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Der Kreis Paderborn als Wiege der 1.000-Meter-Abstandspflicht für Windturbinen gibt den Widerstand gegen die NRW-Landesregierung nicht auf. Eine groteske Forderung macht er rückgängig.
Provokante Post aus Paderborn: Wenn die Landesregierung Nordrhein-Westfalens (NRW) nun die Stellungnahmen zur vorgesehenen Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) sichtet, wird der ostwestfälische Landkreis für Aufsehen sorgen. Denn er setzt sich laut Mehrheitsbeschluss des Kreistags für die Beibehaltung des umstrittenen 1.000-Meter-Mindestabstands von Windkraftanlagen zur Bebauung ein.
Der neue LEP soll genau diese Vorgabe nicht mehr enthalten, wie die Landes-Grünen nach langem Zerren dem großen Koalitionspartner CDU abgerungen hatten. Mit der neuen Planung soll den Vorgaben der Bundesregierung zur Flächenausweisung Rechnung getragen werden. Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) hat zudem Einigkeit darüber erzielt, die von NRW erwartete Fläche von 1,8 Prozent bereits 2027 auszuweisen – fünf Jahre eher, als von Berlin verlangt.
Die 1.000-Meter-Abstandsregelung für NRW ist sozusagen ein Kind der Region. Carsten Linnemann, von CDU-Parteichef Friedrich Merz gerade bestellter Generalsekretär, stammt aus Paderborn. Er setzte zu Zeiten der Großen Koalition in Berlin durch, dass die Bundesländer über Öffnungsklauseln eigene Abstandsregeln für Windturbinen festlegen durften. Mit den Liberalen in NRW wollte er nach gewonnener Landtagswahl 2017 sogar 1.500 Meter Distanz durchsetzen.
CDU-Mehrheit für Stopp des Windkraft-Ausbaus − für 30 Minuten
Im Paderborner Kreistag sind die Windkraftgegner weiterhin prominent vertreten: Denn mit Hubertus Nolte hat die CDU einen Experten zum Thema in ihren Reihen, der sonst über das Regionalbündnis „Windvernunft Paderborn“ gegen Ausbauprojekte vorgeht. Zu einem früheren LEP-Entwurf forderte er sogar die Abschaffung des Baugesetzbuch-Paragraphen, der Windkraft im Außenbereich privilegiert. Das scheint aus der Zeit gefallen, nachdem die Bundesregierung gesetzlich festgeschrieben hat, dass die Erneuerbaren im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen.
Der Paderborner Widerstand gegen die Berliner und Düsseldorfer Pläne nahm Mitte Juli groteske Züge an. Denn der Kreistag fasste für seine LEP-Stellungnahme sogar den Beschluss, einen generellen Ausbaustopp für Windkraft im Kreis zu fordern. Dies ist wiederum ein CDU-Antrag, der üblicherweise keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Denn die Konservativen stellen zwar mit Christoph Rüther den Landrat, haben ihre Mehrheit im Kreistag allerdings verloren. Weil aber diverse Abgeordnete aus Urlaubsgründen abwesend waren, kam die CDU ausnahmsweise durch.
Für gut 30 Minuten. Dann ging auch den Christdemokraten auf, wie weitreichend ihr Votum gegen mehr Windkraftanlagen im Kreis eigentlich war. Sie bekamen kalte Füße und kassierten ihren eigenen Beschluss eilig per neuerlicher Abstimmung ein.
Die Sondersitzung des Kreistags war ein Last-Minute-Treffen, weil die Frist zur Abgabe der LEP-Stellungnahme am 21. Juli abläuft. Der Kreis Paderborn nimmt nun offiziell die Düsseldorfer Pläne „zur Kenntnis“, verlangt aber zugleich eine „faire Verteilung“ der neu zu bauenden Anlagen. Die Paderborner Hochebene ist so etwas wie die Hochburg der Windkraft. Entsprechend gibt es neben Befürwortern auch viele Stimmen, die einen weiteren Zubau für eine zu große Belastung halten.
Zu diesen zählt auch der Landrat des östlichen Nachbarkreises Höxter. Michael Stickeln (CDU) forderte zuletzt mit den Bürgermeistern der Kommunen einen finanziellen Ausgleich dafür, sollte der Kreis weiter einen starken Anteil am Windkraftausbau tragen. Der ländliche Raum allein könne nicht das „Zugpferd der Energiewende“ sein, zumindest nicht ohne Gegenleistung. Von bis zu 300 neuen Anlagen ist an der Grenze zu Niedersachsen die Rede.
Die Windkraftlobby konterte prompt. Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW), Ex-Regierungspräsident (Arnsberg) und CDU-Mitglied, rechnete dem Kreis Höxter vor, dass die Windkraft über günstige Strompreise, Pachteinnahmen oder Energiegenossenschaften wirtschaftliche Vorteile in die Region bringe. Da brauche es keine gesonderten Gelder des Landes. Der Landrat wischte dies mit dem Begriff „plumper Lobbyismus“ beiseite und beharrte auf einer angemessenen Gemeindefinanzierung, die er mit den Stadtoberhäuptern in einem Brief an Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) angeregt hatte.
Freitag, 21.07.2023, 11:24 Uhr
Volker Stephan
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