Quelle: Volker Stephan
Bürgerentscheide können Windkraft-Projekte im bayerischen Staatsforst nicht länger aushebeln. Die Forstbehörde hat ein Vetorecht von Kommunen aus ihrem Regelwerk getilgt.
Einen Rückschlag wie jüngst im bayerischen Chemiedreieck will Hubert Aiwanger (Freie Wähler) offenbar nicht noch einmal erleben. Dort musste Bayerns Wirtschaftsminister zähneknirschend mitansehen, wie ein großes Grünstrom-Projekt durch einen Bürgerentscheid abzuspecken hatte (wir berichteten).
Von ursprünglich geplanten 40 Turbinen des geplanten Windparks Altötting können im Idealfall noch 29 entstehen. Grund des Schrumpfens ist ein Bürgervotum in der Standortgemeinde Mehring gegen zehn Anlagen. Die Kommune beugte sich der Abstimmung und verweigerte dem Projektierer Qair (früher Green City Energy) folglich das Einvernehmen, auf ihren Flächen den dort vorgesehenen Teil des Windparks zu bauen.
Und diese Kommunalklausel zur Einflussnahme von Städten und Gemeinden auf Staatswälder gehört nun der Geschichte an. Denn der Passus ließ sich augenscheinlich sehr leicht aus dem Regelwerk tilgen: Dafür genügte ein Beschluss des Aufsichtsrats der Bayerischen Staatsforsten (BaySF). Hubert Aiwanger, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des Staatsunternehmens, ist bemüht, das gestrichene Mitspracherecht mit dem Gebot der Gleichbehandlung zu begründen. Denn das Vetorecht konnten Kommunen bisher nur im Falle von Staatsforsten auf ihrem Gebiet anwenden, nicht aber bei Privatwäldern.
Aiwanger will „Aufholjagd bei der Windkraft beschleunigen“
Dies habe zu einer „erheblichen Benachteiligung“ von Projekten in Staatsforsten geführt, so Hubert Aiwanger laut einer Mitteilung seines Ministeriums. Schließlich habe es bei Privatwäldern die zusätzliche Hürde nicht gegeben, die Windturbinen dort konnten bei rechtsgültiger Planung also ohne weitere Beteiligung der Öffentlichkeit entstehen. Investoren in Staatswäldern dagegen hätten „durch die Verhinderungswirkung von ablehnenden Bürgerentscheiden mit unverhältnismäßigen unternehmerischen Risiken rechnen“ müssen.
BaySF ist bemüht, den sinkenden Einfluss von Bürgern und Kommunen auf Windkraft-Projekte in Staatswäldern zu relativieren. Die Behörde werde die jeweiligen Standortkommunen weiterhin bei den Planungen einbinden, versprach das Unternehmen. Ein Wörtchen bei der Auswahl der Flächen sollen sie aber nur mitsprechen können, wenn es dem Forstbetreiber „wirtschaftlich und rechtlich sinnvoll“ erscheint, so BaySF-Vorstandsvorsitzender Martin Neumeyer.
Die neue Regelung für Staatsforste steht nun laut Hubert Aiwanger im Einklang mit den Flächenzielen des Wind-an-Land-Bundesgesetzes. Er sieht in der gestrichenen Klausel nicht zuletzt ein Mittel, „Bayerns Aufholjagd bei der Windkraft beschleunigen“ zu können. Dass es über Jahre die restriktive Windkraft-Politik der jeweiligen bayerischen Landesregierung war, die den Zubau verschleppte, sagt Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger nicht.
Auch Bayern will finanzielle Beteiligung verpflichtend machen
Dagegen setzt er im Zusammenhang mit der getilgten Klausel noch eine Spitze Richtung Berlin. Die Ampel-Koalition habe bis heute keine verpflichtende Regelung geschaffen, wie Kommunen und Bürger grundsätzlich an Wind- und Solarenergieprojekten zu beteiligen sind. Paragraf 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) spricht lediglich eine Erlaubnis aus. „Daher gehen wir es jetzt in Bayern selber an“, so Hubert Aiwanger.
Donnerstag, 27.06.2024, 15:52 Uhr
Volker Stephan
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