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Zur Bekämpfung der Corona-Krise vorgesehene 60 Milliarden Euro dürfen nicht für den Klimaschutz eingesetzt werden. Eine entsprechende Haushaltsänderung war verfassungswidrig.
Die Bundesregierung hatte den Haushalt für das Jahr 2021 aufgestockt und damit gegen die Schuldenbremse verstoßen. Bei Notlagen wie der Corona-Krise, mit der der Schritt damals begründet wurde, ist das möglich. Die Umwidmung einer dafür vorgesehenen, aber nicht benötigten Kreditermächtigung in Höhe von 60
Milliarden Euro für den Klimaschutz (Klima- und Transfusionsfonds KTF, vormals Energie- und Klimafonds EKF) erregte bei der Union allerdings missfallen. Sie zog vors Bundesverfassungsgericht. Das hat am Morgen des 15.
November geurteilt: Das entsprechende Nachtragshaushaltsgesetz ist nichtig.
In einer Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts heißt es zu dem Urteil: „Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an notlagenbedingte Kreditaufnahmen. Der Senat stützt seine Entscheidung auf drei, jeweils für sich tragfähige Gründe“.
- Erstens habe der Gesetzgeber den notwendigen Veranlassungszusammenhang zwischen der festgestellten Notsituation und den ergriffenen Krisenbewältigungsmaßnahmen nicht ausreichend dargelegt.
- Zweitens widerspreche die zeitliche Entkoppelung der Feststellung einer Notlage vom tatsächlichen Einsatz der Kreditermächtigungen den Verfassungsgeboten der Jährlichkeit und Jährigkeit. Die faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die „Schuldenbremse“ bei gleichzeitiger Anrechnung als „Schulden“ im Haushaltsjahr 2021 sei demzufolge unzulässig.
- Drittens verstoße die Verabschiedung des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 nach Ablauf des Haushaltsjahres 2021 gegen den Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit.
Weiter heißt es: „Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Umfang des KTF um 60
Milliarden Euro reduziert. Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren.“
Der Bundeshaushalt 2021 sah ursprünglich Kreditermächtigungen in Höhe von etwa 180
Milliarden Euro vor. Im April 2021 wurden mit dem ersten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 die Kreditermächtigungen für das Haushaltsjahr 2021 um weitere 60
Milliarden Euro aufgestockt.
Im Verlauf des Haushaltsjahres 2021 zeigte sich, dass diese Aufstockungen nicht benötigt wurden. Man beschloss, die mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2021 eingeräumten Kreditermächtigungen in der vollen Höhe von 60
Milliarden Euro durch eine Zuführung an den EKF für künftige Haushaltsjahre zu nutzen.
Trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Etat 2021 will die Ampel-Koalition am Zeitplan für den Bundeshaushalt 2024 festhalten. „Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die so genannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bleibe für 16.
November terminiert, der Haushalt werde dann planungsgemäß zur Abstimmung gestellt. Klar sei auch, dass das Urteil Auswirkungen auf den Klima- und Transformationsfonds haben werde. Scholz betonte: „Die Bundesregierung wird dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau beachten.“
„Klatsche mit Wumms“, „Legitimation vorbei“CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt 2021 als „eine Klatsche mit Wumms für den Bundeskanzler und die Ampel-Koalition“ gewertet. „Das heutige Urteil hat diese links-gelbe Haushaltsmanipulation für verfassungswidrig und nichtig erklärt“, sagte der Vorsitzende der CSU-Bundestagsabgeordneten in Berlin. CSU-Chef Markus Söder sieht das Ende der Regierungszeit der Ampel gekommen. Es sei ein schlimmer Tag für die Regierungsfähigkeit in Deutschland und ein Desaster für die Koalition von SPD, Grünen und FDP, sagte der bayerische Ministerpräsident am Rande einer Landtagssitzung. „Und eigentlich ist damit jede Legitimation vorbei, weiter regieren zu können. Im Grunde genommen kann eine Regierung so nicht weitermachen.“ Aus der Sicht von Söder trifft Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Hauptschuld.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge haben nach dem Karlsruher Urteil zum Haushalt die Bedeutung der betroffenen Programme unterstrichen. „Die Programme des Klima- und Transformationsfonds sind extrem wichtig für Klimaschutz, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik“, erklärten die Politikerinnen in einer gemeinsamen Mitteilung.
Nach dem Urteil trafen sich die Ampel-Fraktionen in Sondersitzungen. Dabei kündigte Finanzminister Lindner Konsequenzen an. Die Bundesregierung habe für den Klimafonds KTF eine Ausgabensperre verhängt. Ein neuer Wirtschaftsplan werde nun ausgearbeitet. Davon ausgenommen seien Maßnahmen zur Energieeffizienz. Laut Habeck werden alle zugesagten Verpflichtungen im Rahmen des Fonds aufrechterhalten, alle neuen Projekte müssten nun überprüft werden.
Der KTF ist ein Instrument zur Finanzierung der Energiewende und des Klimaschutzes. Mit ihm unterstützt die Bundesregierung vor allem die energetische Gebäudesanierung, die Dekarbonisierung der Industrie sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Elektromobilität und der Ladeinfrastruktur. Auch der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sowie die Halbleiterproduktion sollen gefördert werden. Der Wegfall der EEG-Umlage wird ebenfalls aus dem KTF finanziert. Geplant war, dass zwischen 2024 und 2027 für die Aufgaben des KTF rund 211,8 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Mittwoch, 15.11.2023, 16:08 Uhr
Günter Drewnitzky und dpa
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