brick (CEO Amprion) und Barbie Kornelia Haller (Vizepräsidentin Bundesnetzagentur) Quelle: E&M / S. Harmsen |
Viel Kritik für den Ek-Zins-EntwurfEr hatte aber auch direkte Kritik an der Bundesnetzagentur. So sei die geplante Veränderung der Eigenkapitalverzinsung (EK-Zins) „komplett aus dem Markt gefallen“. Zwei unterschiedliche Zinssätze für Alt- und Neuanlagen ergäben keinen Sinn. Der Maßstab der risikolosen Zinssätze sei falsch gewählt. „Der EK-Zins wäre ein Prozent höher, wenn ein korrekter Maßstab gewählt worden wäre“, sagte Müller. Die Bundesnetzagentur benötige mehr Fachaufsicht und Expertise von Ökonomen, schlug er vor. Haller betonte, dass die Behörde ihre Regelungen stets von externen Gutachtern prüfen lassen, die durchaus auch Wirtschaftsexperten seien.
Dem stimmte Hans-Jürgen Brick, CEO des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, zu. „Wir haben gemeinsam das Ziel der Energiewende, aber es muss auch finanziert werden“, so Brick. Ohne Netzinvestitionen sei kein Kohleausstieg möglich, erinnerte er die Politik. „Dafür ist eine auskömmliche EK-Verzinsung notwendig, sonst fehlt das Geld für die nötigen Investitionen“, mahnte Brick. „Wir können durch die Planungsbeschleunigung Zeit gewinnen, verlieren sie aber vielleicht wieder bei der Kapitalbeschaffung“, befürchtete er. „Die Zukunft der Energiewende ist eine gemeinsame Verantwortung der Unternehmen und der Bundesnetzagentur“, appellierte Müller abschließend.
Mittwoch, 11.10.2023, 13:53 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH