Zwei Windkraft-Welten: Offshore wurde erstmals für Flächenzuweisungen bezahlt. Onshore möchte der BWE die Subventionen schon für 2024 wissen.
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Die zentrale Konverterstation Helwin beta für die Windparks "Kaskasi" und "Nordsee Ost", 30 Schiffsminuten von Helgoland entfernt Quelle: E&M / Georg Eble |
Diese Ruhe
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Die Helgolandlinie fährt monatlich von der Insel weiter zum gleichnamigen Windparkcluster Richtung Norden, eine halbe Stunde einfach. Backbord ist in der Ferne noch „Meerwind“ zu sehen, dann schon näher „Nordsee Ost“ und zwischen diesem Windpark und „Kaskasi“ fährt der Katamaran um die zentrale Konverterstation Helwin beta herum.
Das Schiff ist schätzungsweise 30
Meter von dem unbemannten Tennet-Ungetüm entfernt und bleibt für die Fahrgäste stehen. Die meisten Windturbinen drehen sich. Aber man hört nur den Leerlauf des Schiffsdiesels. Sonst nichts. Gar nichts. Die Windräder lassen keinen Ton ans Ohr dringen. Und der Wind bläst oben auf Deck schnittig, aber auch nicht hörbar. Die Energiewende, hier findet sie in aller Stille statt.
Das war Mitte Juni nach der Windforce Conference. Am 12.
Juli störte eine politische Windhose
um die Offshore-Windkraft die urlaubsbedingte Sommerflaute Berlins: Bei der bisher größten deutschen Auktionierung von Offshore-Flächen für 7.000
MW gingen die vier Zuschläge an BP und Total. Nicht viel weniger als die 8.385
MW, die in den
13 Jahren bis Ende Juni 2023 in der deutschen See ans Netz gegangen waren. Die Öl- und Gaskonzerne, die sich dekarbonisieren wollen, boten für die Flächen 12,6
Milliarden Euro.
Für das Recht, Erneuerbaren-Anlagen zu errichten, zu bezahlen, das hatte es hier bisher nicht gegeben. Bis 2022 hatte noch derjenige Bieter gesiegt, der am wenigsten Subventionen pro kWh forderte, aber nachdem mehrere Projektierer angesichts der Kostendegression in der Offshore-Windkraft und steigender Strompreise auf ein und dieselbe Fläche 0
Cent boten, musste das Los entscheiden.
Ein neues Auktionsdesign musste also her und die Ampel ersetzte bei nicht vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) voruntersuchten Flächen das Los mit einer echten, elektronischen, dynamischen Auktionierung der Zahlungsbereitschaft. Die Gebotshöhe ist das einzige Zuschlagskriterium und sie ist nach oben offen.
Bei voruntersuchten Flächen zogen neben der Zahlungsbereitschaft zu 40
Prozent erstmals qualitative Zuschlagskriterien ein, etwa die Herstellung bestimmter Großkomponenten mit nicht gefördertem Ökostrom oder grünem Wasserstoff. Premiere war am 1.
August mit 1.800
MW. Hier zahlten die Bieter insgesamt 784
Millionen Euro, das sind 436.000
Euro/MW, also ungleich weniger, wobei die Netzagentur keine Einzelergebnisse bekannt gab.
RWE bekam 900
MW, mit denen der Konzern seinen Nordseecluster nordwestlich von Norderney bis 2028 verdoppeln kann − zwei Schwesterchen für „Kaskasi“. Für den hatte es 2018 noch 4,66 Cent/kWh Aussteuer gegeben. RWE kaufte jetzt zusätzlich eine 630-MW-Fläche südöstlich seines Parks „Deutsche Bucht“, die aber noch von Vattenfall wegen Eintrittsrechten weggenommen werden kann. Bis 14.
September darf sich das der Konzern noch überlegen.
Einen 270-MW-Streifen nordwestlich von „Deutsche Bucht“ ergatterte ein Newcomer in Deutschland, Luxcara, ein Vermögensverwalter für institutionelle Investoren, der bereits an einer irischen und einer holländischen Ausschreibung teilgenommen hatte.
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Wird bei Frage nach der Wahrscheinlichkeit von Änderungen schmallippig: Stefan Thimm Quelle: BWO |
Kampf gegen „ungedeckelte Gebotskomponente“Die „ungedeckelte Gebotskomponente“, die gut 13
Milliarden Euro in den Offshore-Netzausbau und den Staatssäckel für nachhaltige Fischerei sowie Artenschutz spülte, ist den offshore tätigen Branchenverbänden ein Dorn im Auge. Für BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm bestätigen die Ergebnisse, dass das Geld der Offshore-Industrie entzogen ist.
Er forderte genauso wie Dennis Rendschmidt vom Fachverband VDMA Power Systems, die qualitativen Kriterien zulasten der quantitativen Gebotskomponente
zu stärken. Rendschmidt konkretisierte dies mit industriepolitischen Kriterien zugunsten Europas. Thimm forderte Kriterien gemäß dem EU Net Zero Industry Act sowie eine Öffnung des KfW-Programms „Offshore-Windenergie“ für die gesamte Wertschöpfungskette und beschleunigte Sonderabschreibungen. Allein doppelt so viele Spezialschiffe wie bis bisher würden benötigt.
Es fänden Gespräche mit der Bundespolitik über das Design statt, antwortete Thimm schmallippig und damit vielsagend auf die Frage, wie wahrscheinlich Änderungen am Windenergie-auf-See-Gesetz seien. Wenn, dann müssen sie deutlich vor dem Jahreswechsel in Kraft treten, denn schon am 1.
Juni 2024 kommen die nächsten 2.500
MW nicht untersuchter Flächen dran und am 1.
August 2024 5.500
MW untersuchter Flächen. Beides braucht ein halbes Jahr Vorlauf. 2030 sollen 40.000
MW installiert sein.
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BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm (im Juni auf dem Sommerfest des Bundesverbandes Erneuerbare Energie) Quelle: E&M / Georg Eble |
Onshore: eine andere WeltKein Offshore-Vertreter forderte aber die Einspeiseförderung zurück.
Die Onshore-Branche tickt da anders: Sie hatte zum Jahreswechsel um 25
Prozent auf 7,35
Cent/kWh angehobene Höchstsubventionen durchgesetzt. Das sei im Dezember 2022 zu spät angekündigt worden, kritisierte Wolfram Axthelm vom Bundesverband Windenergie (BWE) im Juli vor der Presse. Er wünschte sich mehr Vorlauf für die Höchstwerte von 2024. Deren Erhöhung hatte Kostensteigerungen bei den Windturbinen auffangen sollen.
An Land erwarten die Verbände für 2023 einen Ausbau von bis zu 3.200
MW. Der derzeitige Bestand leistet 59.343
MW. Demnach müssten täglich vier bis fünf neue Windkraftanlagen entstehen, um die 115.000
MW 2030 zu schaffen, so VDMA-Power-Systems-Geschäftsführer Dennis Rendschmidt wie vor ihm schon Olaf Scholz (SPD). In Betrieb gingen aber nur ein bis zwei pro Tag.
Die Onshore-Branche erkennt die neue Dynamik an, sie ist froh um die neuen MW-Ziele, den gesetzlichen Vorrang der Erneuerbaren, das 2,2-Prozent-Flächenziel, erste Beschleunigungen im Planungs- und Genehmigungsrecht.
Nun geht es um eine schnellere Umsetzung und die verbleibenden Bremsklötze. Als da wären: Genehmigungsverfahren für die Turbinen selbst und die dazu nötigen Sondertransporte. In seinem „Policy Briefing“ forderte BWE-Mann Axthelm den Verkehrsminister auf, endlich an die Arbeit zu gehen. Ein Tool der Autobahn GmbH des Bundes, die Volker Wissing (FDP) untersteht, mache zwar digitale Anfragen möglich, erteile aber nur Ablehnungen ohne Begründung oder Alternativrouten.
Des Weiteren gab es Neuberechnungen der Brückenlasten, durch die die Häfen Cuxhaven und Bremen für Schwertransporte nicht mehr erreichbar seien, kritisierte Axthelm.
Er begrüßte die vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) vorgelegte Vollzugsempfehlung für Paragraf
6 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG), der schlanke Genehmigungsverfahren für Windräder in ausgewiesenen Flächen vorsieht. Um die Genehmigungen weiter zu beschleunigen, forderte Axthelm, die Behörden sollten nur einmal Antragsunterlagen nachfordern und nur noch einen Monat lang bearbeiten dürfen, um deren entscheidende „Vollständigkeit“ zu erklären. Beschleunigen helfen könne auch, wenn Behörden für Schäden aus Verzögerungen haften.
Wenn im Herbst wieder der politische Wind blästMit Spannung erwartet
die Branche den Herbst, wenn das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) in den Parlamentskammern abgestimmt wird, dies ebenfalls zur Verfahrensbeschleunigung. Auch das Solarpaket
II soll dann verabschiedet werden. Es regelt unter anderem ein Wegerecht für Errichtung und Anschluss auch von Windturbinen. Der BWE fordert eine solche Duldungspflicht auch für Wartung und Rückbau.
Auch Paragraf
18 des Luftverkehrsgesetzes
stehe im Herbst zur Änderung an, so Axthelm.
Hier hofft der BWE, dass die Radaranlagen zur Luftraumüberwachung vom Verteidigungsministerium nicht eingeschlossen werden. Andernfalls würden bis zu 42
Prozent des Bundesgebiets in den 50-Kilometer-Radius der Radare fallen, was Windkraftanlagen behindern könnte. Axthelm begrüßte die neue Möglichkeit für Kommunen im Baugesetzbuch, selbst Windkraftflächen auszuweisen.
Zufrieden zeigte sich der BWE damit, dass am 14.
September die Novelle der Erneuerbare-Energien-Direktive (RED III) im Europaparlament und anschließend im Rat beschlossen werden soll. Diese ermögliche auf bereits voruntersuchten Flächen eine Windkraftgenehmigung binnen eines Jahres. Die Stille von „Kaskasi“, „Nordsee Ost“ und Helwin − im Herbst ist sie im politischen Berlin und Brüssel vorbei.
Montag, 18.09.2023, 09:10 Uhr
Georg Eble und Susanne Harmsen
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