Quelle: Shutterstock / lassedesignen
Die Sicherheit des russisch besetzten Atomkraftwerks Saporischschja macht Fortschritte. Derweil warnt der deutsche Atombehörden-Chef Wolfram König vor einer Rückkehr zur Kernkraft.
Zur Verhinderung eines Atomunfalls ist das Notstromsystem des besetzten ukrainischen Kernkraftwerks Saporischschja verbessert worden. Auf Drängen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) haben die russischen Betreiber des frontnahen Atomkraftwerks ein System eingerichtet, mit dem das AKW automatisch mit einer Reserve-Stromleitung verbunden wird, falls die Hauptleitung ausfällt. Dies teilte IAEA-Chef Rafael Grossi am 3.
Januar in Wien mit.
Das Kraftwerk, das derzeit keine Elektrizität erzeugt, braucht externen Strom, um dauerhaft die Reaktoren zu kühlen. In dem AKW ist es im Zuge des russischen Angriffskrieges bereits mehrmals zu vorübergehenden Stromausfällen gekommen.
Grossi lobte die Verbesserung des Notstromsystems als „wichtige Entwicklung“. Er äußerte sich hingegen unzufrieden über die Wartung des AKW unter russischer Besatzung. Die Betreiber hätten sich etwa noch nicht um ein kleines Leck in einem Reaktorgebäude gekümmert, durch das Borsäure aus dem Kühlsystem ausgetreten sei. Solche Lecks seien zwar nicht außergewöhnlich, doch sie müssten „ordentlich und zeitnah“ behoben werden, „um weitere und möglicherweise schwerwiegendere Auswirkungen auf die Sicherheit zu verhindern“, mahnte Grossi.
Außerdem kritisierte Grossi, dass die IAEA-Experten, die ständig im AKW stationiert sind, zuletzt keinen Zugang zu mehreren Reaktoren bekommen hätten.
Atom-Warnung kurz vor der PensionierungUnterdessen hat Wolfram König vor einer Renaissance der deutschen Kernkraft gewarnt. Nach rund 25
Jahren in Verantwortung beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geht der 65-Jährige Ende Januar in Ruhestand.
„Wir müssen den zunehmenden Verlust eines Konsenses bei der Atomenergie konstatieren“, sagt König der
DPA. Damit wachse die Gefahr, dass die sichere Entsorgung der atomaren Hinterlassenschaften weiter ins Hintertreffen gerate. Der gebürtige Lübecker hat seit 2016 als Chef des BASE und zuvor von 1999 bis 2017 als Präsident des BfS eine Schlüsselrolle in der Atompolitik inne.
„Populistische Parolen haben es (...) einfach - also, mit Atomenergie würden die Preise sinken, oder mit Technologieoffenheit erledigen sich die Probleme mit dem Atommüll von selbst“, beklagte König und sagte mit Bezug auf die Demokratie. „Ich hoffe, sie ist klug genug, alte Fehler nicht zu wiederholen.“
Als Behördenchef hat König politische Debatten nicht kommentiert, jetzt tut er das mit Neubau-Forderungen: „Phasen der großen Versprechungen der Kernenergie hat es immer wieder gegeben. Dass sie derzeit wieder so unkritisch übernommen werden, zeugt meines Erachtens auch von einem rasanten Wissensverlust in der Breite der Bevölkerung, aber auch in der Politik.“
Im Klartext sagt er damit nichts anderes, als dass die Atomdebatte inzwischen von ahnungslosen Politikern geführt wird. Sowohl CDU-Chef Friedrich Merz als auch CSU-Chef Markus Söder oder FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr hatten sich in den vergangenen Monaten etwa für den Bau neuer Meiler ausgesprochen.
„Wer heute Hoffnungen in diese Technologie setzt und neue Euphorie verbreitet, blendet all die Risiken aus, die wir insbesondere mit Tschernobyl und Fukushima leider wiederholt erleben mussten“, widerspricht König. „Derartige Technologieversprechen erscheinen immer dann besonders attraktiv, wenn der andere Weg, also konsequent auf die Erneuerbaren zu setzen, mit diversen Widerständen versehen ist.“
Zwar sei ein Diskurs nach Stand von Wissenschaft und Technik wichtig, „Fakt ist allerdings, dass sich der Bau von Atomkraftwerken sowohl zeitlich als auch ökonomisch in der Praxis völlig anders darstellt, als es versprochen wird“, sagt König.
Mehr als die atomare Zukunft hat sich König als Behördenchef und auch als Umweltstaatssekretär in Sachsen-Anhalt (1994 bis 1998) mit dem gefährlich strahlenden Erbe der Kernkraft beschäftigt. Kein leichtes Geschäft, immer wieder stieß er auf Entscheidungen zu Endlagern, die nicht auf wissenschaftlichen Fakten basierten: So trieb er die Schließung des Endlagers Morsleben in Sachsen-Anhalt voran und musste sich mit der Absicherung der maroden Schachtanlage Asse in Niedersachsen und dort rostenden Atommüllfässern herumschlagen.
Bei der Endlager-Suche gibt es immer noch Grund zur Sorge bei König: „Derzeit erleben wir, dass die ungelöste Endlagerfrage wieder aus dem Blick gerät und als großes Umweltproblem ignoriert wird.“ Hierzu zähle auch der Ansatz, dass es kein Endlager brauche, da der Atommüll in neuen Meilern vollständig wiederverwertet werden könne: „Wir brauchen in Deutschland auf jeden Fall ein Endlager für hochradioaktive Abfälle.“
Donnerstag, 4.01.2024, 17:49 Uhr
© 2024 Energie & Management GmbH